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Plagiatoren auf die Finger klopfen

Produktpiraterie: Auf Messen ist konsequentes Vorgehen gefragt
Plagiatoren auf die Finger klopfen

Auf großen Investitionsgütermessen werden dieses Jahr wieder jede Menge Plagiate ausgestellt werden. Nur wer richtig vorbereitet ist und konsequent vorgeht, kann sich gegen die Fälscher wehren.

Von unserem Redaktionsmitglied Tilman Vögele-Ebering tilman.voegele@konradin.de

Zur Messe-Saison geht es wieder los. Am Vorabend des ersten Tages werden Detektive, Patentanwälte und besorgte Firmenchefs durch die Hallen schleichen. Sie werden unauffällig die Aufbauarbeiten der Konkurrenz beobachten. Sie sind auf der Suche nach Plagiaten, illegalen Nachbauten. Ob Cebit, Practical World, Light & Building oder Hannover Messe: Es gibt keine Schau mehr, auf der es nicht zum Streit um verletzte Schutzrechte kommt, so lauten die Aussagen der großen Messeveranstalter. Jeder zweite deutsche Maschinenbauer, der durch illegale Nachbauten geschädigt wird, erfährt davon auf einer Ausstellung, hat eine Umfrage des VDMA ergeben. Wurde die Produktpiraterie früher hinter vorgehaltener Hand an Unternehmerstammtischen diskutiert, taucht sie nun fast täglich in den Medien auf – häufig spielt die Volksrepublik China in dem Kontext eine Rolle.
Und die Plagiatoren sind von Jahr zu Jahr trickreicher, wie Klaus Hoffmeister weiß, Leiter der Zentralstelle für Gewerblichen Rechtsschutz (ZGR) des Zoll. „Fälscher gehen auf Messen zunehmend professionell vor“, hat der Experte beobachtet, dessen Behörde bundesweit dafür zuständig ist, Ware, die gewerbliche Schutzrechte verletzt, aus dem Verkehr zu ziehen. „Die Fälschungen liegen nicht mehr wie früher in der ersten Reihe aus“, erläutert Hoffmeister. Häufig werde das illegal kopierte Teil erst unter der Hand während des Gesprächs auf dem Stand angeboten. Ob man Interesse an einem besonders günstigen Produkt habe, heißt es dann.
Die Schäden durch Plagiate sind immens. Inzwischen wird geschätzt, dass bis zu 8 % des Welthandels gefälschte Produkte sind. Der Aktionskreis der deutschen Wirtschaft gegen Produkt- und Markenpiraterie (APM) geht davon aus, dass deutschen Unternehmen ein Schaden von 25 Mrd. Euro jährlich entsteht. Ohne die Verluste durch Produktpiraterie – im Investitionsgüter- und Konsumgüterbereich – gäbe es nach Verbandsschätzungen in Deutschland rund 70 000 Arbeitsplätze mehr.
Mit einer spektakulären Aktion ging im vergangenen Jahr der Antriebstechnik-Hersteller SEW Eurodrive aus Bruchsal gegen Plagiatoren vor. Das Unternehmen ließ auf der Hannover Messe per Einstweiliger Verfügung drei Stände mit Plagiaten schließen. Zuvor waren die Aussteller einer schriftlichen Aufforderung nicht nachgekommen. Man müsse „knallhart gegen Kopien vorgehen, um Zeichen zu setzen“, betonte damals SEW-Geschäftsführer Hans Sondermann.
In dem besagten Fall hatten die Bruchsaler schon vor der Messe den Braten gerochen. Dies sei das Ergebnis der weltweiten Markt- und Wettbewerbsbeobachtung gewesen, zu der auch das Thema Marken- und Produktpiraterie gehöre, wie Sondermann berichtet. Dies gehöre zur Strategie des Unternehmens, um geistiges Eigentum zu schützen. „Produkte, Marken, Prozesse und Design werden bei uns weltweit angemeldet und Verletzungen konsequent verfolgt“, fasst der SEW-Chef zusammen.Dabei gehe es nicht zuletzt darum, Nachahmer abzuschrecken. „Gleichzeitig muss unsere Innovationsleistung über unser Produkt- und Dienstleistungsportfolio so hoch sein, dass es Plagiatoren schwer haben zu folgen oder zu imitieren,“ so Sondermann weiter.
Auf der Hannover Messe standen schon während der Aufbauphase die Verdächtigen unter Beobachtung. „Parallel dazu haben wir uns rechtlich vorbereitet und die Vorgehensweisen abgeklärt“, berichtet Sondermann. Dann forderten die Firmen-Juristen vier mutmaßliche Plagiatoren auf, die kopierten Getriebemotoren zu entfernen. Dieser Aufforderung kam nur einer nach. Für die anderen drei wurde im Rahmen eines gerichtlichen Eilverfahrens schließlich die einstweilige Verfügung erwirkt – allerdings erst am dritten Messetag.
Nur das geschädigte Unternehmen selbst kann auf Messen gegen Schutzrechtsverletzungen vorgehen. Den Veranstaltern sind rechtlich die Hände gebunden. Um ihre Kundschaft mit dem Problem nicht allein zu lassen, suchen die großen Messegesellschaften zunehmend den Schulterschluss mit Verbänden und den einschlägigen Institutionen
