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Neue Konzepte fordern Marktneulinge heraus

Teil 2: Matrix-Distribution heißt die Zauberformel
Neue Konzepte fordern Marktneulinge heraus

Neue Konzepte fordern Marktneulinge heraus
Der Industrieanzeiger-Autor Hans Andreas Fein ist selbständiger Marketing- und Strategieberater in Stuttgart. Er berät speziell deutsche und amerikanische Unternehmen der Investitionsgüter-Branche.
Manufacturer’s Representatives, Stocking Distributors, Catalog Houses – die Vielfalt der Vertriebswege und die riesigen Ballungsräume in den USA machen den Weg für Newcomer nicht leicht. Wie findet ein Newcomer beim Markteinstieg den richtigen Vertriebsweg in den US-Markt?

Wir suchen für unsere Geräte einen guten Händler an der Ostküste der USA. Mit wem arbeiten Sie denn dort?“, fragte der deutsche Verkaufsleiter seinen amerikanischen Kollegen. „Für die gesamte Ostküste? Wir haben allein in Chicago 17 größere Händler, die wir über vier sogenannte Reps betreuen …“ Diese Anwort seines amerikanischen Kollegen machte ihn fürs erste sprachlos. Und damit wurde ihm auch klar, dass der traditionelle europäische Ansatz – mit möglichst einem Vertreter pro Land – für den US-Markt offenbar nicht geeignet. Zu unterschiedlich sind die Marktstrukturen, zu groß sind auch die Entfernungen auf dem nordamerikanischen Kontinent.

