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Mit fünf Tagen Aufwand Schwächen entdecken

Benchmarking: Potenziale in der Produktion finden
Mit fünf Tagen Aufwand Schwächen entdecken

Für Mittelständler ist der Vergleich mit den Besten jetzt mit wenig Aufwand machbar. Ein Benchmarking-Tool zeigt bei Klein- und Mittelserienfertigung sowie großer Produktvielfalt Verbesserungpotenziale auf, wie das Beispiel der Hella KG zeigt. Der Zulieferer hat das Verfahren in seiner Sonderserienfertigung eingesetzt.

Dipl.-Ing. Gerrit Teunis und Dipl.-Ing. Wolfgang Rietz sind wissenschaftliche Mitarbeiter am Institut für Fertigungstechnik und Spanende Werkzeugmaschinen (IFW) der Universität Hannover; Dipl.-Ing. Karsten Müller ist Referent bei der Hella KG Hueck & Co. in Lippstadt

Ein EU-Projekt mit dem Namen „Betti“ (Benchmark tool to improve the production performance) macht Benchmarking für Mittelständler interessant. Es hilft Unternehmen mit Losgrößenfertigung, Verbesserungspotenziale in der Produktion zu erkennen. Es findet zudem Ansätze, wie Probleme beseitigt werden können. Insgesamt sind europaweit schon 100 kleine und mittlere Unternehmen (KMU) nach dem Verfahren untersucht worden, und so steht eine umfangreiche Datenbasis zum Vergleich zur Verfügung.
Das Tool, das in einem von der EU als „besonders wichtig“ eingestuften Projekt entwickelt wurde, ist für kleine und mittlere Unternehmen gedacht. Es richtet sich an Firmen, die über eine große Produktvielfalt verfügen und hohe Anforderungen an Qualität und Flexibilität stellen.
Gerade für so strukturierte Betriebe – meist Mittelständler – sind die für Großunternehmen entwickelten Verfahren zu aufwendig. Während herkömmliche Benchmarking-Projekte meist ganze Unternehmen miteinander vergleichen, führt das Mittelständler-Tool detaillierte Teilvergleiche für charakteristische Aspekte des Unternehmens durch. Ein Beispiel: Um die Liefertermintreue eines Unternehmens zu bewerten, werden andere Firmen mit ähnlicher Produktkomplexität und Fertigungstiefe berücksichtigt. So können verschiedenartige Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen miteinander verglichen werden. Ziel ist es, mit aussagekräftigen Kennzahlenvergleichen Best-Practice-Profile zu erstellen. Der Aufwand für die Firma beschränkt sich meist auf fünf Manntage. Das Benchmarking wird von zertifizierten Fachleuten durchgeführt, um europaweit eine einheitliche Vorgehensweise sicherzustellen.
Interviews und Fragebögen liefern die Grundlagen
Das Tool ist auch für einzelne Geschäftsbereiche von großen Unternehmen anwendbar, wie der Fall in der Ersatzteil- und Sonderserienfertigung der Hella KG in Lippstadt zeigt. Mit Fragebogen und Interviews sowie einer Besichtigung der Produktionsstätte wurden für den Automobilzulieferer die Stärken und Schwächen in der Produktion identifiziert.
Hella stellt Scheinwerfer und Leuchten für die Automobilindustrie her. Während bei der Erstausstattung Großserienfertigung herrscht, fertigt der Zulieferer in der Ersatzteil- und Sonderserienproduktion kleine und mittlere Lose. Die Besonderheiten der Kleinserien- und Einzelfertigung wurden beim Vergleich dieses Bereiches mit anderen Unternehmensteilen bislang kaum berücksichtigt. Deswegen war Dipl.-Ing. Karsten Müller, Referent der Produktbereichsleitung Scheinwerfer, auf der Suche nach einer Methode, um die Produktion seines Bereiches besser beurteilen zu können. Auf den Internetseiten des Instituts für Fertigungstechnik und Spanende Werkzeugmaschinen (IFW) an der Universität Hannover wurde er mit dem dort angebotenen Benchmarking fündig.
Das Verfahren „Betti“ legt Wert auf schnelle Ergebnisse. Bei einem ersten Besuch stellten die Fachleute das Projekt der Hella-Produktbereichsleitung vor und händigten einen Fragebogen über die verschiedenen Produktionsbereiche aus. Bei dem zweiten Besuch, drei Wochen später, wurden die verantwortlichen Mitarbeiter befragt, der Fragebogen vervollständigt und die Produktionsorganisation erfasst. Damit lagen alle nötigen Informationen vor. Die Fachleute vom IFW werteten anschließend die Daten aus und verglichen sie mit Referenzfirmen. Die Benchmarkergebnisse konnten schon nach insgesamt zwei Monaten der Geschäftsleitung präsentiert werden.
