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Mehr Leistung – und das ohne Überstunden

Alternierende Telearbeit: Spezialisten arbeiten zeitweise zu Hause
Mehr Leistung – und das ohne Überstunden

Die Arbeitsformen verändern sich rasant. Ein aktueller Trend ist die EDV-gestützte Erbringung von Arbeitsleistungen außerhalb der Büroräume. Alternierende Telearbeiter pendeln zwischen ihrem Schreibtisch in der Firma und dem zu Hause. Für Mittelständler kann sich das Modell durchaus rechnen.

Brigitte Thurn ist Journalistin in Köln

Selbstorganisation und Flexibilität gelten als Zauberformeln der Arbeitswelt von morgen. In der Simon Möhringer GmbH in Wiesentheid hat die Zukunft bereits begonnen. Einen Teil der anfallenden Aufgaben im Export und in der Buchhaltung erledigen Mitarbeiter des Sägewerkherstellers schon in Form von alternierender Telearbeit.
Dorothee Moolhuyzen empfindet es als Vorteil, zeitweise zu Hause arbeiten zu können. „Wenn es sich nicht gerade um besonders dringliche Aufgaben handelt, kann ich mir meine Zeit frei einteilen, kann ich auch abends oder am Wochenende arbeiten“, erklärt die Exportmanagerin und Personalleiterin. Sie räumt allerdings auch ein: „Telearbeit muss einem liegen. Man braucht eine Menge Selbstdisziplin und Eigenmotivation, um sich nicht ablenken zu lassen.“
Wenn diese Voraussetzungen gegeben seien, müsse man nicht eigens ins Büro fahren, um Angebote oder Mahnungen zu schreiben. Bestimmte Bereiche ihres Aufgabengebiets dagegen empfehlen sich nicht für die Telearbeit: „Wenn Aufgaben anstehen, bei denen viele Informationen von Kollegen benötigt werden, dann ist es doch einfacher, die Arbeit im Unternehmen zu erledigen“, erläutert Moolhuyzen.
Mit Heimarbeit im traditionellen Sinne hat alternierende Telearbeit nichts gemein. Zum einen arbeiten die Mitarbeiter nicht ständig isoliert zu Hause, sondern verbringen einen guten Teil der Arbeitszeit in der Firma, zum anderen sind die meisten dieser Beschäftigten hochqualifiziert. Es sind EDV-Experten, Ingenieure, Spezialisten und zunehmend auch Führungskräfte. Über 75 % sind übrigens Männer. „Bei den Tätigkeiten der Telearbeiter zählt die Leistung, das Ergebnis – und nicht die aufgewendete Zeit“, erklärt Norbert Kordey von der Empirica GmbH in Bonn, einem Forschungs- und Beratungsunternehmen in den Bereichen Kommunikation und Technologie. Er bestätigt: „Man kann Telearbeit durchaus als Erfolgsfaktor für mehr Flexibilität werten.“
Arbeit wird zunehmend unabhängig von Zeit und Ort. Rund um den Globus verteilte Teams haben nur ein enges Zeitfenster für die gemeinsame Projektarbeit. Da kann das einzelne Mitglied sich nicht auf den Korridor 8 bis 17 Uhr deutscher Zeit berufen. Aufgaben werden erledigt, wenn sie anfallen. Mitarbeiter greifen auf das Intranet zu, wo immer sie gerade sind – in der Firma, im Hotel oder zu Hause. Technologiekonzerne wie Siemens beschäftigen bereits Hunderte von Mitarbeitern in alternierender Telearbeit.
Auch bodenständige Mittelständler entdecken den Vorteil flexiblerer Arbeitsformen. „Als wir 1999 die gesamte EDV neu aufbauten, haben wir beschlossen, auch Telearbeit anzubieten“, berichtet Andreas Grochowiak, Geschäftsführer und Mitinhaber des nordrhein-westfälischen Hubarbeitsbühnen-Herstellers Teupen Maschinenbau GmbH in Gronau. Testperson war eine Frau. Ursprünglich habe man erst nach einem Jahr Bilanz ziehen wollen, „doch der Erfolg zeichnete sich bereits nach drei Monaten ab“, resümiert Grochowiak und betont: „Die Leistungsmenge der zu Hause erledigten Aufgaben ist um etwa 20 Prozent höher.“ Dorothee Moolhuyzen nennt den Grund für die höhere Effektivität: „Daheim habe ich mehr Ruhe, da kann ich mich besser konzentrieren, da werde ich nicht von Kollegen oder Telefonanrufen gestört.“
