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Masterstudium macht den Ingenieur zum Manager

Steinbeis-Hochschule: Zusatzausbildung für Führungsnachwuchs
Masterstudium macht den Ingenieur zum Manager

Einem Aufbaustudenten, der die Hälfte seiner Zeit in Berlin verbringt, hat der mittelständische Schweißgerätehersteller Rehm aus Uhingen die Marktstudie für sein neues Produkt anvertraut – und empfiehlt diesen Weg zur Nachahmung.

Von unserem Redaktionsmitglied Dr. Birgit Oppermann

Dass sich Michael Eberspächer als neuer Mitarbeiter für seinen Arbeitgeber engagiert, hat der studierte Elektronik-Ingenieur in zehn Monaten Projektarbeit bewiesen: Für die im schwäbischen Uhingen ansässige Rehm GmbH u. Co. Schweißtechnik erstellte er eine Marktstudie zu einer neuen Generation von Schweißgeräten. Was ihm dazu an theoretischem Management-Wissen fehlte, büffelte er im gleichen Zeitraum an der Berliner Steinbeis-Hochschule. „Die Flugverbindungen zwischen Stuttgart und Berlin sind relativ günstig“, erinnert sich Eberspächer, der seine Zeit gut einteilen und insgesamt sieben Mal hin und her jetten musste.
Theorie und Praxis brachten ihm neben einer Menge Arbeit einen zweiten, international ausgerichteten Hochschulabschluss ein, den Master of Business and Engineering (MBE). Zugleich ist das Ziel des Ausbildungskonzeptes erreicht, das die Stuttgarter Steinbeis-Stiftung für Wirtschaftsförderung mit ihrer Hochschule anstrebt: Der Mittelständler Rehm hat die Aufgabe für ein Projekt definiert, eine Pauschale bezahlt und eine Lösung von Fachleuten bekommen – plus einen qualifizierten Ingenieur, denn der ehemalige Student Eberspächer ist seit Juli fest angestellt.
Die Hochschule bezeichnet dieses Angebot als Internationales Projekt-Kompetenz-Studium. Hierfür können sich Hochschulabsolventen ganz unterschiedlicher Fachrichtungen bewerben. Eine Chance bekommen sie nur, wenn sie einen sehr guten Abschluss vorweisen können. Dann erhalten sie eine komplementäre Ausbildung: Ingenieure lernen die Grundbegriffe des Managements, und studierte Betriebswirtschaftler und Kaufleute werden in die Geheimnisse der Technik eingeführt – so weit, dass sie bei einem Gespräch unter Fachleuten im Unternehmen kompetent mitreden können.
Gäbe es keine Flugzeuge, wäre das Konzept einer internationalen Ausbildung nicht zu verwirklichen, wie sie in Berlin angegangen wird. Einige Dozenten fliegen aus Japan oder den USA ein. Auch für die Studenten gerät einiges in Bewegung. Etwa die Hälfte der zehn Monate sollen sie für den praktischen Teil ihrer Ausbildung verwenden – in Wirklichkeit forderte die Projektarbeit beim Unternehmen aber mehr Zeit. Eberspächer arbeitete nicht nur für das Projekt, wenn er an seinem Schreibtisch mit Blick aufs schwäbische Filstal saß. Auch in den mehrwöchigen Theorie-Phasen, die er in Berlin verbrachte, war nach der Vorlesung für ihn noch nicht Feierabend. „Wir haben eine Menge Einsatzbereitschaft erwartet“, betont Volker Schiek, Technikleiter bei Rehm und heute Eberspächers Chef.