„Wir sagen bewusst ja zu Originalen und zu Qualität“, sagt Detlef Braun, Geschäftsführer der Messe Frankfurt. Unter dem Slogan „Messe Frankfurt against Copying“, hat die Messe dieser Tage gemeinsam mit namhaften Partnern eine Kampagne gestartet. Das Ziel ist, die Aussteller beim Kampf gegen Plagiatoren zu unterstützen. Braun: „Wir fühlen uns dem Schutz von Marken und kreativen Leistungen unserer Kunden besonders verpflichtet.“ Partner der Aktion sind das Europäische Amt für Marken- und Musterschutz, das Deutsche Patent und Markenamt, der Aktionskreis der Deutschen Wirtschaft gegen Produktpiraterie, die renommierte Aktion Plagiarius sowie die Zentralstelle für Gewerblichen Rechtsschutz.
Auf jeder Messe sollen diese Institutionen zukünftig geschädigte Aussteller unterstützen: Sie bieten beispielsweise juristische Beratung zu den Vorgehensweisen gegen Nachmacher oder vermitteln spezialisierte Anwälte. Gerade Mittelständler stehen oft rat- und machtlos vor dem Phänomen, so die Erfahrung der Messeveranstalter. Nur wenige wissen über gerichtliche Eilverfahren oder die Möglichkeit eines Grenzbeschlagnahmeverfahrens über die Zollbehörden Bescheid.
Die Deutsche Messe in Hannover hat ebenfalls – schon im vergangenen Jahr – gemeinsam mit dem VDMA ein Zeichen gesetzt. Gemeinsam riefen sie zum Kampf gegen Produktpiraterie auf. „Dem VDMA geht es darum, dass die Messegesellschaften hier ein eindeutiges Signal an die Kopierer aussenden“, betont Dr. Hannes Hesse, Hauptgeschäftsführer des VDMA.
So hält auch die Deutsche Messe für ihre Aussteller einen umfassenden Service bereit: Wird der Veranstalter von einem ratlosen Mittelständler angesprochen, der sich kopiert fühlt, bietet die Rechtsabteilung zunächst ein Schlichtungsgespräch an. „Damit haben wir gute Erfahrungen gemacht“, berichtet Messechef Sepp D. Heckmann. Häufig hätten Aussteller ein Plagiat freiwillig vom Stand entfernt, sobald eine neutrale Stelle informiert wurde. Außerdem erhalten die Aussteller schon im Vorfeld auf Anfrage Infos und einen Maßnahmenkatalog sowie Kontakte zu Rechtsanwälten. Zudem steht die Deutsche Messe im Vorfeld in Kontakt mit den zuständigen Gerichten, damit stets ein gerichtlicher Eildienst erreichbar ist.
Das Wichtigste aber: „Im Vorfeld müssen sich die Unternehmen ihre Rechte schützen lassen“, rät Katharina Schäfer vom Deutschen Patent- und Markenamt. Denn ohne Schutzrecht fehlt jede rechtliche Handhabe. Gerade für viele kleinere Betriebe sei dies noch ein Buch mit sieben Siegeln:
  • Das Patent schützt technische Erfindungen und Verfahren mit einem maximal 20 Jahre andauernden Schutz.
  • Das Gebrausmuster bietet für technische Gegenstände zehn Jahre Schutz.
  • Die Marke dient der Kennzeichnung von Waren, und sie bietet unbegrenzten Schutz.
  • Das Geschmacksmuster schützt die äußere Form, also das Design.
Wer so gerüstet auf eine Messe geht, muss die Nachweise darüber unbedingt mitführen. Um einen rechtskräftigen Titel gegen Kopierer zu erwirken, ist das Originaldokument oder eine beglaubigte Kopie nötig. Während einer Ausstellung muss es schnell gehen: Den meisten liegt nämlich nicht so viel an der strafrechtlichen Verfolgung der Übeltäter, so die Erfahrung von Katharina Schäfer. Ihnen gehe es vielmehr darum, dass die ausgestellten Plagiate verschwinden.
Den Unternehmen machen nicht nur die geschäftlichen Verluste durch Plagiate zu schaffen. Für Hersteller von Ersatzteilen beispielsweise ist die Produkthaftung seit vielen Jahren ein großes Problem. So warnen Produzenten ihre Händler, Servicestätten und die Anwender vor falschen Kugellagern oder Bremsscheiben. Mit ausgeklügelten Verfahren müssen sie ihre Originalteile technisch kennzeichen, um die Rückverfolgbarkeit zu gewährleisten.
Wie ernst das Problem mittlerweile ist, zeigen nicht zuletzt die Vorgänge in China. Dort wehren sich zunehmend chinesische Unternehmen dagegen, dass ihre Produkte von den eigenen Landsleuten kopiert werden, wie Experten beobachten. Noch ein Indiz, dass es China ernst meinen könnte im Kampf gegen Raubkopien: Vor kurzem wurden zwei chinesische Unternehmen wegen Schutzrechtsverletzungen von einem chinesischen Gericht verurteilt – erstmals auf Antrag von ausländischen Firmen.
Per Gerichtsbeschluss Kopien vom Messestand entfernen
Produkthaftung wird für Hersteller zum Problem

