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Mehr Zeit fürs produktive Biegen

Biegeteile: Rüstzeiten durch automatische Werkzeugwechsler verkürzen
Mehr Zeit fürs produktive Biegen

Kleinere Losgrößen und häufig wechselnde Produkte führen dazu, dass der Mann an der Gesenkbiegepresse immer mehr Zeit mit dem Werkzeugwechsel und weniger Zeit mit der Produktion von Biegeteilen verbringt. Mehrere Firmen haben jetzt automatische Werkzeugwechselsysteme und Hilfseinrichtungen vorgestellt, die Abhilfe schaffen.

Bei manchen Zulieferern werde die Gesenkbiegepresse unter bestimmten Umständen nur zu 50 % ihrer Zeit für den produktiven Biegeprozess genutzt. In der restlichen Zeit seien die Bediener mit Rüstaufgaben ausgelastet. Michael Groß, Produktmanager Abkant- und Schertechnik der Amada GmbH in Haan fasst zusammen, wie sich die ändernden Produktionsanforderungen speziell in der Fertigung von Biegeteilen auf die Produktivität in den Werkhallen vieler Zulieferbetriebe auswirkt. Auf kleine Losgrößen und häufig wechselnde Produkte sind herkömmliche Abkantpressen nicht vorbereitet. Ihre Konzepte sind entstanden, als Biegelose die Abkantpressen teils noch über Tage hinweg auslasten konnten; entsprechend vernachlässigbar waren die Rüstzeiten. Werkzeugwechsel und die Werkzeuglagerung wurden deshalb vor allem kostengünstig ausgelegt und zeigen sich heute entsprechend aufwändig. Zu aufwändig, wenn mehrmals am Tag ein Werkzeugwechsel ansteht. Abgesehen davon, dass die Maschine in dieser Zeit nicht produktiv zu nutzen ist, kann es sich eigentlich kein Zulieferbetrieb heute leisten, einen fähigen Biegefachmann mehrere Stunden am Tag alleine mit dem Umrüsten und Umräumen der Werkzeuge zu beschäftigen.