Der Wunsch nach alternierender Telearbeit gehe meist vom Mitarbeiter aus, erklärt Kordey: „Die Leute schätzen die Ruhe zu Hause, sie möchten nicht in der Rushhour zum Unternehmen fahren müssen, viele wollen tagsüber mehr Zeit für die Kinder haben.“ Der Volkswirtschaftler hält es für schwierig, den finanziellen Nutzen von Telearbeit für ein Unternehmen exakt auszurechnen. Für den häuslichen Arbeitsplatz fallen zusätzliche Kosten an für PC und Einrichtung. Ob im Gegenzug auch Einsparungen durch Desk-sharing zu verzeichnen sind, hänge vom Einzelfall ab. Ein Faktor aber wirke sich mit Sicherheit positiv auf die Arbeitskostenaufstellung aus: Die Fehlzeiten durch kurzfristige Krankheiten sinken eindeutig. Kordey erläutert: „Wer bereits einen Schnupfen hat, bleibt in der Regelarbeitszeit zu Hause, weil er sich in den öffentlichen Verkehrsmitteln nicht den Rest holen möchte.“
Für alternierende Telearbeit sprechen nicht nur die sinkenden Fehlzeiten – ein Unternehmen reduziert zudem die Kosten für Überstunden, da die flexiblen Telearbeiter termingebundene Leistungen auch außerhalb der üblichen Bürostunden erledigen. „Für uns ist Telearbeit eine sehr gute Lösung“, berichtet Peter Blum von der Matthias Strobel GmbH & Co. KG im baden-württembergischen Pfullendorf und führt aus: „Im Baugewerbe kommt es einerseits auf schnelle und kundennahe Abwicklung an, andererseits aber auch darauf, die Ressourcen zu schonen.“ Strobel beschäftigt einen fest angestellten Ingenieur und einen freiberuflichen Bauleiter in Telearbeit: „Der Ingenieur ist nur an ein bis zwei Tagen im Büro“, erklärt Blum, „den Rest der Zeit ist er entweder auf der Baustelle oder er arbeitet zu Hause am PC.“ Die nötige Software für die Abrechnungen, Kalkulationen oder Aufrisse hat Strobel gestellt, abgerechnet wird das Leistungsverzeichnis. „Im Dezember und im Januar arbeitet der Mitarbeiter nicht für uns“, berichtet Blum. Die Freistellung während der Wintermonate ist für beide Seiten von Vorteil. Der Mitarbeiter hat einen großen Block freier Zeit zur Verfügung und die Firma spart Kosten.
Bei Teupen arbeiten momentan neun Mitarbeiter in alternierender Telearbeit: sieben im Verkauf und zwei in der Konstruktion. „Für uns ist Telearbeit ein gutes Hilfsmittel, wir wollen das Modell erweitern“, konstatiert Grochowiak. Für interessierte Unternehmen hat der Experte ein Bündel von Tipps zur Hand:
  • Stellen Sie ihre Führungskräfte auf einen Veränderungsprozess ein. Telearbeit ist nicht zeit- sondern ergebnisorientiert.
  • Nehmen Sie einen Mitarbeiter nicht ganz aus dem Unternehmen raus. Es ist wichtig, dass die Verbindung zu den Kollegen gehalten wird.
  • Meilensteine müssen enger gesetzt werden im Vergleich zur Regelarbeitszeit. Im Schnitt sollte der Abstand etwa ein Drittel kürzer sein.
  • Telearbeiter sollten in überschaubaren Gruppen arbeiten, damit sie sich nicht hinter den Kollegen verstecken können. Von fünf bis sechs Leuten des Teams sollten maximal zwei telearbeiten.
Wer Telearbeiter beschäftigt, solle besonders auf die Außenwirkung dieser Arbeitsform achten, empfiehlt Grochowiak: „Die Mitarbeiter in diesem Modell müssen eigens geschult werden, damit beim Kunden nicht der Eindruck entsteht, er sei bei einem Call-Center gelandet und dann irritiert reagiert.“ Im Idealfall merke der Kunde gar nicht, dass sein Ansprechpartner nicht im Unternehmen sitzt – zumindest dürfe er es nicht als störend empfinden.
Telearbeiter müssen hohe Voraussetzungen erfüllen. „Wir betrauen nur die Mitarbeiter damit, die schon einige Jahre im Hause sind und zu denen eine besondere Vertrauensbasis besteht“, erklärt Personalchefin Dorothee Moolhuyzen. Das ist verständlich, gilt es doch, Betriebsgeheimnisse zu wahren.
Allerdings muss sich das Unternehmen nicht nur auf die Diskretion des Telearbeiters verlassen können, sondern auch darauf, dass die Datenübertragung dem Sicherheitsstandard genügt. Eine mögliche Lösung ist das sogenannte Call-Back-Verfahren: Der Rechner des Telearbeiters erhält einen Identifizierungscode. Meldet der Mitarbeiter seinen Zugriff auf das Intranet per Passwort an, ruft das System den Rechner automatisch mit dem vereinbarten Code zurück. Das Verfahren soll sicherstellen, dass nur berechtigte Nutzer Zugriff auf die Daten erhalten.
Doch solchen technologischen Möglichkeiten traut bei weitem nicht jedes Unternehmen. Bei Möhringer nehmen Mitarbeiter der Buchhaltung Arbeit nur in Papierform mit nach Hause. Moolhuyzen: „Diese sensiblen Daten ins Netz zu stellen, ist uns momentan noch etwas zu gefährlich.“
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