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Magnesium treibt den Motorenbau um

BMW baut Sechszylinder-Antriebe mit Magnesium-Kurbelgehäuse
Magnesium treibt den Motorenbau um

Magnesium treibt  den Motorenbau um
Herstellung des Verbund-Kurbelgehäuses: Das Aluminium-Insert wird ins Druckguss-Werkzeug eingelegt und innerhalb von 60 ms mit flüssigem Magnesium umgossen (Bild: BMW)
Im Motorenbau hat eine neue Ära begonnen: BMW fertigt die ersten Großserien mit einem Kurbelgehäuse aus Magnesium und Aluminium. Der neue Sechszylinder-Ottomotor ist 10 kg leichter als sein Vorgänger, braucht weniger Sprit und bringt mehr Leistung.

Von unserem Redaktionsmitglied Olaf Stauß olaf.stauss@konradin.de

Noch vor einem Jahr sah es nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen aus. Mehrere Automobilhersteller mühten sich um das erste serienmäßige Kurbelgehäuse aus Magnesium – vorne dran der VW-Konzern mit seinen langjährigen Magnesium-Erfahrungen. Doch seit Juni ist klar: Die BMW AG hat das Rennen gemacht. Ihr neuer 3,0-l-Reihensechszylinder-Ottomotor setzt Maßstäbe im Leichtbau von Motoren. Denn Magnesium (Mg) ist nochmal rund ein Drittel leichter als Aluminium (Al). Nach BMW-Einschätzung ist der Sechszylinder der leichteste der Welt in seiner Leistungsklasse. Mit 161 kg wiegt er 10 kg weniger als sein Vorgänger und ist dabei mit zusätzlichen Features (wie der drosselfreien Laststeuerung Valvetronic) ausgestattet, die ihn bei herkömmlicher Bauweise um 14 kg schwerer machen würden. Der Verbrauch sinkt um 12 %, und gleichzeitig steigt die Leistung um 12 % auf 190 kW (258 PS).
Das Magnesium-Aluminium-Kurbelgehäuse hat an diesem Leichtbau-Erfolg den größten Anteil. Es wiegt 24 % weniger als ein Al-Kurbelgehäuse. Die Entwickler nutzten dafür die aus dem Motorsport bekannte Bedplate-Konstruktion und teilten das Kurbelgehäuse: Das Unterteil (Bedplate) ist aus Mg und enthält eingegossene Lagerhalbschalen aus Sinterstahl. Nach dem Einlegen der Kurbelwelle wird darauf das Oberteil des Kurbelgehäuses verschraubt, das aus einem Al-Kern mit komplett umgossenem Mg-Mantel besteht. In diesem Alu-Insert sind sowohl die Gegenstücke der Kurbelwellenlager integriert als auch die Zylinderlaufbuchsen, die Kühlkanäle, der Räderkastendeckel und die meisten Aufnahmen für die Nebenaggregate.
Für die Realisierung mussten die Ingenieure etliche technologische Hürden überwinden, insbesondere in der Werkstoffentwicklung. Im Vordergrund standen Korrosionsbeständigkeit, thermische und mechanische Belastbarkeit und vor allem die Kriechfestigkeit bei Betriebstemperaturen zwischen 100 und 150 °C, die bisher keine Mg-Legierung erfüllen konnte. Doch auch die Gießprozesse erforderten große Anstrengungen. Bei dem Druckgießverfahren schrumpft der Mg-Mantel auf das Alu-Insert auf. „Zwei Jahre haben wir den Prozess auf einer eigenen Versuchsanlage geprobt und entwickelt“, sagt Johann Wolf, Leiter der BMW-Gießerei in Landshut. Die Grundidee der Konstruktion erklärt er so: „Kraft- und wasserführende Funktionen sind in Aluminium integriert, einhüllende und ölführende Funktionen in Magnesium.“ Diese Bauweise umgeht das Korrosionsproblem elegant.
Die Fertigung des Verbund-Kurbelgehäuses findet im Werk Landshut in einem eigens errichteten, 10 000 m² großen Neubau statt: Nach dem Einlegen des Alu-Inserts presst die Anlage in nur 60 ms das flüssige Magnesium mit einem Druck von 1000 bar in die Form. 20 s später wird das Gehäuse von einem Roboter entnommen und nach dem Entfernen des Abgusses und nach einer speziellen Wärmebehandlung auf die Reise ins Motorenwerk Steyr zur Nachbearbeitung und Endmontage geschickt. Die schwierigste Projektphase, so stellt Wolf rückblickend fest, war die Zeit bis zur Systementscheidung. Die Entwicklungsarbeit verlief dann nach Plan. „Solche Ideen entstehen immer mit 10 % Inspiration und 90 % Transpiration.“
Die Bayern werden nicht die Einzigen bleiben, die Magnesium im Kurbelgehäuse einsetzen. Beim Motorenbauer AVL List GmbH in Graz läuft zur Zeit ein Prototypenprojekt mit einem turboaufgeladenen Dreizylinder-Dieselmotor mit Direkteinspritzung (45 kW). Der „AVL Genios LE“ mit Mg-Verbundkurbelgehäuse hat bereits 60 000 km absolviert. Vom Magnesium-Konzept her geht er über die BMW-Lösung hinaus und verzichtet auf flächige Aluminium-Strukturelemente. Lediglich die Hauptlager sind mit umgossenem Eisen versteift. Die Zylinderlaufbuchsen aus Alusil wurden direkt in den Mg-Körper eingepresst. AVL arbeitet mit der Australian Magnesium Corporation als Werkstoffentwickler zusammen. „Unsere Legierung ist schon sehr seriennah“, sagt Projektmanager Martin Atzwanger und zeigt sich zuversichtlich, noch größere Gewichtsvorteile als BMW zu erzielen. Beim Hochrechnen des Konzeptes auf einen V12-Motor von Mercedes ermitteln die Grazer einen Gewichtsvorteil von 20 kg. Gespräche mit Automobilherstellern seien im Gange.
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