Das Problem ist evident, und gleich mehrere Werkzeugmaschinenbauer haben in jüngster Zeit Lösungen für Abkantpressen vorgestellt, welche den Werkzeugwechsel deutlich verkürzen. Diese Lösungen lassen sich dort einsetzen, wo vollautomatisierte Biegezellen nicht wirtschaftlich und herkömmliche manuelle Systeme zu langsam sind. So präsentiert die Amada GmbH in Haan eine neue Generation Hybridpressen der Baureihe HG mit einem seitlich angedockten Werkzeugwechselsystem namens ATC, die LVD Company nv im belgischen Gullegem bringt die Baureihe Toolcell mit integriertem Werkzeuglager und automatischem Wechsler heraus und die Trumpf GmbH + Co KG in Ditzingen stellt mit dem Toolshuttle ein Werkzeuglager vor, das den Werkzeugwechsel zwar nicht automatisiert, aber vereinfacht und verkürzt.
Mit dem Automatic Tool Changer (ATC) an der neuen servo-hydraulischen Abkantpresse HG 1003 mit 1000 kN Presskraft und 3110 mm Abkantlänge sollen sich nach Angaben von Amada selbst wechselnde Lose mit Losgrößen unter zehn Stück wirtschaftlich fertigen lassen. Das Werkzeugwechselsystem besteht aus einem seitlich an der Presse angeordneten schrankartigen Werkzeuglager, das 18 Magazine für Matrizen und 15 für Stempel fasst. Jedes Magazin kann bis zu 800 Millimeter Werkzeuglänge aufnehmen, so dass insgesamt etwa 25 m Werkzeuglänge bereitstehen. Selbst bei einem komplizierteren Werkzeugaufbau dauere der Werkzeugwechsel nur zwei bis drei Minuten, teilen die Hersteller mit. Den Werkzeugwechsel selbst übernehmen vier Manipulatoren, die hinter dem Pressbalken verfahren und zeitlich parallel die dem Biegeauftrag entsprechenden Werkzeuge an der richtigen Stelle positionieren. Für das einfache Spannen, Entnehmen und Transportieren sorgt eine hydraulische Werkzeugklemmung.
Von zentraler Bedeutung für den Produktivitätsgewinn durch einen automatischen Werkzeugwechsel ist das Steuerungskonzept. Mit einer speziell entwickelten CAM Software lassen sich bei den Amada-Systemen die Programme für die Gesamtanlage direkt aus den CAD-Daten automatisch erstellen. Die Software ermittelt dabei automatisch die Abkant-Reihenfolge und das Werkzeug-Layout. Der Maschinenbediener ruft die Daten zu Beginn eines Auftrags beispielweise mittels Barcode ab und löst mit dem Startknopf die komplette automatische Einstellung der Presse aus. Ein mitfahrender Fußschalter markiert ihm während des Prozesses, an welchem Werkzeug zu biegen ist. Mit dieser Hilfseinrichtung können auch Mitarbeiter mit geringen Vorkenntnissen an der Maschine anspruchsvolle Biegeteile zuverlässig produzieren.
Der Werkzeugwechsler ATC soll in Zukunft mit rund einem Dutzend Maschinen der HG-Serie kombiniert werden können. Die Serie wird Presskräfte von 500 bis 2200 kN und Abkantlängen von 1250 bis 4000 mm abdecken.
Ein in die Maschine integriertes Werkzeugwechselkonzept haben die Maschinenbauer von LVD entwickelt. Toolcell, so der Name des Systems, ist eine Abkantpresse mit integriertem Werkzeuglager, untergebracht in einer Werkzeugstation unter dem Hinteranschlag der Maschine. Gewechselt werden die Werkzeuge von einem in einen Anschlagfinger der Maschine eingebautem Greifer. Während der Bediener einen Auftrag vorbereitet, wechselt die Abkantpresse automatisch die obere und untere Werkzeugbestückung. Alle Werkzeuge verbleiben dabei innerhalb der Maschine, so dass die Werkzeugumstellung nur wenig Zeit beansprucht.
Die Werkzeugstationen werden durch den Greifer präzise positioniert und automatisch kontrolliert. Dazu nutzt die Maschine das vorhandene adaptive Easy-Form-Laser-Winkelmesssystem doppelt, indem es im Scan-Modus die Position der Werkzeuge verifiziert. Im Mess- und Korrekturmodus sorgt das Easy-Form-Laser-Winkelmesssystem für Gutteile vom ersten Teil an. Dazu nimmt das System mit der Lasermesseinheit Messwerte von der Vorder- und von der Rückseite der Matrize.
In der LVD-Lösung verfügt das Werkzeuglager über die Kapazität zur Aufnahme von zwei Gesamtlängen an selbstzentrierenden Oberwerkzeugen sowie fünf Gesamtlängen der unteren Werkzeugbestückung. Für spezielle Erfordernisse kann das Werkzeug-Magazin zudem mit flexiblen Werkzeugkonfigurationen besetzt werden. Zur Steuerung wird die jüngste Generation der 19-Zoll-Touchscreen-Steuerung von LVD eingesetzt: Touch-B. Diese Steuerung bietet mit grafischen Symbolen einen schnellen Überblick und stellt einen effizienten Betrieb sicher. Die Programmierung des Werkzeugwechslers erfolgt idealerweise offline mit dem Cadman-B-Werkzeugwechsler-Modul aus der Cadman-Software-Reihe.
Die Abkantpresse Toolcell ist zunächst mit 1350 kN Presskraft und 3060 mm Abkantlänge erhältlich, Konfigurationen mit 1700 kN und 2200 kN Presskraft und 3060 mm oder 4080 mm Abkantlänge sollen folgen.
Nicht Automatisieren, aber deutlich beschleunigen will Trumpf den Werkzeugwechselvorgang an Gesenkbiegepressen mit dem speziellen Werkzeuglager „Toolshuttle“. Auf vier Ebenen lagert das geschlossene System bis zu 160 m Biegewerkzeuge. Über eine Steuerung lassen sich die benötigten Werkzeuge jederzeit abrufen und an einer zentralen Ein- und Ausgabestation entnehmen. Idealerweise steht das Toolshuttle zwischen zwei Biegemaschinen, so dass die Biegewerkzeuge über einen Transferschlitten direkt zur Werkzeugklemmung verschoben werden können. Die Bestückung erfolgt flexibel: Je nach Bedarf können die Biegewerkzeuge nach Werkzeugtypen, vorkommissioniert nach Aufträgen oder nach Teilefamilien organisiert sein. Gegenüber herkömmlichen Systemen mit Lager und Werkzeugwagen lassen sich nach Angaben von Trumpf die Rüstzeiten um 50 % verkürzen. Zeit, in der die Biegemaschine produktiv arbeiten kann.
Volker Albrecht Freier Journalist in Bamberg
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