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Mikrotechnik entwächst den Kinderschuhen

Piezogetriebene Mikropumpe ist jetzt großserientauglich
Mikrotechnik entwächst den Kinderschuhen

Die Zeit der Laborromantik ist vorbei. Auf der MicroTechnology findet der Entwickler zunehmend ausgereifte Komponenten, die er mit überschaubarem Aufwand für seine Anwendungen nutzen kann. Auch die Zahl der Fertigungsmethoden wächst kontinuierlich.

Von unserem Redaktionsmitglied Olaf Stauß olaf.stauss@konradin.de

Vor kurzem hätte so etwas noch niemand erwartet: Dass ein Aussteller auf der MicroTechnology eine großserientaugliche Mikropumpe auf die Vitrine legt, wie jetzt die Bartels Mikrotechnik GmbH, Dortmund (Halle 15, Stand D36). 0,8 g wiegt sie, ist kleiner als ein Cent-Stück und bewegt Flüssigkeiten von 50 nl (160stel eines Wassertropfen) bis 5 ml pro Minute. Der Preis entspricht dem eines Serienprodukts und nicht mehr dem eines Prototypen. Die Bartels-Pumpe ist auch mit USB-Anschluss erhältlich, so dass sie sich mit einem normalen PC steuern lässt. „Damit die Mikropumpe großserientauglich wird, haben wir das Design auf die Spritzgusstechnik heruntergebrochen und die Fügeverfahren angepasst“, erklärt Dr. Frank Bartels. „Jetzt haben wir eine technisch einheitliche Basis, auf der wir die Pumpe für verschiedene Applikationen anbieten können.“
Zum Beispiel für den Einsatz in Bügeleisen, um Wassertropfen gleichmäßig auf die Heizfläche zu bringen, unabhängig vom Füllstand. Gespräche seien auch schon über die Kettensägenschmierung oder das Entnehmen von Proben aus Aquarien geführt worden. Um hohe Stückzahlen bewältigen zu können, kooperiert Bartels mit dem Bad Oeynhausener Spritzguss-Spezialisten Fennel GmbH & Co. KG und kann jetzt die gesamte Wertschöpfungskette aus einer Hand anbieten.
Zunehmend funktioniert die Zusammenarbeit mit Kunden und Partnern nach denselben Gesetzmäßigkeiten wie in der Makro-Technik. Ein Trend, den Bartels in der ganzen Branche beobachtet, und der auch auf der MicroTechnology sichtbar wird: „Das Gezeigte wird von Jahr zu Jahr konkreter. Die Mikrotechnik ist normaler geworden, und das ist der eigentliche Fortschritt.“ Der Geschäftsführer des Dortmunder Mikrofluidik-Unternehmens muss es wissen, kennt er doch die Branche. Nebenbei ist er Vorstandsvorsitzender des Fachverbandes für Mikrotechnik IVAM. Der IVAM organisiert in Halle 15/Stand D36 einen 27 Aussteller umfassenden Gemeinschaftsstand und managt zugleich das MicroTechnology Forum „Innovations for Industry“ mit 50 Vorträgen von internationalen Experten.
Die Mikrotechnik wird erwachsen. Teils bilden sich Standardtechnologien heraus und vielseitig einsetzbare Komponenten kommen auf den Markt. Ein Beispiel ist der Piezoaktor. „Was der richtige Antrieb in der Mikrotechnik sei, hat man sich lange gefragt“, meint Bartels. „Aber ich glaube, dass der Piezo dieses Rennen gewonnen hat.“ Auch seine Mikropumpe treibt ein Piezo an: Der Biegewandler füllt und entleert eine Kammer zwischen zwei Ventilpaaren und erzeugt so 500 mbar Druck.
Piezos tauchen an allen Ecken und Enden auf, auch auf dem IVAM-Gemeinschaftsstand: Die Microdrop GmbH, Norderstedt, präsentiert ein Piezoventil, das Flüssigkeiten ab 8 nl auf 1 % genau dosieren soll. Die Elliptec Resonant Actuator AG in Dortmund hat ihren piezogetriebenen „Elliptecmotor“ inzwischen so weit optimiert, dass er zu einem Stückpreis unter 10 Euro zu haben ist. In Fotoapparaten beispielsweise bewegt der Mikromotor den Auto-Fokus und Zoom, in CD-Playern die Schublade.