Das Unternehmen mit rund 100 Mitarbeitern hat für das Projekt einen Komplettvertrag mit der Steinbeis-Hochschule abgeschlossen. Mit knapp 80000 Mark hat Schiek sein Budget belastet, um dieses gerade für ein kleineres Unternehmen etwas gewöhnungsbedürftige Vorhaben in die Tat umzusetzen. „Auch wenn er sich persönlich sehr engagiert, ist so ein Student keine billige Hilfskraft, sondern eine Investition in die Zukunft“, sagt der Technikleiter mit einem wohlwollenden Seitenblick auf seinen neuen Assistenten. „Wir haben praktisch das Gehalt für einen erfahrenen Ingenieur bezahlt, obwohl er nicht die ganze Zeit bei uns gewesen ist.“
Dass die Projektarbeit zu einem Ergebnis führt, stellen die Hochschulmitarbeiter sicher. Sie legen mit fest, welche Aufgaben dem Studenten übertragen werden. „Zu einfach durfte die Fragestellung nicht sein“, lächelt Schiek. Aber auch das Unternehmen muss seinen Beitrag zum Erfolg leisten: „Gerade weil die Laufzeit mit zehn Monaten so eng bemessen ist, muss das Projekt bei den Mitarbeitern im Betrieb eine gewisse Priorität haben. Sonst sitzt der Student da und wartet.“
Gute Vorbereitung, so hat Schiek in den letzten Jahren bei verschiedenen Projekten mit Instituten oder anderen Partnern beobachtet, ist das A und O. „Wir haben schon Bauchlandungen erlebt, wenn diese Voraussetzung nicht erfüllt war.“ Dennoch betont der Technikleiter: „Gerade kleine und mittlere Unternehmen sollten ihre Scheu überwinden und so etwas ausprobieren.“ Wegen seiner positiven Erfahrungen aus den abgeschlossenen Projekten sei er offen für ungewöhnliche Vorschläge zur Zusammenarbeit, berichtet der Uhinger. Nachdem er zufällig nach einem Vortrag den ersten Kontakt zur Steinbeis-Hochschule bekam, ging alles sehr schnell: „Ich habe schon nach einer Woche den Vertrag mit der Hochschule unterschrieben.“ Und als ihm der Kandidat vorgestellt wurde, „stimmte auch die Chemie“.
Der Zeitpunkt für eine solche Entscheidung war vor eineinhalb Jahren günstig. Gerade war die Idee für eine Forschungsarbeit im Hause Rehm geboren. Als technisches Ziel sollte der Prototyp eines High-End-Power-Leistungsschweißgerätes entstehen, und das Land Baden-Württemberg hatte schon Fördermittel bewilligt. „Für manche Fragen, die die Grundlagenforschung betreffen, brauchen wir den Kontakt zu Universitäten und Forschungsinstituten“, sagt der Technikleiter, „trotzdem wollen wir viel Know-how auch in der Firma halten.“ Durch die Zusammenarbeit mit der Steinbeis-Hochschule kam im Management-Bereich neues Wissen dazu. Nach einer ausführlichen Beratung war sich Schiek sicher, dass eine Projektarbeit in dem Stil, wie ihn die Berliner vorschlagen, sein technisch orientiertes Forschungspaket im Marketingbereich gut ergänzen würde. Der Aufbaustudent mit Ingenieur-Studium sollte für Rehm die Marktstudie erstellen. „So etwas hatten wir vorher noch nicht ausprobiert“, räumt Schiek ein.
Zusatzstudium bereitet auf ein weit gestecktes Aufgabenfeld vor
Die Studie, die unter der Aufsicht der Fachleute entstand, liegt heute auf dem Tisch. „Ich kenne bisher zwar nur einige der Mitarbeiter in den Steinbeis-Transferzentren“, sagt Eberspächer. Aber seine Berliner Ausbildung erleichtert den Kontakt zu den Stiftungsmitarbeitern – unter denen auch einige ehemalige Kommilitonen zu finden sind.
