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Mutige Chefs und clevere Finanziers machen Träume wahr

Finanzierung: Öffentliche Finanzierungshilfen ermöglichen Unternehmensnachfolge
Mutige Chefs und clevere Finanziers machen Träume wahr

Nachfolgeregelungen scheitern häufig am fehlenden Eigenkapital der Entrepreneure. Ein Unternehmer kann dennoch die Übernahme bewerkstelligen, wenn er Finanzierungshilfen der Förderinstitute von Bund und Ländern nutzt.

Von unserem Redaktionsmitglied Tilman Vögele-Ebering tilman.voegele@konradin.de

„Uns war eigentlich von Anfang an klar, dass wir mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln eine Transaktion dieser Größe nicht bewältigen können“, sagt Dr. Michael Jauss. Heute ist er dennoch Geschäftsführender Gesellschafter des Automobilzulieferers KWO Kunststoffteile GmbH. Er hat im vergangenen Jahr das Unternehmen in Offenau bei Heilbronn mit rund 120 Mitarbeitern gemeinsam mit seinem Geschäftspartner übernommen.
Die drei Gründer und Alteigentümer wollten sich altershalber zurückziehen und waren auf der Suche nach Nachfolgern. „Die Übernahme war ein langer Prozess“, erinnert sich der Unternehmer an die Anstrengung, mit Finanziers und Förderbanken eine pfiffige Finanzierung auf die Beine zu stellen. Der Kraftakt habe sich aber gelohnt; die Geschäfte laufen, sagt Michael Jauss: „Denn die Möglichkeit, ein solches Unternehmen zu übernehmen, gibt es selten.“
Jauss ist als Jungunternehmer eher die Ausnahme als die Regel: Management-buy-out und -buy-in oder der Verkauf bestehender Unternehmen in der Größenordnung der KWO, sind in absoluten Zahlen betrachtet, selten. Die meisten Menschen, die sich selbstständig machen, sind Gründer: Tüftler und Macher mit einer Garage oder einem Kellerbüro, ausgestattet mit einer Geschäftsidee, die oft aus der Not heraus geboren ist. Nach den Zahlen des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) in Bonn gab es 2004 über eine halbe Million Existenzgründungen.
Diese Statistik täuscht über deren tatsächliche Bedeutung hinweg, wie Prof. Dr. Uschi Backes-Gellner, Vorstand des Instituts für Mittelstandsforschung in(IfM) in Bonn, zu bedenken gibt. Sie sagt: „Die für die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland so wichtigen innovativen Gründungen können dem positiven Gründungstrend nicht folgen.“ In Zahlen ausgedrückt: Neun von zehn neuen Unternehmen sind Kleinstgründungen mit geringem Wachstumspotenzial und einer hohen Wahrscheinlichkeit des Scheiterns.
Umso wichtiger sei es, die Nachfolgeregelungen in bestehenden Firmen zu unterstützen, raten Experten. Für Jungunternehmer wie Jauss haben Bund und Länder einen umfangreichen Katalog an Finanzierungshilfen bereitgestellt. Dieser soll helfen, die wertvollen Arbeitsplätze im industriellen Mittelstand und in Technologieunternehmen zu erhalten, wenn der Generationswechsel ansteht.
Für Übernahmen und Unternehmenswachstum etablieren sich in Deutschland langsam, aber sicher früher wenig bekannte Finanzierungsinstrumente: Ein Zauberwort heißt Mezzanine-Kapital. Das sind eigenkapitalähnliche Mittel, die – meist im Kleid einer Stillen Beteiligung – dem Eigenkapital zugeschlagen werden. Der Kapitalgeber erhält einen vereinbarten Zinssatz, hat aber weniger Mitspracherechte als ein veritabler Teilhaber.
Nach einer Anlaufphase nimmt der Mittelstand diese innovativen Finanzierungsformen an, wie sie von der KfW Mittelstandsbank und den Förderinstituten der Länder angeboten werden. In jüngster Zeit finden Beteiligungs- und Mezzanine-Finanzierungen zunehmend Berücksichtigung beim Mittelstand, stellt der aktuelle Mittelstandsmonitor 2006 fest, die gemeinsame Unternehmerumfrage von KfW, Creditreform, IfM und anderen führenden Wirtschaftsforschungsinstituten.
Mit Förderkrediten und Beteiligungskapital eine Finanzierung auf die Beine zu stellen, erweist sich in der Praxis oft als eine komplizierte Angelegenheit, wie Unternehmer Dr. Jauss erfahren musste. Von dem Bekanntwerden des Verkaufs der KWO bis zum Vertragsabschluss vergingen gut elf Monate.
