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Mit Kopfarbeit Drehtechnik und Taktzeiten revolutioniert

Multifunktionales Fertigungszentrum VSC
Mit Kopfarbeit Drehtechnik und Taktzeiten revolutioniert

Es kommt nicht oft vor, dass eine Maschine ganze Fertigungsverfahren auf den Kopf stellt. Und wenn es passiert, dann muss es sich rechnen: Das Multifunktionszentrum VSC von Emag hat die Taktzeit für Futterteile radikal gekappt.

Von Chefreporter Wolfgang Filì

Bei Futterteilen zwischen 20 und 700 mm Durchmesser ist mit dem Fertigungszentrum VSC fast alles möglich,“ versichert Norbert Heßbrüggen: „Je nach Ausführung dreht die Maschine nicht nur, sondern sie fräst, bohrt, schleift, verzahnt und misst – und sie wuchtet auch aus.“ Weitere Fertigungsverfahren, setzt der Geschäftsführende Gesellschafter der Salacher Emag GmbH nach, dürften nach und nach hinzukommen. Jedenfalls bleibe man hier systematisch am Ball. Der Aufwand rechne sich für den Kunden wie für sein Unternehmen. „Wo immer auch eine VSC spant,“ versichert Heßbrüggen, „verdient der Anwender Geld damit.“ Weltweit sind mittlerweile an die 2500 Einheiten der Baureihe im Einsatz.
Selbstladende Motorspindel macht Peripherie überflüssig
Als Emag die Maschine im Mai 1992 erstmals auf der Düsseldorfer Messe Metav vorstellte, war dieser Erfolg keineswegs abzusehen. Vielmehr schwankte die Fachwelt zwischen Fassungslosigkeit und blankem Unverständnis: Als weltweit erste Serien-Drehmaschine arbeitete die VSC nicht mehr in der Horizontalen, sondern über Kopf. Die Motorspindel mit der Werkstückaufnahme war vertikal aufgehängt und verfuhr selbstständig in den Hauptachsen. Aber mehr noch: Im Pick-Up-Verfahren konnte sie rotationssymmetrische, flache Werkstücke selbständig aufnehmen, sie zur Bearbeitung ans stehende Zerspanungswerkzeug führen und nach der Bearbeitung blitzschnell wieder ablegen. Teure Peripherie und Beladeeinrichtungen – bislang der Hemmschuh fast jeder Automatisierung – wurden zumindest in der Bearbeitung von Futterteilen entbehrlich. Nicht nur das Drehen war auf den Kopf gestellt. Auch die klassische Beladetechnik stand zur Disposition und mit ihr der teure Stellplatz.
Maschinenzeichung lag falsch herum auf dem Tisch
Wie man auf solche Ideen kommt? „Not macht eben erfinderisch“, lacht der Emag-Chef. Gemeint sind vor allem die frühen 90er Jahre. Zwar erwähnt Heßbrüggen nicht einmal den Namen Ignacio Lopez, aber die knallharte Preispolitik des für General Motors und später für den Volkswagen-Konzern tätigen Chefeinkäufers dürfte ihren Anteil an Emag´s Nöten gehabt haben: „Seinerzeit hieß es, die Maschinen für die Futterteilbearbeitung seien rund ein Drittel zu teuer, ein Drittel zu groß und ausserdem zu wenig produktiv.“ In der Tat kamen für die Kunden aus der Automobilindustrie oft bis zu sechsstellige Beträge für die Postprozess-Messung soweit Beladeeinrichtungen hinzu. Hinnehmen mochte dies niemand mehr, vor allem nicht in abflauender Konjunktur. Das Preisgefüge der Werkzeugmaschinenbranche kam ins Rutschen und unter den Herstellern ergab sich eine radikale Auslese.
Also speckten die Emag-Ingenieure Frontdrehmaschinen wie ihre Type MSC gnadenlos ab, spielten neue Möglichkeiten durch, kamen wieder auf frühere Konzepte zurück, um diese dann erneut zu verwerfen. Der Geistesblitz ließ auf sich warten. „Irgendwann einmal”, erinnert sich Norbert Heßbrüggen, „lag dann eine dieser Maschinenzeichnungen falsch herum auf dem Tisch. Von uns aus gesehen stand sie auf dem Kopf. Wir haben uns angeschaut und nur gedacht: Das könnte doch eine Möglichkeit sein…”
Sie war es. Und plötzlich zogen selbst die üblichen Bedenkenträger mit. Innerhalb weniger Wochen entstand aus der Idee ein Konzept, und aus diesem in kaum drei Monaten der erste betriebsfähige Prototyp. Die Arbeitsproben überzeugten auch den letzten Skeptiker. Kaum ein flaches Drehteil, das auf der vertikalen Maschine nicht schneller durchlief. Die Bewegung war vom Werkzeug konsequent ins Werkstück verlegt. Das kappte die Taktzeiten.
