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Mit makellosen Indianerfüßen auf der Erfolgsspur

Feinschneiden: Innovative Pressentechnik beschleunigt Teilefertigung
Mit makellosen Indianerfüßen auf der Erfolgsspur

Neuartige, mit Linearantrieb ausgestattete Feinschneidpressen von Schmid haben sich im industriellen Einsatz bewährt. Der Anwender Schiess kann nun Sicherheitsteile wesentlich wirtschaftlicher fertigen als bisher.

Jürgen Fürst ist Fachjournalist in Fellbach

Beim Herstellen von Blechteilen ab Coil liefert das Feinschneiden qualitativ hochwertige Ergebnisse, was glatte Schnittflächen angeht. Die Hubzahlen sind jedoch oft ein limitierender Faktor. Eine neue Generation von Feinschneidpressen der Heinrich Schmid AG, Jona/Schweiz, ermöglicht nun deutlich höhere Hubzahlen bei gleichzeitig besser kontrollierten Feinschneidvorgängen. Basis dieser Vorteile ist lineare Antriebstechnik. Die erste der Pressen lieferte Schmid Mitte 2004 an den Erfinder des Feinschneidens, die Fritz Schiess AG in Lichtensteig/Schweiz, eine weitere Anfang 2005. Schiess produziert damit Sicherheitsteile für einen Automobilzulieferer.
Beim Feinschneiden, auch Feinstanzen genannt, werden in einem Arbeitsgang gratfreie Werkstücke mit glatten, rechtwinkligen Schnittflächen hergestellt, die sich ohne zusätzliche Bearbeitung als Funktionsflächen einsetzen lassen. Durch den Einsatz hochpräziser Werkzeuge lassen sich heute komplexe Teile fertigen, deren Kanten nicht ausbrechen und deren Gefüge Bestand hat. Meist können die Teile direkt weiteren Arbeitsgängen zugeführt oder unmittelbar verbaut werden.
Vor allem im Automobilbau werden viele Teile benötigt, die Sicherheitsaufgaben erfüllen und daher hochpräzise und fehlerfrei sein müssen. Einer stärkeren Verbreitung des Feinschneidens stand bisher jedoch oft die begrenzte Hubzahl von 20 bis 40 min-1, je nach Blechdicke, entgegen. Wie das Beispiel Schiess zeigt, schaffen die neuen Feinschneidpressen von Schmid Abhilfe. Die erste davon, das 1600-kN-Modell HSR 160 X-Tra, ist seit Juni 2004 im Einsatz, im März 2005 kam eine 3200-kN-Presse des Typs HSR 320 X-Tra hinzu. „Die beiden neuen Maschinen ersetzen vier unserer alten Maschinen“, berichtet Geschäftsführer Fritz Schiess, „und das Arbeitsumfeld wurde deutlich aufgewertet.“ Die Pressen produzieren Teile für Sicherheitsgurte in Automobilen. Diese sorgen dafür, dass der Gurt im Ernstfall einrastet.
Die Sicherheitsteile sind etwa 30 mm lang und 20 mm breit und werden aus 3,5 bis 4 mm dickem Blech feingestanzt. Gleichzeitig wird durch Verschieben von Material noch ein Pin herausgebildet. Von dem Teil, das aussieht wie ein linker Fuß mit vier Zehen und daher auch Indianerfuß genannt wird, liefern die Schweizer zwischen 300 000 und 500 000 pro Woche und bis zu 15 Mio. Stück/Jahr an den weltgrößten Automobilzulieferer für Sicherheitstechnik. „An den vier kleinen Zacken hängt im Crash-Fall das Leben der Fahrzeuginsassen. Da kennt unser Kunde bei der Qualität keine Kompromisse und verlangt einen 0-PPM-Fehleranteil“, betont Schiess.
Die neuen Pressen laufen im Dreischicht- Betrieb mit – je nach Teil – zwischen 50 und 90 Hüben/min. „Damit übertreffen sie unsere kühnsten Erwartungen“, freut sich Kurt Koeppel. Für den Betriebsleiter der Schiess AG ist dies jedoch nicht der einzige Vorteil: „Einerseits können wir alle unsere alten Werkzeuge verwenden, andererseits aber genauso auch neue, größere Vier- und Sechsfach-Werkzeuge einsetzen und dadurch die Produktivität weiter steigern.“ Dank des automatischen Schnellwechselsystems gestalten sich die Werkzeugwechsel wesentlich bequemer als früher, und die Rüstzeiten konnten deutlich reduziert werden.
