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Nanotechnologie – Aufstand der Zwerge

Spielwiese für Forscher entwickelt sich zum umkämpften Markt
Nanotechnologie – Aufstand der Zwerge

Innerhalb eines knappen Jahrzehnts hat sich die Nanotechnologie vom universitären Forschungsgebiet zu einer Schlüsseltechnologie entwickelt, die ein jährliches Weltmarktvolumen im dreistelligen Milliardenbereich umfasst.

genieure in Düsseldorf zentrum des Vereins Deutscher In- Technologieberater im Technologie- dem Gebiet der Nanotechnologie als fünf Jahren eigener Forschung auf

Den Namen verdankt die Nanotechnologie dem griechischen Wort „nanos“, der Zwerg. Sie beschäftigt sich mit Dingen, die in mindestens einer Raumrichtung nur wenige Nanometer (nm) groß sind. Auch die Abmessungen von Molekülen bewegen sich in diesem Bereich.
Ein Nanometer passt ebenso oft in einen Zentimeter wie ein Zentimeter in eine Strecke von 100 km: Wäre eine Straße nur 100 nm breit, so würde die gesamte Bundesrepublik Deutschland auf einem Fingernagel Platz finden. Im Nano- meterbereich versagt oftmals die klassische Physik und die teils verblüffenden Ef-
fekte der Quantenmechanik treten zu Tage. Hiervon rühren die vielen Phänomene her, die sich die Nanotechnologie zu Nutze macht, um verbesserte und teilweise völlig neue Produkte und Anwendungen zu realisieren.
Mit ihrem allgemeinen Ansatz hat die Nanotechnologie Auswirkungen auf fast alle wissenschaftlichen und technischen Disziplinen, angefangen von Physik und Chemie über Biologie, Pharmazie und Medizin bis hin zu Maschinenbau und Elektrotechnik. Schon heute beeinflusst sie unser tägliches Leben an den unterschiedlichsten Stellen, ohne dass wir es merken.
Eingeläutet haben die Nano-Ära die beiden IBM-Forscher Gerd Binnig und Heinrich Rohrer mit ihrer Erfindung des Rastertunnelmikroskopes, für die sie 1986 den Nobelpreis für Physik erhielten. Die neue Messmethode erregte vor allem deswegen Aufsehen, weil sie Oberflächenstrukturen mit atomarer Auflösung sichtbar machen kann. Das kompakte und auch preiswerte Rastertunnelmikroskop (RTM) verbreitete sich innerhalb kurzer Zeit in der Grundlagenforschung. Mittlerweile sind RTM und die damit eng verwandten Rasterkraftmikroskope unverzichtbare Analysegeräte in vielen High-Tech-Bereichen geworden. Fast alle Hersteller von Festplatten und hochintegrierten Chips setzen sie zur Qualitätssicherung ein. Dies ist ein typisches Beispiel dafür, dass die Nanotechnologie wenig Produkte hervorbringt, die als rein „nanotechnologisch“ gelten können. Vielmehr liefert sie unverzichtbare Schlüsselkomponenten für zahlreiche Anwendungen.
Schon bald erkannte die Wissenschaft, dass sich das RTM als bildgebendes Instrument auch zum Manipulieren von einzelnen Atomen eignet. Damit wurde die Materialbearbeitung mit atomarer Präzision möglich. Die ersten Gehversuche zeigt ein Bild des Schriftzuges „IBM“, der aus einzelnen Xenon-Atomen besteht und in den Forschungslabors von IBM angefertigt wurde. Mit Hilfe dieser Technik versuchen Wissenschaftler heute, komplexe Moleküle an beliebig wählbaren Stellen gezielt zu unterteilen. Es eröffnet sich die Chance, eine Art „mechanische Chemie“ zu betreiben.
In einer anderen Applikation, die sich allerdings noch im Stadium der Grundlagenforschung befindet, werden die elastischen Eigenschaften komplexer Moleküle untersucht. Sie lassen Rückschlüsse auf die chemischen Bindungsverhältnisse im Molekül zu. Diese Untersuchungen werden in Zukunft enorme Bedeutung für die Biologie und Medizin haben. Denn die DNA-Sequenzierung für das menschliche Erbgut sagt noch nichts über den dreidimensionalen Aufbau der DNA aus. Die biologisch relevanten Eigenschaften der DNA beruhen aber zu einem großen Teil auf diesem Aufbau und der Möglichkeit des Kettenmoleküls, sich zu strecken und wieder einzufalten.
Ein weiterer Nobelpreis, der im Zusammenhang mit der Nanotechnologie steht, wurde 1996 dem Chemiker Richrad E. Smalley für die Entdeckung der Fullerene verliehen. Fullerene sind nanoskalige, kugelförmige, hohle Kohlenstoffpartikel, die aus nur wenigen Atomen bestehen. Im englisch-sprachigen Raum werden sie auch als bucky balls bezeichnet, weil die Anordnung der Atome an einen Fußball erinnert. Solche Fullerene sind in sehr geringem Anteil im Ruß jeder Kerzenflamme enthalten und lassen sich heute mit guter Ausbeute herstellen. Sie können Adsorbate in großen Mengen reversibel an sich binden. Darüber hinaus lassen sie sich als Wirtsmaterial eingesetzen, um chemisch, biologisch oder medizinisch aktive Materialien gezielt und unbeschadet an einen gewünschten Wirkort zu schleusen.
