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Neue Materialien generieren neue Verfahren

Fügetechnik: Automobiler Leichtbau als Schrittmacher
Neue Materialien generieren neue Verfahren

Als Folge des Trends zum Leichtbau in der Automobilfertigung steigt die Werkstoffvielfalt rapide. Entsprechend angepasste, innovative Trenn- und Fügeverfahren wurden kürzlich auf der Messe Schweißen & Schneiden in Essen präsentiert.

Dipl.-Ing. Klaus Vollrath ist Fachjournalist in Rees

Ach, wie war es doch vordem, mit der Zange so bequem: Mit gewisser Wehmut mag sich manch altgedienter Kfz-Konstrukteur an jene Zeiten erinnern, als die Welt des Fügens im Karosseriebau noch von der schlichten, pneumatisch betätigten Punktschweißzange beherrscht wurde. Heute dagegen zwingt der moderne Leichtbau zur ständigen Ausweitung des Materialmixes und zum Einsatz neuer, optimal angepasster Fügeverfahren.
Zu diesen Verfahren gehört das Kleben: Ein bemerkenswertes Beispiel für den Vormarsch der Klebstoffe wurde im Rahmen der Messe Schweißen & Schneiden 2005, vorgestellt, die kürzlich in Essen stattfand: Eine Rohkarosserie des neuen 7er-BMW mit insgesamt 150 m Klebnaht, was einer Klebstoffmenge von 1,5 kg entspricht. Zum Einsatz kommt hierbei ein crashstabiler Einkomponenten-Epoxidharzklebstoff von Dow Automotive, Schwalbach. Dieser kann automatisch mit hoher Geschwindigkeit aufgetragen werden und härtet bei einer Temperatur von 180 °C aus. Dies entspricht ziemlich genau dem Prozessfenster für das Einbrennen der KTL-Grundierung.
Ein anderes Beispiel: Für das Fügen hochfester Materialien entwickelte die Böllhoff Verbindungstechnik GmbH, Bielefeld, Blindnietmuttern mit der Bezeichnung Rivkle HRT, die in Blechbohrungen eingesteckt und durch Anziehen umgeformt werden, so dass sie fest sitzen. Ihr Gewinde besitzt eine so hohe Festigkeit, dass sich darin eine hochfeste Schraube der Klasse 12.9 „festknallen“ lässt, bis sie reißt, ohne dass die Mutter Schaden nimmt.
Die weltweit erste Serienmaschine für das Reibpunktschweißen (RPS), ein neues punktförmiges Fügeverfahren, präsentierte die Riftec GmbH, Geesthacht. Gegenüber herkömmlichen punktförmigen Anwendungen wie Widerstandspunktschweißen, Schrauben oder Nieten soll das Verfahren erhebliche Qualitäts- und Kostenvorteile bieten. „Es lassen sich damit Leichtmetalle wie Aluminium und Magnesium ohne Materialzugabe dauerhaft verbinden“, erläutert der Technische Geschäftsführer Christoph Schilling. „Weitere zukünftige Entwicklungsfelder liegen in den Bereichen metallische Mischverbindungen, Stahl sowie Kunststoffe.“ Ein rotierendes, verschleißfestes Werkzeug sorgt für die Reibungswärme, den Druck im Fügebereich und die Vermischung des Werkstoffes, die für die Bildung einer stoffschlüssigen Verbindung hoher Qualität erforderlich sind. Aufgrund der Verfahrenseigenschaften wird ein Anwendungsschwerpunkt im Automobilbau gesehen.
Den Verbund von Aluminium mit verzinktem Stahl ermöglicht das Cold-Arc-Schweißverfahren der EWM Hightec Welding GmbH, Mündersbach. Besonderheit des innovativen Verfahrens, das in ähnlicher Form auch von einigen anderen Unternehmen vorgestellt wurde, ist ein „kalter“ Lichtbogen. „Erreicht wird dies, indem der Energieeintrag in den verschiedenen Phasen des Schweißprozesses jeweils minimiert wird“, erklärt Heinz Lorenz, Leiter Marketing und Kommunikation. Bei EWM erfolgt dies durch eine hochdynamische Regelung der Energiezufuhr mit Hilfe einer neuartigen Inverterschaltung in Verbindung mit einer schnellen digitalen Stromregelung. Die Drahtzufuhr erfolgt mit handelsüblichen Systemen ohne aufwendige Zusatzkomponenten. „Zu den Vorteilen unseres automatisiert, aber auch manuell einsetzbaren Verfahrens gehört der geringere Verzug aufgrund der reduzierten Wärmeeinbringung“, hebt Lorenz hervor. Einsatzfelder sind das Fügen von Dünnblech ab 0,3 mm Dicke, die Herstellung von Mischverbindungen zwischen Stahl und Aluminium, das Schweißen von Magnesium oder das Löten verzinkter Bleche mit niedrigschmelzenden Zinkbasis-Zusatzwerkstoffen als Alternative zum CuSi-Löten.
