Lange Zeit lag der Südwesten Polens im Schatten dynamischer Wirtschaftszentren wie Warschau oder Poznan. Inzwischen gilt die niederschlesische Metropole Wroclaw als eine der „dynamischsten und wirtschaftlich erfolgreichsten Städte Polens“, so das Warsaw Business Journal im April. Doch nicht nur die Gebietshauptstadt selbst befindet sich im Aufschwung, die gesamte Region Dolny Slask (Niederschlesien) hat sich zu einem Magneten für ausländische Investoren entwickelt.
Diese haben zur Entstehung industrieller Cluster beigetragen, die teils an die industrielle Tradition der Region anknüpfen. So hat sich Dolny Slask durch die Ansiedlung internationaler Weiße-Waren-Produzenten wie Whirlpool, Fagor oder Electrolux zu einem europäischen Zentrum der Haushaltselektronik entwickelt. Mit großen Investitionen unter anderem von Volvo, Toyota und VW ist die Region zu einem wichtigen Standort der Automobil- und Zulieferindustrie geworden. Die kleine Gemeinde Kobierzyce bei Wroclaw ist dabei, einer der führenden europäischen Standorte für die Produktion von LCD-Fernsehgeräten zu werden, seitdem die koreanische LG-Gruppe sich Ende 2005 entschieden hat, hier zusammen mit Zulieferern insgesamt neun Werke zu errichten.
Dabei profitiert der Großraum Wroclaw von seiner günstigen geographischen Lage: Über die Autobahn A4 ist Wroclaw als einzige polnische Stadt mit dem westeuropäischen Autobahnnetz verknüpft. Daneben lockt die Universitätsstadt mit ihren über 130 000 Studenten mit ihrem Potenzial an Fach- und Führungskräften.
Eine wichtige Rolle bei der Ansiedlung ausländischer Investoren spielen nicht zuletzt die drei niederschlesischen Sonderwirtschaftszonen (SWZ), die Dolny Slask zur polnischen Region mit der größten „SWZ-Dichte“ machen.
Der Zustrom ausländischer Investoren und die Abwanderung von Arbeitskräften haben allerdings zu einer spürbaren Anspannung auf dem regionalen Arbeitsmarkt geführt. Dennoch steigt das Lohnniveau generell moderat. Lediglich in bestimmten Bereichen, beispielsweise im Bausektor sowie bei Ingenieuren und anderen Fach- und Führungskräften, ist der Lohnauftrieb deutlich stärker. Iwona Makowiecka, Leiterin des Regionalbüros der Deutsch-Polnischen Industrie- und Handelskammer in Wroclaw, rät Unternehmen, bei der Mitarbeitersuche und -bindung auch die nichtmonetären Anreize zu beachten: „Die Unternehmen müssen ihren Mitarbeitern Karrieremöglichkeiten bieten.“
Dass die Region kein Niedriglohnstandort mehr ist, hat sich herumgesprochen: „Die Markterschließung gewinnt als Investitionsmotiv zunehmend an Bedeutung,“ beobachtet Michael Korff, Präsident des Europa Forums, das als Kontaktbörse für deutsche Unternehmen in Dolny Slask fungiert. Und auf billige Handarbeit setzen die Investoren ohnehin nicht mehr: „Wir automatisieren hier genau so, wie wir es in Deutschland gemacht hätten,“ betont Edgar Bassen, der das Werk des deutschen Automobilzulieferers Vibracoustic in der Nähe von Wroclaw leitet.
Investoren liebäugeln mit der Markterschließung
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