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Mittelständler entwickeln sich zum Global Player

Meßtechnik-Spezialist Wandel & Goltermann plant Fusion
Mittelständler entwickeln sich zum Global Player

Mittelständler entwickeln sich zum Global Player
Nach der Fusion mit Wavetek ist das mittelständische Unternehmen auf Rang zwei der Weltrangliste: (von links) Aufsichtsratsvorsitzender Albrecht Wandel, die Geschäftsführer Rolf Schmid, Karl-Heinz Eisemann und der Vorsitzende der Geschäftsführung, Peter Wagner. (Bild: WG)
Wer auf den Weltmärkten bestehen will, muß Bündnisse eingehen. Wie das Beispiel Wandel & Goltermann in Eningen bei Reutlingen zeigt, nehmen Mittelständler auf den Weltmärkten eine führende Rolle ein, wenn sie bei der Fusionswelle dabei sind.

Von unserem Redaktionsmitglied Tilman Vögele

Es war sicher keine leichte Entscheidung, aber nach 24 Jahren auf demselben Posten will ich jetzt mal etwas anderes machen“, sagt Albrecht Wandel, 54, der neue Aufsichtsratsvorsitzende der Wandel & Goltermann-Gruppe in Eningen bei Reutlingen. Der Mitinhaber und ehemalige Vorsitzende der Geschäftsführung hat sich aus dem operativen Business des Meßtechnik-Spezialisten zurückgezogen. Für Wandel rückt der 44jährige Peter Wagner – seit gut dreineinhalb Jahren in der Firma – auf den Chefsessel nach.
Jetzt haben die Strategen die vielleicht wichtigste Weichenstellung für das traditionsreiche Familienunternehmen vollzogen, das in diesem Jahr sein 75jähriges Bestehen feiert. Die Wandel & Goltermann Management Holding GmbH wird mit der US-amerikanischen Wavetek Corporation in San Diego fusionieren. In den nächsten Monaten sollen alle Verträge unter Dach und Fach sein. Das neue Unternehmen wird die Nummer zwei auf dem Weltmarkt. Wandel erwartet in diesem Jahr einen gemeinsamen Umsatz von knapp 800 Millionen Mark. Elf selbständige operative Einheiten mit über 2400 Mitarbeitern sind dann in 89 Ländern präsent.
„Wenn man auf den Weltmärkten dabei sein will, geht das nicht anders“, erläutert der Unternehmens-Chef die Entscheidung. Denn die Konzentration auf dem Meßtechnik-Markt ist bereits sehr weit gediehen. Nach der Fusion vereinen die Anbieter auf den ersten drei Plätzen schätzungsweise 50 Prozent des Weltumsatzes. Die Top Ten verbuchen laut Albrecht Wandel einen Anteil von rund 70 Prozent. Der Wettbewerb in der Branche ist hart. Es gibt Hunderte von Anbietern, die sich mit pfiffigen Einzellösungen in Nischen etabliert haben und den Großen in Einzelbereichen das Leben schwer machen. Der neue Chef Peter Wagner kommentiert: „Das macht das Geschäft sehr spannend.“
So optimistisch sich die beiden Unternehmenslenker heute geben, so düster sah es in der Traditionsfirma vor einigen Jahren aus. Nachdem Anfang der 90er der Markt für die Analog-Meßtechnik an Bedeutung verloren hatte, kriselte es auch bei dem Eninger Hersteller. Im Geschäftsjahr 1994/95 wies Wandel & Goltermann einen Verlust von mehr als 20 Millionen Mark aus, eine Folge von hohen Restrukturierungs-Aufwendungen. Wagner ist sicher, daß jetzt der Turnaround geschafft ist: Im letzten Geschäftsjahr schrieben die Schwaben im zweiten Jahr in Folge schwarze Zahlen und verbuchten ein sattes Plus mit einem Ergebnis vor Steuern von 25 Millionen Mark.
