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Nur der treue Kunde ist auch ein guter Kunde

Beschwerde-Management: Lob und Tadel richtig auswerten
Nur der treue Kunde ist auch ein guter Kunde

Ein aufwendiges Beschwerde-Management einzurichten, ist immer noch billiger als teure Neukunden zu akquirieren. Wer dem Kunden zuhört, erfährt eine Menge über Unternehmen, Abläufe und Produkte. Außerdem schafft die gut gemanagte Beschwerde Stammkunden.

Michael Gestmann ist Fachautor in Diessen

Unternehmer versuchen zunehmend, ihren Betrieb kundenorientiert auszurichten. Zum Standard gehört die Telefon-Hotline: „Guten Tag, was kann ich für Sie tun?“, schallt es gequält freundlich, oft auch recht gekünstelt dem entgegen, der eine Service- oder Kundennummer anruft. Doch nur wenige nutzen die Vorteile eines professionellen Kunden- und Beschwerde-Managements konsequent, warnen Experten.
Kundenorientierung hat spätestens seit Mitte der 90er-Jahre Hochkonjunktur, als von der so genannten Servicewüste Deutschland die Rede war. Kundenbindungs-Management und Customer Relationship Management stehen heute hoch im Kurs. Zumal längst bekannt ist, wie extrem teuer die Neukundenakquisition ist. Deshalb müssen Unternehmer sich bemühen, die Potenziale bereits existierender Kundenbeziehungen auszuschöpfen. Das spart Geld und erhöht zugleich den Profit je Kunde.
Häufig sollen die Kunden bei Befragungen Auskunft darüber geben, wie sie die Qualität einer bestimmten Dienstleistung oder eines Produktes beurteilen. Wer als Kunde unzufrieden ist, soll dies ausdrücklich äußern. Schließlich, so die vorherrschende Meinung, werden nur zufriedene Kunden zu Wiederkäufern und schließlich Stammkunden.
Studien zeigen, dass ein professionelles Beschwerdemanagement die Zahl der Stammkunden erhöht. Über 80 % der Kunden, die mit der Abwicklung ihrer Beschwerde zufrieden sind, fühlen sich nachher stärker an das Unternehmen gebunden. „Kunden wissen schließlich, dass Fehler passieren können – auch bei der Konkurrenz“, bestätigt Maria A. Straßenberger aus Aalen, als Trainerin spezialisiert auf Beschwerdemanagement. Die stärkere Loyalität so genannter reaktivierter Kunden bewirke zudem eine höhere Preisbereitschaft sowie eine Steigerung der Absatzmenge, wie das Institut für marktorientierte Unternehmensführung der Universität Mannheim ermittelt hat. Das Team um Professor Christian Homburg von der Universität Mannheim stellte ebenso fest, dass viele Unternehmen die Nähe zum Kunden verloren haben. So beurteilen Kunden erbrachte Leistungen zum Teil vollkommen anders als die Unternehmen, so die Wissenschaftler. „Viele Unternehmen begehen zudem den Fehler, dass sie ihre Leistungen bevorzugt mit denen der Konkurrenz oder ihrer eigenen früheren Leistungen vergleichen“, weiß Maria A. Straßenberger, die mit der Straßenberger Konsens Training eine eige Beratungsgesellschaft führt. „Hinzu kommt“, so die Expertin, „dass die Kundenansprüche sehr schnell steigen. Unternehmen müssen sich daher sehr anstrengen, um diese zu befriedigen.“
Aktiv und professionell Beschwerdemangement zu betreiben, ist daher eine zentrale Maßnahme, um Abnehmer an das Unternehmen zu binden. Diplom-Psychologe Winfried U. Graichen, Inhaber des Beratungsunternehmens Implus Graichen & Graichen in Hanau empfiehlt: „Man sollte sich vergegenwärtigen, dass Kunden, die sich beschweren, immer noch Vertrauen in das Unternehmen haben und loyal sind.“ Studien zeigen, dass nur jeder zehnte unzufriedene Kunde sich tatsächlich beschwert. Und viele Unmutsäußerungen erreichen oft nicht den richtigen Adressaten. Bestandteil eines professionellen Beschwerdemanagements sollten daher nicht nur Maßnahmen sein, um das Kunden-Feedback gezielt anzuregen, sondern auch Regelungen, um sie richtig zu kanalisieren, bestätigt Trainer Graichen.
Müllers Mühle beispielsweise aus Gelsenkirchen, ein Hersteller aus der Nahrungsmittelindustrie, bringt entsprechende Erfahrungen im Umgang mit Kundenbeschwerden mit. „Seit rund zwanzig Jahren erfassen und bearbeiten wir systematisch Kundenbeschwerden“, erläutert Britta Goetz, bei Müllers Mühle verantwortlich für den Verbraucherservice. Im Rahmen einer Konzeption wurden zunächst die Ziele des Beschwerdemanagements definiert und der Nutzen für das Unternehmen geklärt. Danach wurde der interne Bearbeitungsprozess festgelegt.
Das mittelständige Unternehmen siedelte die Thematik direkt unterhalb der Geschäftsführung an. Das verdeutlicht, wie wichtig für Rolf Brack, Hauptgeschäftsführer bei Müllers Mühle und zugleich Vorstandsvorsitzender der VK Mühlen AG, Hamburg, das aktive Beschwerdemanagement ist: „Die eingehenden Beschwerden vermitteln uns wichtige Informationen darüber, inwieweit wir unsere Produkte, interne Prozesse und Abläufe optimieren müssen“, so Brack.