Inzwischen arbeitet sich Eberspächer in seinen Job ein. Das Aufgabenfeld der eigens für ihn geschaffenen Stelle ist weit gesteckt: Er arbeitet in der Entwicklungsabteilung mit, wo Schweißgeräte im Format zwischen Handtasche und Einkaufswagen verbessert oder neu entworfen werden, er hält den Kontakt zu den Kollegen von Marketing und Vertrieb und soll dem Unternehmen zukünftig vor allem auf dem Weg ins Auslandsgeschäft weiterhelfen. Der Schweißtechnik-Hersteller peilt die Technologieführerschaft an „in zwei bis drei der fünf Produktgruppen“, so Schiek. Außerdem soll der Exportanteil die bisherigen 20 % deutlich überschreiten – ein Grund mit, um sich den Ingenieur mit internationalem Abschluss ins Boot zu holen. „Wir sind erst seit drei Jahren im Ausland aktiv, haben aber schon gute Kontakte in 18 Ländern“, berichtet Technikleiter Schiek. Nun wollen sich die Schweißtechniker verstärkt den Märkten in Südeuropa und später in Übersee zuwenden und arbeiten für diesen Schritt mit Hochdruck an dem Prototypen weiter, für den Eberspächer den Markt sondiert hat. „Das Schweißgerät, klein und leicht wie ein Akku-Schrauber, soll unser Türöffner im Ausland sein“, beschreibt Schiek die Strategie der Uhinger.
Vor dem Erfolg im Ausland steht jedoch eine Menge Kleinarbeit, da die Schweißgeräte in die Kategorie „erklärungsbedürftige Technik“ fallen und wegen der hohen Stromstärken und Spannungen viele Sicherheitsvorschriften einzuhalten sind. Von landessprachlichen Anleitungen über das jeweilige Umweltrecht bis zum Service – an der Schnittstelle zwischen Technik und Management sind Organisationstalent und Teamarbeit gefragt. Diese Zwitterfunktion ist genau das, was Eberspächer reizt: „So eine Vielfalt kriegen Sie in einem Großunternehmen mit getrennten Abteilungen nie mit.“
Erfahrungen mit der Kultur im Ausland sind unersetzlich
Dass er der richtige Mann für die globalen Pläne der Uhinger ist, hängt aber nicht nur mit seinem Projekt zusammen. Was die Menschen in anderen Ländern bewegt, wie Denkweisen, Vertriebsstrategien und Arten der Zusammenarbeit aussehen, hat Eberspächer nicht erst als Master-Student gelernt. Während seines Ingenieur-Studiums ging er für Praktikum und Diplomarbeit in die Vereinigten Staaten und nach Argentinien. Die jeweils zwei Wochen, für die das Curriculum der Berliner Studenten Unterricht in den USA und Japan vorsieht, waren für ihn eher eine Ergänzung – trotzdem sagt Eberspächer über den zweiwöchigen Aufenthalt in Asien: „Es bringt eine Menge, die Kultur und die Menschen zu erleben.“
Den erweiterten Horizont schätzt auch der Arbeitgeber. „Die Jungen bringen viele neue Ideen mit“, lobt Technikleiter Schiek und fährt fort: „Wie alle anderen müssen wir aber auch Geld verdienen.“ Zunächst stehen für ihn die Produkte im Vordergrund, die auf in- und ausländische Märkte kommen sollen. Aber in zwei bis drei Jahren sei ihm der nächste Steinbeis-Student willkommen. „Damit sich Arbeit und Kosten für so ein Projekt lohnen, muss im Betrieb aber auch die Bereitschaft zu Veränderungen da sein.“ Schieks Fazit: „Ich möchte auch anderen Unternehmen Mut machen, neue Wege zu gehen, statt nach bekanntem Muster immer alles selbst zu erledigen.“
Aufbaustudium: Aufstiegsmöglichkeiten rechtzeitig diskutieren
Zehn Monate dauert ein Aufbaustudium zum Master of Business and Engineering. Jeder Student arbeitet während dieser Zeit in einem Unternehmen mit. Prof. Sylvia Rohr, zuständig für den Bereich Technologiemanagement bei der Stuttgarter Steinbeis-Stiftung für Wirtschaftsförderung, sieht darin eine Chance für mittelständische Betriebe, sich als interessante Arbeitgeber zu präsentieren.
?Frau Professor Rohr, was unterscheidet die Steinbeis-Hochschule von anderen Universitäten oder Fachhochschulen?