Auf das hochgenaue Positionieren mit Piezos hat sich die Piezosystem Jena GmbH spezialisiert (Halle 14, Stand J49), beispielsweise zum Einstellen von Mikroskopen oder zum Ausrichten von Wafern in der Halbleiterfertigung. Zu ihrem Programm gehören XYZ-Positionierer mit bis zu 400 µm Stellweg und Auflösungen im Nano-Bereich. Seit das Unternehmen vor 15 Jahren gegründet wurde, wächst es stetig und beschäftigt heute 32 Mitarbeiter. „Die Schlüsseltechnologie für den Piezo ist der Laser“, stellt Vertriebsleiter Elmar Elbinger fest. „Hier hat er sich als Antrieb durchgesetzt. Aber inzwischen dringt er immer weiter vor.“ Nach jahrelanger Pause fahren die Jenaer wieder einmal nach Hannover, um zu testen, wie gefragt ihre Produkte sind und „ob sich ein offensives Marketing lohnt“. Vieles deutet darauf hin.
Auch in anderen Bereichen schreitet die Modularität voran. Zum Beispiel bei dem Mikro-Baukastensystem Backbone, den das Institut für Mikrotechnik Mainz (IMM) weiter entwickelt (Halle 13, Stand F52/2): Über genormte Schnittstellen lassen sich erstmals mikrostrukturierte Mischer, Wärmetauscher, Pumpen und Ventile unterschiedlicher Hersteller zu einer Mini-Chemieanlage kombinieren.
Modularer wird auch die Produktionstechnik, die immer mehr und bessere Verfahren bietet, um Mikroteile herzustellen und zu bearbeiten. Allein am IVAM-Stand wird der Besucher gleich mehrfach fündig: So hat das Fraunhofer ILT, Aachen, eine Laser-Wendelbohroptik entwickelt, um Präzisionsbohrungen mit bis zu 30 µm Durchmesser herzustellen. Damit der Laserstrahl einen idealen Kreisquerschnitt erzeugt, wird er gegenüber dem Bauteil in Rotation versetzt. Auch konische Bohrungen lassen sich auf diese Weise erzeugen. Das Fraunhofer IPT, Aachen, zeigt Maschinen, auf denen großflächige, dreidimensionale Mikrostrukturen gefertigt werden können. Beispiele sind Spiegel, TFT-Displays und Linsenarrays oder Spritzgussformen mit genarbter Oberfläche. Das Fraunhofer IFAM aus Bremen präsentiert das Mikro-Metallpulverspritzgießen (µ-MIM), bei dem mikrofluidische Bauteile mit bis zu 30 µm kleinen Kanälen entstehen. Der neueste Schrei ist das 2-komponentige Verfahren (2K-µ-MIM), bei dem zwei Metalle simultan verarbeitet werden.
Auch die Jenoptik Mikrotechnik GmbH stellt auf dem IVAM-Stand aus. Sie hat 70-nm-Strukturen in PMMA (Plexiglas) realisiert. „Damit ist bewiesen, dass wir Nano-Strukturen mit den Heißprägeverfahren abbilden können, die wir in Jena entwickelt haben“, sagt Johannes Fröhling, Leiter Marketing und Vertrieb.
Natürlich ist sie noch nicht vorbei, die Zeit der „Aahs“ und „Oohs“, der aufsehenerregenden Labor-Prototypen. Die Mikrotechnik beginnt erst, ihren Kosmos zu erschließen. Doch während die eine Mikro-Komponente schon reif ist, wird die andere erst gerade erfunden. Da berichtet zum Beispiel das Forschungszentrum Karlsruhe (FZK, Halle 14/15, Stand G52/E52) von „Muskeln aus Metall“, einem nanoporösen Material auf Basis von Platin: Es wandelt elektrische direkt in mechanische Energie um. Wird eine Spannung angelegt, dehnen sich diese so genannten Nanoschwämme reversibel aus. Einige Volt sollen genügen, um ihre Größe zu verändern und dabei beträchtliche Mengen an Energie umzuwandeln. Nanomuskeln könnten in naher Zukunft die Motoren in Miniatur-Bauteilen ablösen, heißt es beim FZK: etwa in mikroskopisch kleinen Ventilen und Schaltern, in Messgeräten, adaptiven Optiken oder als Muskeln für Mini-Roboter.
Eine Mikro-Komponente also, hergestellt mit Hilfe der Nanotechnologie, zu besichtigen in Hannover: Das erinnert daran, dass die MicroTechnology auch den Nano-Bereich einschließt mitsamt dem „SchauPlatz Nano“ (Halle 15, Stand E52, siehe Seite 92). Das FZK hat die Verbindung zwischen beiden Technologien sogar zum Programm erhoben, wie Dr. Irmgard Langbein sagt, Programmbevollmächtigte Nano- und Mikrosysteme: „Wir suchen die Synergien. Die Mikrotechnik wird beispielsweise in vielen Fällen das Gehäuse oder die Umgebung für funktionsgebende Nano-Schichten liefern: also Mikro mit Nano inside.“
Piezoaktor setzt sich als Mikro-Antrieb zunehmend durch
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