Sicher – Senkrecht-Drehmaschinen mit untenliegender Planscheibe und querfahrendem Revolver oberhalb des Werkstücks hatten schon andere Hersteller gebaut. Aber erst die Motorspindel, das Pick-Up-Prinzip und ein geschickter Aufbau hatten den produktiven Kick gebracht. Heßbrüggen war klar, dass er seine erst zwei Jahre alte, horizontal aufgebaute MSC-Drehmaschinenreihe einstampfen konnte: „Die vertikale Maschine war halt ein richtiggehender Frontmaschinen-Killer.”
Von der Ausführung VSC 01/130, wie Emag sie 1992 auf der Metav vorgestellt hatte, wurden lediglich vier Exemplare ausgeliefert. Der Schweinfurter Vorzeigekunde Fichtel & Sachs setzte diese erste Generation zur Bearbeitung seiner Radnaben ein. Was folgte, war eine Verbreitung und Weiterentwicklung der Maschine in ungeheurem Tempo. Hatten die Salacher zunächst noch vorsichtig mit 50 Spindeln Absatz pro Jahr gerechnet, wurden knappe 200 Einheiten daraus. Und war in der ersten Zeit noch prinzipielle Überzeugungsarbeit beim Kunden nötig gewesen, wurde die Maschine schnell zum Selbstläufer. Vor allem bei Teilen wie der klassischen Bremsscheibe war die Überlegenheit der hängenden Spindel offensichtlich.
Im Gegenzug lagen die Bauteile der horizontalen MSC-Reihe wie Blei im Regal. Über sechs Jahre habe es gedauert, berichtet der Emag-Chef, bis man die endgültig letzte Einheit dieses Typs verkauft habe. Dabei sei die Maschine selbst seinerzeit durchaus modern und leistungsstark gewesen. Aber sie hatte nicht das Potential der VSC.
Dieses schöpften die Emag-Entwickler nun Schritt für Schritt aus. So kamen zu der anfänglichen Drehbearbeitung schnell das Bohren, Nuten- und Zirkularfräsen, das Messen und schließlich das Wuchten. Die Kundschaft – mittlerweile überzeugt vom Konzept der VSC – zog mit und bestellte fleißig. Man traute den Salachern Sachverstand auch jenseits des Drehens zu.
Erste Irritationen zeigten sich 1997, als die Maschine für das Wälzfräsen eingesetzt werden sollte. Die Zahnräderbranche ist eine Welt mit eigenen Regeln. „Wir mussten lernen“, resümiert Heßbrüggen, „dass man zwar gute und effiziente Maschinen bauen kann, dies aber wenig nützt, wenn der Kunde uns nicht die nötige Prozesskompetenz zuspricht.“ Emag suchte nach einem Partner, der in der Verzahnungstechnik zuhause war, im Markt Renommee und eine gesunde Position hatte. Der fand sich in der Kemptener Liebherr Verzahnungstechnik GmbH – eine Zusammenarbeit in Vertrieb und Entwicklung, die Emag bis dato nicht bereut.
Beim Schleifen war man schlauer: Die Salacher versuchten gar nicht erst, sich in dieser Branche per Alleingang zu etablieren, sondern setzten von Beginn an auf Kooperation. So gehören seit Ende 1997 der Neuhauser Schleifspezialist Karstens sowie seit 1999 die Reinecker Präzisions-Schleiftechnik zur Emag-Gruppe. Durch solchen Zuwachs an Know-How und Vertriebspower war man sehr schnell auch in der kombinierten Hartbearbeitung zuhause. So werden Teile bis auf ein Fertigmaß im Bereich von 0,001 mm hartgedreht und anschließend mittels Schleifwerkzeug auf den letzten Stand gebracht. Das passt.