!Wie es von der Wirtschaft häufig gefordert wird, ergänzen unsere Studenten ihr Wissen um die Bereiche, die von einem herkömmlichen Fachstudium nicht abgedeckt werden, aber in den Unternehmen wichtig sind. Ingenieuren beispielsweise wird betriebswirtschaftliches Know-how vermittelt, und angehende Manager bekommen ein grundlegendes Verständnis für technische Zusammenhänge. Im Gegensatz zu anderen privaten Hochschulen ist unser Angebot völlig unabhängig von Subventionen aus öffentlichen Kassen, sondern trägt sich ausschließlich über die Mittel, mit denen unsere Partner aus der Wirtschaft die gemeinsamen Entwicklungsprojekte finanzieren.
? Was ist das Besondere an Ihren Studenten?
!Von den mehr als 500 Interessenten für rund 60 Plätze lassen wir nur diejenigen zum Studium zu, die sowohl kompetent in ihrem Fach sind als auch eine Menge Kreativität mitbringen. Schon bevor sich die Absolventen bei uns bewerben, haben sie für sich erkannt, dass in Unternehmen zusätzlich zum Fachwissen auch Know-how aus anderen Bereichen eine Rolle spielt, um in Teams mitarbeiten zu können.
? Welche Möglichkeiten gibt es für kleine und mittlere Unternehmen, trotz der Konkurrenz durch Großunternehmen Mitarbeiter aus den Reihen Ihrer Studenten zu werben?
! Während der Projektarbeit lernen sich Arbeitgeber und potentieller Mitarbeiter gut kennen, was die Grundlage für ein längerfristiges Arbeitsverhältnis sein kann. Bisher haben sich aber leider noch wenige Mittelständler an solche Projekte herangewagt, obwohl wir positive Beispiele haben.
? Was könnte die Absolventen am besten davon überzeugen, nach dem Projekt zu bleiben?
! Unsere Absolventen streben Führungspositionen an, die sie vielleicht in einem mittelständischen Unternehmen eher erreichen als bei einem Global Player. Gerade bei der Diskussion um den Generationswechsel wird das deutlich. Wenn also Interesse daran besteht, jemanden über die Projektarbeit hinaus zu halten, sollten die Aufstiegsmöglichkeiten rechtzeitig diskutiert werden.
Steinbeis-Hochschule: Mit 75000 Mark sind Sie dabei
Zur Zeit bietet die Steinbeis-Hochschule in Berlin insgesamt vier Studiengänge an. Für Mitarbeiter von Mittelständlern sind davon zwei besonders interessant. Sie unterscheiden sich in der Zielgruppe und auch in der Dauer der Ausbildung.
– Management für Führungskräfte in kleinen und mittleren Unternehmen
Diese Weiterbildung ist für Mitarbeiter gedacht, die über zweieinhalb Jahre in Zusammenarbeit mit der Universität in St. Gallen berufsbegleitend etwas dazulernen sollen. Viele der Veranstaltungen sind auf Wochenenden gelegt. Prof. Johann Löhn, Präsident der Steinbeis-Hochschule, sieht in diesem Angebot eine Möglichkeit, qualifizierten Mitarbeitern ein Incentive zu bieten.
– Master of Business and Engineering (MBE)
Die theoretische und praktische Ausbildung soll Absolventen verschiedener Fachrichtungen in zehn Monaten komplementäres Wissen vermitteln und sie zum Führungsnachwuchs ausbilden. Die Studenten lernen in Auslandsaufenthalten die Gedankenwelt amerikanischer und japanischer Führungskräfte kennen. Unternehmen können Entwicklungs- oder Managementaufgaben stellen, die sich als Projektarbeit eignen. Die Kosten für ein Projekt, das jeweils im Herbst beginnt, betragen insgesamt 75 000 DM. Um genug Zeit zum Vorbereiten zu haben, empfehlen die Hochschulmitarbeiter, rund ein Jahr vorher mit der Planung zu beginnen.
– Weitere Studiengänge: Die Ausbildung zum Master of Media Management soll für den Umgang mit modernen Medien qualifizieren. Der Abschluss Master of International Entrepreneurship ist vor allem für Studierende aus dem asiatischen und osteuropäischen Ausland gedacht. Weitere Studiengänge sind in Vorbereitung und sollen das Angebot den Bedürfnissen der Industrie anpassen.
Mehr Informationen über die Hochschule oder Beratung zu möglichen Projekten:
Walter Beck, Tel. 030/293309-0
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