Idealerweise animieren Unternehmen ihre Kunden, vermehrt Rückmeldung zu geben. Der kundenfreundliche Umgang mit Beschwerden kann sogar als Marketingstrategie genutzt werden, bestätigt die Spezialistin Straßenberger. Auf die häufig anzutreffende Servicenummer verzichtet Rolf Brack bewusst. „Die Kunden können mit unseren fachkompetenten Mitarbeitern direkt sprechen. Ich halte nicht viel von einem künstlich aufgebauten Call-Center.“
Entscheidend für den Erfolg sämtlicher Customer-Maßnahmen sind die Einstellung und das Verhalten der Mitarbeiter. Sie müssen die Kundenfreundlichkeit leben. Maria A. Straßenberger: „Trainings helfen, das richtige Verhalten im täglichen Umgang mit Kunden und deren Reklamationen zu festigen.“ Mitarbeiter müssen die Erwartungen der Kunden kennen, um auf deren Bedürfnisse angemessen eingehen zu können. Ihr Tipp: „Das Personal in Planungen mit einbinden, wenn für mehr Beschwerdefreundlichkeit gesorgt und eine entsprechende Unternehmenskultur implementiert werden soll.“ Dann seien Erfolgsgeschichten, zum Beispiel Volvo, nicht mehr Einzelfälle: Dort hat sich die Zahl der Beschwerden über Fahrzeuge innerhalb von fünf Jahren halbiert.
Leitsätze für eine kundenorientierte Unternehmenskultur
– Fehler von Mitarbeitern sind erlaubt.
– Die Ursachen von Fehlern suchen wir immer nur im eigenen Unternehmen.
– Jeder Mitarbeiter ist für Reklamationen verantwortlich.
– Interne Prozesse und die Suche nach Fehlern sind nicht für den Kunden bestimmt.
– Jede Beschwerde ist ein willkommener Anlass, die Beziehung zum Kunden zu verbessern.
– Reklamationen werden nie verschwiegen, sondern offen – wenn nötig im Team – besprochen.
– Jeder Mitarbeiter hat die Möglichkeit, eine Wiedergutmachungs-Aktion zu starten.
– Wir machen es Kunden leicht, sich zu beschweren.
– Wir lernen aus Reklamationen.
– Reklamationen werden prompt erledigt.
– Jeder Mitarbeiter ist in der Handhabung von Beschwerden geschult.
– Bei jeder Reklamationsentscheidung fragen wir uns, was diese für das Unternehmen bedeutet.
Quelle: Neuland Verlag
Checkliste: Beschwerdemanagement
– Welchen Stellenwert haben Beschwerden in unserem Unternehmen?
– Wie gehen wir bislang mit Beschwerden um?
– Ist den Mitarbeitern bewusst, dass sie durch richtigen Umgang mit Beschwerden Kunden binden?
– Neigen Ihre Mitarbeiter dazu, die Firmenpolitik für einen unangemessenen Umgang mit Beschwerden verantwortlich zu machen?
– Welche Methoden nutzen Sie, um das Kunden-Feedback zu erfassen?
– Nutzen Sie Informationen, die Ihre Außendienstler erhalten, um intern Prozesse zu optimieren?
– Resultieren aus den Beschwerden Konsequenzen im Unternehmen?
– Gibt es Überlegungen, Kunden zu Beschwerden zu ermuntern und Optimierungsprozesse einzuleiten?
– Kümmern Sie sich auch um die Kunden, die nicht auf Umfragen reagieren?
– Informieren Sie Ihre Kunden darüber, wenn die Reklamation konkrete interne Maßnahmen zurfolge hatte?
– Führen Sie eine Statistik über die Beschwerden?
– Wieviele Kunden hat Ihr Unternehmen im letzten Jahr verloren?
Quelle: Straßenberger Konsens Training, Aalen
Reklamationen richtig abwickeln
Maria A. Straßenberger, In-haberin von Straßenberger Konsens Training, Aalen, nennt sechs Tipps für die erfolgreiche Abwicklung von Kundenbeschwerden.
1. Bedanken Sie sich beim Kunden!
Im Vordergrund sollte stehen, dass der Kunde durch seine Beschwerde wertvolle Informationen liefert. Der Dank über eine Beschwerde erleichtert den Einstieg ins Gespräch.
2. Hören Sie aktiv zu!
Geben Sie dem Kunden Zeit, hören Sie gut zu. Stellen Sie inhaltliche und offene Fragen, damit Sie die Situation richtig erfassen. Machen Sie sich Notizen.
3. Übernehmen Sie die Gesprächsführung!
Wiederholen Sie die Schilderungen des Kunden kurz mit Ihren Worten. Auf diese Weise überprüfen Sie gleichzeitig, ob Sie sein Anliegen richtig verstanden haben. Verwenden Sie Formulierungen wie: „Versteh‘ ich Sie richtig, dass …?“
4. Sichern Sie die sofortige Beschwerdebearbeitung zu!
Eine schnelle Reaktion zeigt, dass Sie Ihr Versprechen ernst nehmen und die Probleme zur Zufriedenheit des Kunden lösen wollen.
5. Prüfen Sie, ob der Kunde zufrieden ist!
Bleiben Sie am Ball, und rufen Sie den Kunden an, um zu erfahren, ob er mit der Beschwerdeabwicklung zufrieden ist. Verstärken Sie beim Kunden auf diese Weise den Eindruck einer partnerschaftlichen Beziehung.
6. Reduzieren Sie Fehlerquellen!
Die Information Ihrer Kollegen und Mitarbeiter hilft, Probleme dieser Art künftig zu vermeiden. Wichtig: Mitarbeiter sollten nicht beschuldigt werden, damit sie weiterhin Informationen an das Management weiterleiten.
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