Kohlenstoff-Nanoröhren sind den bucky balls im Aufbau sehr ähnlich und werden zurzeit intensiv erforscht. Besonderes Interesse gilt ihnen wegen der gegenüber den bucky balls noch gesteigerten Fähigkeit, Wasserstoff reversibel zu adsorbieren. Als leichtgewichtige, hocheffektive und zudem ungefährliche Wasserstoff-Tanks könnten sie zur Schlüsselkomponente einer zukünftigen Automobilgeneration werden. Wasserstoff-Brennstoffzellen sind bereits so weit entwickelt, dass Daimler-Chrysler im Frühling dieses Jahres ein durchaus leistungsfähiges, mit Wasserstoff betriebenes Fahrzeug vorstellen konnte. Das auf der A-Klasse aufbauende „Necar“ (New Electric Car) bietet Platz für fünf Personen mit Gepäck. Es erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 145 km/h und hat eine Reichweite von bis zu 450 km.
Das Institut für Neue Materialien in Saarbrücken hat neuartige Brandschutz-Scheiben mit sehr guten Isoliereigenschaften und hoher Befeuerungs-Standzeit bereits zur Serienreife entwickelt. Die Schlüsselkomponente ist eine Alkali-Silikat-Gel-Füllung, in der 5 nm große SiO2-Nanopartikel angereichert sind. Gegenüber üblichem Wasserglas weisen die Scheiben einen drastisch reduzierten Alkali-Gehalt und eine weit erhöhte Schmelztemperatur auf.
Auch auf dem Konsumgütermarkt existieren zahlreiche Produkte, die von der Nanotechnologie stark beeinflusst sind. Hier nur einige Beispiele: Der Empfänger jeder Satellitenantenne enthält GaAs-Schichtsysteme in der Dicke weniger Nanometer. Hochwertige Werkzeuge werden mit nanometerdünnen Verschleißschutzschichten überzogen. Als kratzfeste Schichten auf Brillen- und Uhrgläsern begegnen sie uns im Alltag. Auch die magnetischen Schichten von Festplatten und Schreib-Leseköpfen sind nanotechnologische Produkte. Viele Limonaden verdanken ihre Farben nanoskaligem Beta-Karotin. Allein durch Verändern der Partikelgröße lassen sie sich von Gelb über Orange und Rosa bis hin zu Grün variieren. Einige Shampoos enthalten nanoskalige Polymere, die nach dem Waschen auf den Haaren verbleiben und ihnen einen seidigen Glanz verleihen. Sie glätten die Haare, so dass sie besser gekämmt werden können. Mehrere deutsche Badkeramik-Hersteller bieten Waschbecken an, in deren Glasur bestimmte nanoskalige Substanzen zusätzlich eingebrannt sind. Zu einem Aufpreis von etwa 100 Mark sorgen sie für eine Schmutz abweisende Oberfläche, die mit einem feuchten Tuch mühelos von Verunreinigungen und Kalkflecken befreit werden kann. Auch Schmutz abweisende Fassadenfarben befinden sich bereits im Handel.
Das Potenzial der Nanotechnologie lässt sich in seiner Gesamtheit noch nicht überschauen. Sicher ist jedoch, dass sich die Mikroelektronik sukzessiv zur Nanoelektronik wandeln und dabei tausendfach leistungsfähigere und kleinere Produkte hervorbringen wird. In einigen Jahren nehmen Speichermedien im Scheckkartenformat den Inhalt ganzer Bibliotheken auf. Computer und Kommunikationsgeräte werden sich wie Wäsche tragen lassen. Die heute in Armbanduhren integrierten Handys mit Internetdiensten sind nur ein aller-erster Anfang in diese Richtung. Die Medizin wird mit Hilfe der Nanotechnologie die DNA manipulieren können und biologisch besser verträgliche Implantatmaterialien hervorbringen. Auch der Krebstherapie wird die Nanotechnologie wichtige Impulse geben: Eisen-Nanopartikel können bereits heute so modifiziert werden, dass sie spezifisch von Tumorgewebe aufgenommen werden. Ein anschließend angelegtes Wechselmagnetfeld zerstört den Tumor thermisch. Auch hier spielt die winzige Größe der Partikel eine entscheidende Rolle. Sie müssen so klein sein, dass sie problemlos die Blutgefäße durchströmen können und sich gleichmäßig im gesamten erkrankten Gewebe verteilen. Nur so ist sichergestellt, dass das an-gelegte Magnetfeld wirklich jede betroffene Zelle erfasst und zerstört. Erste erfolgreich verlaufene Tierversuche geben Grund zur Hoffnung.
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