Um diesen riesigen Markt wirklich flächendeckend und intensiv zu bearbeiten, sind in der Regel eben mehrere Vertreter und meist eine Kombination von unterschiedlichen Vertriebskanälen erforderlich. Wer nach europäischem Muster vorgeht und vorschnell einen Vertretungsvertrag, womöglich noch exklusive, abschließt, verbaut sich selbst den Marktzugang für die Zukunft.
Marketingkonzepte und Vertriebskanäle in den USA unterscheiden sich grundlegend von denen auf dem deutschen Markt. Bei Präzisionswerkzeugen zum Beispiel ist die Struktur geradezu spiegelverkehrt: Werden in Deutschland 60 bis 70 % der Schneidwerkzeuge für die Metallbearbeitung direkt an die Industrie verkauft und nur ein starkes Drittel über den Handel, so ist das Verhältnis in den Vereinigten Staaten genau andersherum: 85 % der „Precision Cutting Tools“ gehen dort über „Industrial Distribution“, also über Händler zu den Industriekunden, die in etwa vergleichbar sind mit dem Produktionsverbindungs-Handel bei uns.
Dabei ist „Distribution“ für Amerika-Insider das Zauberwort für ein meist ausgeklügeltes Verkaufs-Konzept über ganz verschiedene Absatzmittler und Absatzhelfer. Wer sich näher damit beschäftigt, stößt zunächst auf die besondere Bedeutung der Handelsvertreter. „Reps“ (als Kurzform für Manufacturer’s Representatives) spielen neben den „Distributors“ die dominierende Rolle im US-Markt. Denn eigene Außendienstmitarbeiter sind schlicht zu teuer – man müsste Heerscharen beschäftigen. Damit dennoch genügend Kundenkontakte gepflegt werden können, bilden „Reps“ fastüberall das Scharnier zwischen Herstellern, Distributoren und den jeweiligen Endverbrauchern. Sie sichern sich ihre Rolle durch eine ausgeprägte Kundenorientierung und ihre beachtliche technische Kompetenz. „Reps“ sind meist stark spezialisiert und konzentrieren sich innerhalb der riesigen Verkaufsgebiete nicht nur auf Teil-Regionen, sondern häufig auch auf ganz bestimmte Kundenarten. So lässt sich ein Ballungszentrum wie Chicago durchaus von vier Reps (und zahlreichen Distributoren) bearbeiten, die sich wegen ihrer Marktausrichtung nie bei Kunden begegnen („Matrix-Distribution“). Im Fall von Werkzeugen kann das zum Beispiel so aussehen: Während der eine Rep vor allem Elektriker und Installateure besucht, betreut sein Kollege ausschließlich Dachdecker und ein Dritter besucht nur Metallbetriebe (Fab Shops) oder deren Händler, und so weiter. Der deutsche Ansatz mit „einem Händler für die ganze Ostküste“ würde hier völlig am Markt vorbeizielen.
Spezialisierung ist auch bei den Distributoren die Devise, und es gibt für unsere Verhältnisse ganz ungewohnte Händlerkonzepte. Die riesigen Baumärkte von Home Depot oder Lowe sind dem US-Reisenden meist noch geläufig. Die Hardware-Läden der Einkaufsgruppen oder Einkaufs-Genossenschaften wie ACE oder Cotter sind anfangs schon etwas weniger bekannt. Darüber hinaus wird Industrie-bedarf in den USA aber auch über riesige Catalog Houses verkauft, die wir bisher nur im Konsumgüterbereich gewohnt sind: W. W. Grainger, McMaster Carr (jeweils Hardware/Werkzeuge) oder Anixter (Elektro/Elektronik) heißen die Giganten unter den „Industrial Distributors“ im US-Markt. Sie operieren „nationwide“ und sind mit ihren Milliardenumsätzen allenfalls mit Würth oder Facom vergleichbar. Die dicken Produktkataloge mit 2000 bis 3000 Seiten lassen keinen Kundenwunsch offen, von Kleinartikeln bis hin zu stationären Maschinen. Dabei ersetzen exzellente Produkt-Beschreibungen praktisch das persönliche Verkaufsgespräch. In den Call Centern der Kataloghändler nehmen dann Hunderte von qualifizierten Mitarbeitern die Aufträge der Kunden telefonisch an und erreichen auf diese Art jeden Betrieb, ob in den Wüsten von Texas oder in den Tälern der Rocky Mountains – und die Entfernung spielt so keine Rolle mehr. Für neue Lieferanten aus Europa ist es natürlich nicht so einfach, Produkte in diese Kataloge hineinzubekommen. Dazu braucht es – wie überall in den USA – die richtigen Kontakte und reichlich Ausdauer. Doch am Ende lohnt sich der mühsame Weg allemal, denn die flächendeckende Markt-Ausschöpfung in den weniger dicht besiedelten Gebieten ist fast nur so zu schaffen.
In vielen Branchen haben sich auch Franchise-Shops ihren festen Platz gesichert. Öl-Schnellwechsel-Stationen nach dem Drive-trough-Konzept wie „Express Lube“ oder „Minit Lube“ findet man überall in den USA. Oder Selbstbedienungsläden für Schrauben und Werkzeuge, für die beispielsweise das mittelständische Handelsunternehmen Fastenal aus Minnesota Franchise-Lizenzen vorwiegend in kleinen und mittleren Städten vergibt. Weit verbreitet ist auch der Verkauf direkt an der Werkstatttür. Die sogenannten „Waggon Jobbers“ von Snap-On zum Beispiel verkaufen dem Kfz-Mechaniker Werkzeuge und Kleinteile aus komplett bestückten Kleinlastwagen heraus, das spart Wege und Zeit.
Bei der Vielfalt der Vertriebskanäle ist es einleuchtend, dass man die passenden Vertriebs-Partner nicht gleich am ersten Tag kennenlernt. Diese Erkenntnis sollte man beherzigen, denn ein Vertrag mit einem Vertreter ist auch in den USA nur sehr schwer und mit hohen Abfindungen wieder zu lösen.
Daher ist schon am Anfang ein langfristiges Konzept und Geduld bei der Umsetzung gefragt. Eine gründliche Markterkundung vorab und schrittweises Vorgehen sollten die Wahl der geeigneten Vertriebsstrukur und der passenden Partner bestimmen.
Vertriebspartner wählen
Größe und Spezialisierung des US-Marktes erfordern in der Regel mehrere Vertriebspartner oder Distributoren – beispielsweise für jede Region und jedes Marktsegment.
Schon am Anfang ein langfristiges Distributionskonzept entwickeln und dann in mehreren Etappen umsetzen.
Ein Newcomer ist für die kleinen engagierten Nischenhändler wesentlich attraktiver als für die großen Händler der etablierten Wettbewerber.
Nicht den gesamten Markt auf einmal anpacken, sondern auch regional in kleinen, überschaubaren Schritten vorgehen und step by step dazulernen.
Verträge nicht voreilig ab-schließen, sondern auch die Zusammenarbeit mit den einzelnen Vertriebspartnern allmählich entwickeln und ausbauen.
Ein absolutes Muss für erfolgreiche Geschäfte in den USA sind persönliche Kontakte (Networking). Man bekommt sie über befreundete Unternehmen, auf Messen, bei ersten Erkundungsreisen.
Für Einsteiger empfiehlt sich auch ein „Business Scout“, der bei den ersten Erkundungsreisen mit seinen wertvollen Kontakten als „Türöffner“ fungiert.
Die Serien-Teile
Teil 1: Vorschriften und Standards für deutsche Maschinen in den USA; erschienen in IA 40 am 2.10.
Teil 3: Global Selling heißt Kunden-Märkte statt Länder-Märkte; erscheint in IA 42/43 am 16.10.
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
Ausgabe
6.2024
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