Mit der Feinschneidpressen-Generation X-Tra hat der Hersteller ein neuartiges lineares Antriebskonzept realisiert. So wird erstmals ein hydraulischer Stößelantrieb eingesetzt, der auf einem hydromechanischen Lageregelkreis basiert. Über ein Regelventil wird die durch den AC-Servomotor vorgegebene Stößelbewegung hydraulisch verstärkt. Über die mechanische Rückmeldung auf dieses Ventil entsteht ein geschlossener Regelkreis, der es ermöglicht, den Stößel mit sehr hoher Genauigkeit geregelt zu positionieren. Auf einen Festanschlag kann somit verzichtet werden. Der Servomotor gibt den Sollwert an der NC-Achse für das hydraulische Regelventil vor. Der Hydraulikzylinder führt diese Vorgaben exakt aus.
„Bei uns im Haus werden mit einem anderen Werkzeug konstant 90 Hübe pro Minute erreicht“, berichtet Philipp Kauth, Verkaufsleiter bei Schmid. Basis der hohen Hubzahlen und der exakt geregelten Geschwindigkeit ist die Lineartechnik. Der Hauptstößel fährt nun über den gesamten Schneidvorgang mit der vorgegebenen Geschwindigkeit. Bisher konnte es passieren, dass der Stößel „durchknallte“, nachdem er den Werkstoff teilweise durchschnitten hatte. Der neue Steuerregelkreis verhindert diesen Schnittschlag. Durch die kontrollierte Geschwindigkeit wird die Schmierfähigkeit des Schneidöls nicht mehr überbeansprucht. Dies reduziert den Verschleiß an den aktiven Werkzeugelementen deutlich.
Kurt Koeppel bestätigt die Aussagen des Lieferanten: „Durch die lineare Steuerung fahren wir jetzt mit immer gleicher Geschwindigkeit durch das Material. Früher war die Presse – abhängig vom Werkstoff – mal schneller, mal langsamer, und der Schnittschlag ließ sich oft nicht vermeiden.“ Jetzt werde die konkrete Hubzahl vorgegeben und die Kraft entsprechend den Anforderungen gesteuert. „Neben der Hubzahl haben sich auch die Standzeiten der Werkzeuge erhöht, und zwar fast um den Faktor zwei“, merkt Koeppel an. Damit habe Schmid einen lang gehegten Wunsch von Schiess und allen anderen Feinstanzspezialisten erfüllt.
Neu konzipiert ist auch der Pressenrahmen: Statt einer Schweißkonstruktion vertraut der Hersteller jetzt auf ein verschraubtes Viersäulenkonzept. Ein oberes und ein unteres Joch werden über vier massive Säulen verschraubt. Da lange Schrauben für eine stabile, hochbelastbare Verbindung sorgen, können die neuen Pressen ohne Grube und Fundament installiert werden – ein Wunsch, den viele Kunden an Schmid gerichtet hatten. „Diese Bauweise erhöht unsere Flexibilität in der Produktion“, freut sich Fritz Schiess. „Das Aufstellen der Maschine war schon recht einfach, doch wenn es der Produktionsablauf erfordert, würden sich die Pressen jetzt auch ohne allzu großen Aufwand umsetzen lassen.“
Zusammen mit der Zuführtechnik des Spezialisten Soprem Automation AG, Grenchen/Schweiz, „der sich sehr engagierte und mit einer Kurzbauweise eine ideale Lösung für die Coils realisierte, wurde das Arbeitsumfeld deutlich aufgewertet und von den Mitarbeitern sofort angenommen“, erwähnt Koeppel einen oft vernachlässigten Faktor. „Setzt man die theoretische Leistung in Relation zur effektiv erreichten Hubzahl über die gesamte Auftragszeit, erreichen wir heute auf den neuen Pressen selbst bei kleinen bis mittleren Serien eine sehr hohe Effizienz“, rechnet der Betriebsleiter vor.
Die Sicherheitsteile durchlaufen nach dem Feinstanzen noch eine Reihe weiterer Bearbeitungsschritte. So werden alle beschichtet und manche zuvor noch gehärtet. Zum Schluss durchläuft jedes Teil eine optische 100-%-Kontrolle, bei der die gehärteten Teile auch einer Gefügeprüfung unterzogen werden. So stellt die Schiess die Null-Fehler-Forderung seines Kunden sicher und ist derzeit auf dem Weg zum „bevorzugten Lieferanten“.
Industrieanzeiger
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