„Beim Automobil gibt es erheblichen Bedarf an neuen, hochrationellen Prozesstechniken wie dem Tandem-Zweidrahtschweißen oder dem Laser-Hybridverfahren“, sagt Christian Paul, Leiter Anwenderforschung der Carl Cloos Schweißtechnik GmbH in Haiger. Zu den Ausstellungs-Highlights des Unternehmens gehörte eine kombinierte Roboteranlage für Schweiß- und Handlingaufgaben in der Automobilindustrie. Eingesetzt wird hierbei eine Laser-Hybrid-Hochleistungstechnik als rationelle Verknüpfung von Laser- und Lichtbogenschweißen. Das komplexe System integriert dabei alle erforderlichen Komponenten wie Handling- und Schweißroboter, Robotersteuerung, Lasersystem und Impulsschweißgerät. Um eine möglichst große Bandbreite unterschiedlicher Aufgabenstellungen abdecken zu können, stehen gleich zwei unterschiedliche Laser-Hybrid-Schweißköpfe zur Verfügung: Einer mit integrierter Sensorik zur Prozessüberwachung und ein weiterer mit frei programmierbarer Schwenkeinrichtung für den MAG-Brenner.
Ergänzend zeigte Cloos das Laserstrahllöten mit externer Drahtzuführung. „Dieser Prozess mit seiner gut steuerbaren Energieeinbringung besitzt ein großes Potenzial beim Verbinden beschichteter Bleche, wie sie etwa in der Automobilindustrie verwendet werden“, erläutert Paul.
Ein neuartiges Faserlaser-Lichtbogen-Hybridschweißsystem präsentierte die OTC Daihen Europe GmbH, Mönchengladbach. „Damit lassen sich schnelle, qualitativ hochwertige Schweißungen realisieren – und dies unabhängig von der Blechdicke“, erklärt Michael Löhr, Vertriebsleiter Schweißmaschinen. Der Einsatz eines kompakten Faserlasers bringt einen platzsparenden Aufbau, ausreichende Einschweißtiefen und einen sparsamen Energieeinsatz mit sich. „Der Laser kann in Verbindung mit dem WIG- oder dem AC-MIG-Schweißen eingesetzt werden“, führt Löhr aus. „Letzteres bietet gegenüber dem herkömmlichen DC-MIG-Verfahren eine bessere Spaltüberbrückung, einen niedrigeren Wärmeeintrag bei höherer Drahtförderrate und damit einen geringeren Verzug.“ Bei dünnen Blechen werde ein Durchbrennen vermieden.
Mit dem MARC-Schweißverfahren der HBS Bolzenschweiß-Systeme GmbH & Co. KG, Dachau. können unter anderem Abgassysteme für Pkw rationell mit Gewindebuchsen bestückt werden. MARC steht für Magnetic Rotating Arc, weil der Lichtbogen zwischen der anzuschweißenden Hülse und dem Blechteil mit Hilfe eines magnetischen Feldes in schnelle Rotation versetzt wird. „Dies führt zu einer gleichmäßigen Energieverteilung und damit zu hoher Nahtqualität“, erläutert Product Manager Dipl.-Ing. Ronald Klier. „Die Bauteile werden weder geschwächt noch verformt.“ Besonders hervorzuheben sei die Möglichkeit der kostengünstigen Fertigung gas- und druckdichter Verbindungen bei hochlegierten Stählen. Das Verfahren ermöglicht Schweißzeiten von unter 1 s bei einfacher, preiswerter Gerätetechnik. Wichtige Vorteile gegenüber Schutzgas-Schweißverfahren sind vor allem erhebliche Einsparungen bei Investitions-, Arbeits-, Prüf- und Nacharbeitskosten.
Durch reduzierten Wärmeeintrag zu weniger Verzug
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