Die Emag-Ingenieure können sich jedoch noch weitere Verfahren vorstellen, die eine Komplettbearbeitung sehr verschiedener Werkstücke möglich machten: etwa das Prägen, Markieren, Unrundddrehen, Härten, Rollieren sowie das Lasern. Prinzipiell ist alles drin bei der VSC. In welchem Timing solche Maschinen auf den Markt kommen ist allerdings offen. Auch hier dürften Partnerschaften und natürlich der Markt entscheidend.
Ein Ende der Ära VCS, so versichert Norbert Heßbrüggen, sei jedenfalls nicht in Sicht. Im Gegenteil: Er spricht dem Konzept Entwicklungspotenzial für weitere zehn Jahre zu. Die VSC ist als Ein- wie als Doppelspindler, als Blackbox innerhalb von Transferstraßen, als Stand-Alone-Lösung wie auch als fest verkettetes System zu haben. Den größten Zuwachs sieht er zur Zeit bei den Multifunktions- und Kombi-Maschinen. Sie machen heute ein knappes Drittel innerhalb der 335 Mio. DM Gesamtumsatz der Gruppe aus. Freilich haben die reinen Drehbearbeitungsmaschinen mit 44 % immer noch den größten Anteil. Zum Vergleich: 1992, beim Startschuß der Reihe VSC, hatte der Umsatz bei 67 Mio. DM gelegen.
Mit diesem Programm will die Gruppe auch in Zukunft um mehr als zweistellige Prozentzahlen jährlich wachsen. An insgesamt sechs Fertigungs- und Montage-Standorten in Deutschland, Frankreich, den USA sowie bei den Vertriebstöchtern sind knapp 1000 Menschen beschäftigt. Die Dachgesellschaft – die Emag GmbH – ist mit 52,5% mehrheitlich im Besitz des Managements. Weitere Anteile halten die Beteiligungsgesellschaft 3i Group plc, London, und als Co.-Investor die Hannover Finanz GmbH, Hannover. Damit dürften die Salacher von kurzfristigen Kapitalentscheidungen weit genug entfernt sein.
Bearbeitungsbeispiel Ausgleichsgehäuse
Ausgangslage: 9 Mehrspindel und 1 CNC-Drehmaschine, jeweils von Hand be- und entladen – 1 Bearbeitungszentrum – 1 Transferstrasse
Schwachstellen: – hoher Rüstungsaufwand – pesonalintensive Fertigung – große Puffer zwischen den einzelnen Arbeitsgängen
Planung: Ausgleichsgehäuse in 2 parallelen Linien mit je drei Aufspannungen drehen und bohren
Nebenforderung: – Aufwand für Be- und Entladung senken durch Maschinen mit Pick-Up-Spindel
Erwartete Ergebnisse
Weniger Aufwand für Rüstung, Minderung von Durchlaufzeiten und Werkzeugkosten, höhere Prozesssicherheit, Fließprinzip statt großer Puffer
Übersicht Zentren-Reihe VSC 200 bis VSC 630
Arbeitsbereiche/Einspindler
Futterdurchmesser 200 bis 630 mm
Umlaufdurchmesser 200 bis 680 mm
Werkstückdurchmesser 130 bis 550 mm
Verfahrwege in X 650 bis 1150 mm
Verfahrwege in Z 160 bis 500 mm
Hauptspindel
Kopf DIN 55026-A Größe 5 bis 11
Durchmesser Spindellager 80 bis 190 mm
Drehzahl (max.) 6500 bis 1750 min-1
Leistung (max.) 24 bis 113 kW
Drehmoment (max.) 153 bis 3600 Nm
Vorschübe
Eilgang in X 60 bis 30 m/min
Eilgang in Z 30 bis 20 m/min
Schubkraft X/Z 5,5 bis 18 kN
Nebenzeiten
Ladezeit (je nach Werkstück
und Art der Spannung) 2-4 bis 8-12 s
Werkstückfolge-Zeit (nach
VDI 2852, Blatt 2) 4-6 bis 16-19 s
Werkzeugmodule
Aufnahmen in
Emag-Scheibenrevolver 12 bis 8 davon angetriebene Tools 12 bis 8
Schaftdurchmesser 40 bis 60 mm
Maße und Massen
Stellflächen 3,9 bis 7,8 m2
Bauhöhen 2,5 bis 4,3 m
Maschinengewicht 6500 bis 24200 kg
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