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Neues Bewusstsein für Qualität

Kehrtwende bei chinesischen Zulieferern in nachgelagerten Lieferketten
Neues Bewusstsein für Qualität

Neues Bewusstsein für Qualität
Ausländische Produktionsstandorte eines deutschen Unternehmens, wie bei Zollner in China, werden in puncto QM-System als eigene Produktionsstätten zer-tifiziert. Bilder: Zollner
Automotive | Hohe logistische Anforderungen bei ständigen Kostenoptimierungen und großem Innovationstempo sind nur mit adäquatem Qualitätsmanagement möglich. Seit 2014 gelten die neuen Zertifizierungsvorgaben nach ISO/TS 16949. Chinesische Lieferanten setzen sogar neue Qualitätsmaßstäbe.

Wolfgang HeppelLead-Auditor in der Automobil- und Zu-lieferindustrie, Dekra Certification GmbH

Kurze Innovationszyklen, hohe Fertigungsraten und Effizienzvorgaben fordern das Qualitätsmanagement in der weltweiten Zulieferkette der Automobilindustrie heraus. Je mehr Schnittstellen entstehen, desto höher ist der Bedarf einer lückenlosen Qualitätssicherung, das heißt die Stabilisierung der Qualität – und der spezifischen Kennzahlen – in der weltweiten Wertschöpfungskette. Vor einigen Jahren noch beklagten sich viele Einkäufer und Betriebsleiter über Qualitätsmängel bei kleineren chinesischen Betrieben in den nachgelagerten Zulieferketten. Dort ist jedoch seit zwei Jahren eine Kehrtwende eingeleitet. Hintergrund ist die Revision der Norm ISO TS 16949 für Automobilhersteller und Systemlieferanten. Seit April 2014 müssen die neuen Vorgaben in allen zertifizierten QM-Systemen der Automobilindustrie weltweit umgesetzt sein.
Was lässt sich beobachten? Vor allem ein neues Qualitätsbewusstsein bei den kleineren Zulieferern, mit der Folge, dass Reklamationen, Ausschuss und Lieferverzug deutlich verringert werden können. Die vormals „verlängerten Werkbänke“ etwa in Asien mussten mit der neuen Norm nun selbst als eigene Produktionsstätten zertifiziert werden. Ein zertifiziertes QM-System der Muttergesellschaft reichte nicht mehr. Verlängerte Werkbank bedeutete früher noch, dass etwa die Kundenbetreuung oder das Reklamationswesen über das deutsche Stammwerk mit übernommen werden konnte.
So sollte der ausländische Produktionsstandort eines Herstellers lokal im vollen Service-Umfang Produkte von seinen Zulieferern beziehen. Zielsetzungen und Abläufe mussten für jedes einzelne Werk des Zulieferers formuliert und der Betrieb danach ausgerichtet werden. Dies bedeutete natürlich etwas höheren Aufwand für die einzelnen Standorte, aber auch mehr Transparenz und Steuerbarkeit. Nach nun gut zwei Jahren sind die Systeme stabil. Seit April 2016 lässt IATF, als Herausgeber der ISO/TS 16949, „verlängerte Werkbänke“ unter bestimmten Bedingungen wieder zu.
Durch die Regulierungen der ISO TS 16949 müssen (!) Kennzahlen und Grenzwert-Parameter aufgesetzt werden, um Qualität über alle involvierten Abteilungsfunktionen messbar zu machen. Beispielsweise war im Kundenaudit eines japanischen Automobilherstellers der Nachweis für das Mischungsverhältnis einer Lotpaste zur Erreichung der gewünschten Körnung zu erbringen. Ebenso musste die Qualifikation der verantwortlichen Mitarbeiter vorgelegt werden. Kennziffern wie die Raumtemperatur und Körnung bei der Verarbeitung der Lotpaste sind von hoher operativer Bedeutung. Zum einen sind sie für die Mitarbeiter transparent, und das Qualitätsmanagement kann schnell bei Abweichungen reagieren. Zum anderen wird die Körnung ein objektives und steuerbares Qualitätsmerkmal in der Kunden-Lieferanten-Beziehung.
Für die viel diskutierten neuen Bedingungen in der automatisierten Industrie 4.0 wird mancherorts nicht nur die „Produktionsintelligenz ohne Mensch“, sondern sogar die „Qualitätsintelligenz ohne Mensch“ prognostiziert. Beides wird nicht funktionieren. Zu unterschiedlich sind die Qualitätskulturen in den weltweit vernetzten Betrieben. Zwar sind etwa die Anforderungen zur Fertigung von Industrieelektronik geringer als die für die Automotive-Branche. Doch gerade die großen Hersteller reagieren aufgrund immer komplexer werdender Fertigungsprozesse deutlich sensibler. Sie fordern zunehmend auch von den kleineren Zulieferern, die nicht direkt der Automobil-Branche zugehöhren, dass einige spezifische ISO TS 16949-Prozesse erfüllt werden. Damit kann eine wichtige Grundlagenarbeit für die Industrie 4.0 einhergehen. Wird Qualität in Form von Kennziffern auf kleinste Produktionseinheiten – weltweit in der Lieferkette – heruntergebrochen, lassen sich Abweichungen und Qualitätsmängel für eine datengetriebene Produktion auswerten.
Der entscheidende Faktor eines jeden QM-Systems ist immer noch die Qualitätskultur. Sie ist nicht kurzfristig umsetzbar. Voraussetzung ist vielmehr, dass die Mitarbeiter die Prozessanforderungen verstehen und in der Praxis anwenden können. Für dieses Prozessverständnis leistet die ISO/TS 16949 einen wesentlichen Beitrag.

Beispiel Zollner Electronic China

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Die Tochter der mittelständischen Unternehmensgruppe mit Hauptsitz in Zandt in Niederbayern hat vor etwa zehn Jahren ein Werk in China/Taicang mit heute rund 380 Mitarbeitern errichtet. Zusammen mit Dekra Certification auditierte und zertifizierte der Elektronikspezialist Zollner sein chinesisches Werk nach den neuesten Anforderungen der ISO TS 16949.
Stringente Disziplin in allen Prozessen über die gesamte Wertstromkette erreicht das Unternehmen durch eine intensive Personalarbeit und das Ineinandergreifen mehrerer Führungsinstrumente: Neben regelmäßigen KPI-Meetings mit allen Fachabteilungen gibt es jeden Morgen um 9.00 Uhr eine maximal 20-minütige Besprechung in der Fertigung, an der Mitarbeiter aus den Bereichen SCM, Produktion, Qualitätsmanagement sowie Vertrieb teilnehmen. Anstehende und laufende Aufträge werden anhand der Kundenauftragsvorgabe abgeglichen, Qualitätsthemen mit Lösungsansätzen umgehend besprochen und bevorstehende Kundenaudits mit dem Vertrieb geplant.
Das Ergebnis: Eine „Verinnerlichung“ der globalen Qualitätsmaßstäbe auf Managementebene (Kennzahlen) wie auch auf Werkerebene (Prozessverständnis, Prüfgenauigkeit). Außerdem stehen die chinesischen Mitarbeiter bei manchen Kunden-Audits ihren europäischen Kollegen sowohl fachlich als auch kulturell mit Rat und Tat zur Seite.
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