Zu Beginn stand ein langer Überzeugungsprozess. „Die Banken verlangen die entsprechende Qualifikation des Managements, Branchenerfahrung und ein stimmiges Konzept“, zählt Jauss auf. Er konnte als promovierter Kunststoff-Ingenieur neben seinem fachlichen Wissen auf Erfahrungen in der Unternehmensberatung Boston Consulting zurückgreifen, wo auch sein Partner tätig war.
Mit diesem beruflichen Rüstzeug ausgestattet, machten sie sich mit dem Business-Plan unter dem Arm auf die Suche nach Finanzierungspartnern. Fehler blieben nicht aus. „Wir haben es damals versäumt, einen Konsortialführer zu bestimmen, der die Koordination übernimmt“, erinnert sich der Unternehmer. „So hatten wir sehr viele Gesprächsrunden mit sehr ähnlichen Themen“, berichtet er weiter, „diesen Aufwand hatten wir unterschätzt.“
Jetzt ist er sehr zufrieden mit einer – wie er selbst sagt – „sehr intelligenten Finanzierungsstruktur“:
  • Eigenkapital: Eigene Mittel und Geld aus dem Förderprogramm „Unternehmerkapital“ der KfW, beantragt über die Hausbank, bilden das Eigenkapital. Beim so genannten Unternehmerkapital handelt es sich um ein langfristiges, in den ersten Jahren tilgungsfreies Nachrangdarlehen.
  • Mezzanine-Kapital: Eigenkapitalähnliche Mittel durch eine Stille Beteiligung durch das landeseigene Förderinstitut Mittelständische Beteiligungsgesellschaft (MBG) Baden-Württemberg. Außerdem Kapital in Form einer Stillen Beteiligung durch die Sparkassenbeteiligungsgesellschaft, wobei diese sich auf eine Risikopartnerschaft stützt, sprich eine Garantie der L-Bank, der Staatsbank für Baden-Württemberg.
  • Fremdkapital in Form eines Hausbankdarlehens der Sparkasse mit einer Bürgschaft der L-Bank sowie eines Förderdarlehens der L-Bank.
Aufgrund der Unternehmensgröße und -struktur der KWO kam laut Jauss das Engagement einer Venture-Capital-Gesellschaft nicht in Betracht. Diese Investoren stellen Beteiligungskapital zur Verfügung, haben aber immer den so genannten Exit im Blick. Sie wollen ihre Beteiligung nach wenigen Jahren durch Börsengang oder Verkauf wieder versilbern.
Zu klären sind in jedem Fall die Mitspracherechte externer Kapitalgeber. Gerade Mittelständler fürchten häufig einen Verlust an Selbstständigkeit. „Die Finanzierungsstruktur in Deutschland ist sehr von Krediten geprägt“, erläutert Dr. Manfred Schmitz, Vorstandsmitglied bei der L-Bank. „Viele Unternehmer befürchten, dass sich der Beteiligungsgeber in das Tagesgeschäft einmischt“, sagt er und ergänzt: „Sie sehen zwar die konditionellen Nachteile, aber nicht den Mehrwert von Beteiligungskapital durch Verbesserung der Eigenkapitalquote.“ Denn Eigenkapital ist zwar teurer als Fremdkapital, eine höhere Eigenkapitalquote erleichtert aber über den Umweg des besseren Ratings den Zugang zu Fremdkapital.
Für Firmenchef Michael Jauss sind die Mitspracherechte seiner Finanziers unkompliziert. Die Geldgeber haben seinen Angaben zufolge Informationsrechte, in deren Rahmen sie vierteljährliche Berichte erhalten. „Wenn der Businessplan stimmig ist, ist das kein Problem“, sagt er. Nur wenn größere Investitionen anfallen, die dadurch nicht abgedeckt sind, würde ein Gespräch mit den Kreditinstituten fällig.
Jauss hat zudem die Erfahrung gemacht, dass für eine erfolgreiche Übernahme mehr als ein gutes Finanzierungskonzept nötig ist. Viel Sorgfalt sei bei der Auswahl der Berater – Wirtschaftsprüfer und Anwalt – nötig, ohne die es nicht geht. Bei der Verhandlung mit den Alteigentümern müssen Käufer konsequent vorgehen. Bei den meisten Firmenverkäufen haben diese zu hohe Kaufpreisvorstellungen.
Und zuletzt muss der Unternehmer selbst bereit sein, ein Risiko einzugehen. „Banken sind vom Grundsatz her eher risikoscheu“, erläutert Geschäftsführer Jauss, „mein Partner und ich sind hundertprozentig ins persönliche Risiko gegangen, mit allem, was wir uns jemals erarbeitet haben“. Seine Beobachtung: „Ich kenne nicht viele, die dazu bereit sind.“
Innovative Finanzierungsformen setzen sich durch
Viele Mittelständler fürchten die Mitspracherechte