Vorsicht Piraten!
Es gibt zahlreiche Hinweise, darauf, dass Produkte eines Unternehmens kopiert werden. Zu den wichtigsten gehören:
  • Die Marktanteile gehen plötzlich zurück, und das vor allem auf Auslandsmärkten.
  • Die Kundenbeschwerden nehmen plötzlich zu.
  • Es sind verstärkt neue Marktteil- nehmer aktiv.
  • Es gibt vermehrt Hinweise von Wettbewerbern, Händlern, Entwicklungspartnern oder dem eigenen Außendienst.
Mehr Infos:

„Es gibt Lösungen für alle Produkte“

Nachgefragt

Markenschutzexperte Jörg Biermann von 3M, Neuss, über die Möglichkeiten, sich technisch gegen Nachbauten zu schützen und die Produkte als Originale zu kennzeichnen.
Für welche Produkte sind Sicherheits- und Kennzeichnungstechniken geeignet, um sie vor illegalen Nachbauten schützen?
Grundsätzlich gibt es für alle Produkte Lösungen. Wir bieten einen Baukasten aus offenen, also für jeden sichtbaren, und verdeckten Sicherheitstechnologien an. Der Mittelstand ist aber noch sehr zurückhaltend, wie ich zugeben muss.
Viele befürchten hohe Kosten. Ab welchen Stückzahlen rechnen sich diese Sicherheitstechnologien?
Das Produkt mit technischen Lösungen zu kennzeichnen, ist ab sechsstelligen Stückzahlen wirtschaftlich, wobei die Kosten in der Regel pro Stück im einstelligen Cent-Bereich liegen. Oft sind Seriennummern sinnvoll. Bei Kleinteilen muss die Verpackung gekennzeichnet und versiegelt werden, um dem Abnehmer – sei es der Händler oder Anwender – Sicherheit zu geben.
Worauf kommt es bei der Kennzeichnung Ihrer Meinung nach besonders an?
Wir entwickeln individuelle Lösungen, die gerichtsverwertbar sein müssen. Das heißt, dass sie im freien Handel nicht angeboten werden. Ich rate dazu, so genannte verdeckte und offene Merkmale zu kombinieren. Denn ein Hologramm allein reicht beispielsweise nicht mehr aus. In China werden nicht nur die Produkte kopiert. Dort gibt es spezialisierte Unternehmen, die Sicherheitshologramme innerhalb von acht Tagen kopieren.
Was kann ein mittelständischer Unternehmer sonst noch tun, um sein geistiges Eigentum zu schützen?
Er soll unbedingt alle Schutzrechte geltend machen, Marken beispielsweise auch in chinesisch oder kyrillisch registrieren lasen. Dann muss er seine Lieferkette sichern, den Markt regelmäßig testen und im Netzwerk arbeiten, beispielsweise über den Verband APM. tv
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