Für die Kleinserienfertigung im Werk 1 bei Hella ergab sich ein hohes Leistungsniveau sowohl im nationalen als auch im internationalen Vergleich. In den Bereichen Produktivität, Wertschöpfung und Termintreue zeichnete sich die untersuchte Geschäftseinheit durch gute und sehr gute Ergebnisse aus. Es zeigte sich, dass die Bestände im Warenausgangslager recht hoch waren. Eine unerwartet geringe Lagerumschlaghäufigkeit ließ sich durch die überwiegende Lagerfertigung erklären. Als wesentliches Verbesserungspotenzial erkannten die Fachleute zu hohe Durchlaufzeiten.
Motiviert durch dieses schnelle Ergebnis wurde bei Hella ein Projektteam mit der Aufgabe betraut, die Auftragsdurchlaufzeiten näher zu untersuchen. Das Team fand heraus, dass die Durchlaufzeiten maßgeblich durch den Planungs- und Steuerungsprozess sowie die Materialbedarfsplanung beeinflusst werden. Was folgte, war ein Konzept zur Reorganisation der Produktionssteuerung. Darüber hinaus wurde die Materialflusssteuerung in der Produktion auf ein Holprinzip nach Kanban umgestellt. Um eine schlanke Materialversorgung zu sichern, wurden schließlich die Zulieferer enger in die Logistikkette eingebunden. Durch diese Maßnahmen verspricht sich die Produktionsleitung eine signifikante Reduzierung der Auftragsdurchlaufzeiten. Folge: ein Abbau unnötiger Bestände bei gleichzeitig erhöhter Kundenzufriedenheit.
Bei „Betti“ werden Betriebe aus unterschiedlichen produzierenden Bereichen wie Maschinenbau, Fahrzeugbau, Werkzeugbau, Antriebstechnik und Elektrotechnik untersucht. Die über 100 Unternehmen innerhalb der Europäischen Union lieferten die Basis für die einzigartige Datenbank mit Informationen über die Produktionsleistung einzelner Unternehmen sowie deren Best Practices für weitere Benchmarkings.
In der Mehrzahl der untersuchten Betriebe führten die Benchmarking-Ergebnisse zu weiteren Verbesserungsmaßnahmen. So wurde beispielsweise bei einem Unternehmen die Auftragssteuerung in der Produktion überarbeitet. In einem anderen erfolgten aufgrund zu hoher Reklamationsquoten detaillierte Analysen, um die Qualitätssicherung zu verbessern. Um die Maßnahmen weiterzuführen, haben bereits einige der Unternehmen begonnen, das Benchmarking-Projekt zu wiederholen.
Das Institut für Fertigungstechnik und Spanende Werkzeugmaschinen (IFW) der Uni Hannover bietet allen produzierenden KMU mit Einzel- bis Mittelserienfertigung die Teilnahme an. Die Unternehmer können zudem einzelne Unternehmensbereiche untersuchen lassen, ein Vergleich verschiedener Standorte kann ebenfalls durchgeführt werden.
Benchmarking im WWW
Es gibt eine Vielzahl von Internetseiten, die sich auf verschiedene Weise mit Benchmarking befassen. Kommerzielle Seiten offerieren Literatur, Dienstleistungen oder Software, bieten aber in der Regel nur wenig Informationen über die Inhalte selbst. Eine Reihe nicht kommerzieller Internetseiten, die überwiegend durch Universitätsinstitute angeboten werden, enthalten Informationen zu den Benchmarking-Grundlagen und deren Anwendung.
Auf der deutschen „Betti“-Seite (http://betti.ifw.uni-hannover.de) gibt es neben umfangreichen Informationen über Benchmarking und die Methode auch die Möglichkeit, an einem kostenlosen Online-Benchmarking teilzunehmen. Für ausgewählte Kennzahlen können Firmen ihre eigenen Daten eingeben. Sie erhalten eine Vergleichsgrafik auf Grundlage der „Betti“-Datenbank, die Aufschlüsse über die eigene Leistungsfähigkeit gibt. Weitere wichtige Adressen:
Internationale Betti-Seite mit Link zur
Deutschen Seite und Online-Benchmarking
Informationszentrum Benchmarking
Projekte für KMU, Informationen und Links
Mayer & Mayer Marketing Consulting
Zielgruppe: IT- und Multimediafirmen
Export-Akademie Baden-Württemberg, sie vergibt den Internationalen Best Factory Award
Deutsches Benchmarking-Zentrum
Informationen und Kontakte für Mitglieder
www.avk.fhg.de/BMC/
Benchmarking Center Nürnberg
Kontaktbörse, Nürnberger Modell
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