Wichtige Finanzhilfen
Das Programm „Unternehmerkapital“ der KfW verfügt über drei Bausteine:
1) ERP-Kapital für Gründung
Eigenkapitalähnliche Mittel in Form von Nachrangdarlehen für Gründer und Nachfolger sowie junge Unternehmen bis zwei Jahre nach der Geschäftsaufnahme oder Übernahme
2) ERP-Kapital für Wachstum
Langfristige Nachrangfinanzierungen mit Eigenkapitalfunktion für KMU und Freiberufler.
3) Kapital für Arbeit und Investitionen: Langfristige Nachrangfinanzierungen mit Eigenkapitalfunktion für etablierte Unternehmen.
Außerdem:
KfW-Programm Startgeld
Darlehen für Nachfolger und Neugründer sowie der Freien Berufe, Finanzierungsbedarf bis 50 000 Euro.
Bürgschaften
Bürgschaften der Bürgschaftsbanken ersetzen fehlende Sicherheiten. (Bürgschaftsbanken sind regionale Selbsthilfeeinrichtungen der Wirtschaft.)
Mehr Infos und Adressen:
www.voeb.de (Bundesverband Öffentlicher Banken)
www.nexxt.org (BMWi-Initiative)

„Am wichtigsten ist die Kompetenz des Unternehmers“

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nachgefragt

Dr. Manfred Schmitz, Mitglied des Vorstands der L-Bank, Staatsbank für Baden-Württemberg, äußert sich zur Rolle des Finanziers.
Was muss ein Unternehmer mitbringen, um Förderdarlehen, Bürgschaften oder Beteiligungskapital der L-Bank bewilligt zu bekommen?
Die Erwartungen der L-Bank decken sich mit denen anderer Finanzierungspartner. Am wichtigsten sind die Kompetenz des Unternehmers, die Marktfähigkeit seiner Produkte und ein überzeugendes Konzept seines Vorhabens.
Welche häufigen Gründe führen zum Scheitern solcher strukturierter Finanzierungen?
Bei Nachfolgen besteht ein Interessenkonflikt zwischen dem Übergeber, der bei seinen Preisvorstellungen auch an seine Altersversorgung denken muss, und der finanziellen Belastbarkeit des Übernehmers. Das heißt, nur wenn sich die Vertragsparteien auf einen für beide Seiten angemessenen Kaufpreis einigen, der durch die Ertragskraft des Unternehmens finanzierbar ist, gelingt das Vorhaben.
Was raten Sie Unternehmern, wenn sie Fördermittel beantragen?
Jeder Finanzierungspartner legt Wert darauf, frühzeitig in die Gestaltung des Übernahmeprozesses eingebunden zu sein. Auf diese Weise können die Zahlungsmodalitäten so gestaltet werden, dass die Belastungen und Risiken der Finanzierung tragbar bleiben. Mein Tipp: Binden Sie frühzeitig Ihre Hausbank ein, so dass der richtige Finanzierungsmix gefunden werden kann. Die Antragstellung bei der Förderbank ist einfach und wird schnell bearbeitet.
Auf welche Mitspracherechte des Finanziers muss sich der Unternehmer einstellen?
Das ist abhängig von der Intensität der Finanzierungspartnerschaft. Ein Kreditgeber, der ein kalkulierbares Kreditrisiko eingeht, fordert weniger Kontrolle und Mitsprache als ein Mitgesellschafter, der auch in vollem Umfang unternehmerische Risiken trägt. tv
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