Im Rahmen der Restrukturierung hat sich einiges verändert: Waren im Jahr 1992 noch 1800 Mitarbeiter im Stammhaus beschäftigt, sind dort heute noch 650 in Lohn und Brot. Das Management entrümpelte damals die Produktlinie und gründete Randbereiche in neue Gesellschaften aus. Wichtigster Punkt war die neue Strategie: Der Hersteller verlagerte die Wertschöpfung weg von der Fertigung von Hardware hin zu Software und Dienstleistungen sowie einer geringeren Fertigungstiefe.
In dem verschlankten Stammhaus steuert heute ein kleines Team in der Management-Holding die Geschicke der Unternehmensgruppe. Das Unternehmen hat bereits seit vielen Jahren die Organisation bewußt dezentral organisiert: Fünf selbständige Einheiten, genannt Divisions, mit Forschung, Entwicklung und Produktion in Deutschland, USA, Frankreich, der Schweiz und Großbritannien beschäftigen zusammen 1700 Mitarbeiter. Das Produktportfolio haben die Eninger durch Akquisitionen ausgebaut. Im letzten Jahr ist Wandel & Goltermann beispielsweise mit Joint Ventures in den Meßtechnik-Bereich der Alcatel Schweiz eingestiegen und hat die Tinwald Networking Technologies Inc. in Ontario übernommen, ein Unternehmen auf dem Gebiet der Datennetzanalyse.
Durch den Zusammenschluß mit Wavetek soll das Angebot des Unternehmens vervollständigt werden. „Die Hauptkunden verlagern heute keine Teillösungen in einzelnen Sparten, sie wollen ein Komplettprogramm aus einer Hand“, erläutert Geschäftsführer Wagner. Wavetek gilt als Spezialist auf dem Gebiet der Meßtechnik für Kabelfernsehen und für die Luftschnittstelle im Mobilfunk-Bereich. Dies sind Felder, in denen Wandel & Goltermann mit seinen traditionellen Schwerpunkten bislang nicht aktiv ist. Darüber hinaus ergänzen sich die Distributionswege der neuen Partner. „Wir haben ein sehr ausgeklügeltes Vertriebsnetz, einen starken Direktvertrieb“, erklärt Wagner. Im Gegensatz dazu haben die US-amerikanischen Partner einen Schwerpunkt in der indirekten Distribution. Der Verbund wird also Groß- und Kleinkunden gleichermaßen flächendeckend bedienen können. Daß man sich für eine Fusion entschieden hat und es nicht wie so viele andere bei einem Kooperationsabkommen beläßt, ist für den Aufsichtsratsvorsitzenden entscheidend, um langfristig als Global Player mitmischen zu können. Zum einen klammere man bei einer Allianz einen Teil des Marktes aus, um sich gegenseitig nicht ins Gehege zu kommen. Zum anderen besteht bei der Kooperation stets die Gefahr, daß die Zusammenarbeit eines Tages aufgekündigt wird. Wandel: „Dann steht der eine ohne das richtige Produkt da, der andere ohne Vertrieb.“
Ganz problemlos wird die Fusion nicht, räumen die Manager ein. Ein Produktbereich bei beiden Herstellern – die optische Meßtechnik für Glasfaserkabel – überschneidet sich, wenngleich es sich dort lediglich um ein geringes Umsatzvolumen handele. Darüber hinaus sei noch nicht geklärt, wie das neue Unternehmen firmieren soll. Beide Markennamen und Logos sind über Jahre aufgebaut und etabliert. „Die können wir nicht einfach aufgeben“, sagt Albrecht Wandel. Fest steht: Die neue Firma wird in den USA eingetragen und dort die Konzernbilanz aufstellen. Die Divisions und sämtliche industriellen Standorte sollen erhalten bleiben. Der Hauptsitz der Management-Holding für strategische Entscheidungen wird nach wie vor in Eningen sein.
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