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Politische Betätigung des Betriebsrats

Inhalt von Aufforderungen ist ausschlaggebend
Politische Betätigung des Betriebsrats

Betriebsrat und Arbeitgeber haben jede parteipolitische Betätigung im Betrieb zu unterlassen (§ 74 Abs. 2 S. 3, 1.HS BetrVG). Der Arbeitgeber hat nur dann ein berechtigtes Interesse für die Feststellung des Arbeitsgerichts, dass eine unzulässige Betätigung des Betriebsrates vorliegt, wenn die Betätigung noch andauert oder Wiederholungsgefahr besteht. Der Aufruf eines Betriebsrates zur Beteiligung an einem Volksentscheid ist keine parteipolitische Betätigung. Darauf verweist die Berliner Rechtsanwältin Frau Dr. Alexandra Henkel Mm unter Bezugnahme auf das BAG, Beschluss vom 17.03.2010 – 7 ABR 95/08 – bislang nur als Pressemitteilung Nr. 21/10.

Der Betriebsrat hatte im Jahr 2003 anlässlich des Irak-Krieges einen schriftlichen Aufruf mit der Überschrift „Nein zum Krieg“ an allen Informationsbrettern im Betrieb ausgehängt. Die Arbeitgeberin forderte den Betriebsrat auf, diese Bekanntmachung zu entfernen, weil es sich nach ihrer Auffassung um verbotene parteipolitische etätigung handelte, sie leitete damals jedoch entgegen ihrer Ankündigung kein gerichtliches Verfahren ein.
Im Jahr 2007 versandte der Betriebsrat dann über das Internet per E-Mail an die Mitarbeiter die Aufforderung, sich am Volksentscheid in Hamburg zu beteiligen, und hängte gleichlautende Aufrufe am schwarzen Brett im Betrieb aus.
Der Arbeitsgeber beantragte gegen den Betriebsrat die Unterlassung zukünftiger parteipolitischer Betätigung wie in den beiden o.g. Fällen, hilfsweise eine entsprechende Feststellung, dass es sich um unzulässige parteipolitische Betätigungen handelte.
Das LAG Schleswig-Holstein hatte in zweiter Instanz dem Unterlassungsantrag jedenfalls bezüglich des Volksentscheids stattgegeben, den Unterlassungsantrag im Hinblick auf das Schriftstück „Nein zum Krieg“ dagegen abgewiesen. Das LAG stellte hierbei darauf ab, dass die amerikanische Muttergesellschaft des Arbeitgebers Güter herstellte, die in dem Krieg eingesetzt werden, so dass es sich um einen gerechtfertigen Aufruf gegen den Irak-Krieg handelte, wenn dabei die ethische Frage aufgeworfen werde, ob die Unterstützung des Krieges durch die eigene Arbeit hinzunehmen sei.
Das BAG stellte dagegen fest, dass es grundsätzlich keinen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat gebe. Damit weicht der 7. Senat von einer älteren Entscheidung des 6. Senats zu § 74 Abs.2 S. 2 BetrVG ab, die einen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers bei Verstößen des Betriebsrates noch angenommen hat (vgl. Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 22.07.1980, 6 ABR 5/78). Es bleibt der Volltext der neusten Entscheidung abzuwarten, ob es bei dieser neuen Wertung generell verbleibt, oder sich dort vielleicht noch Einschränkungen finden.
Nach der neuen Entscheidung des BAG kann der Arbeitgeber lediglich im Wege eines Feststellungsantrags klären lassen, ob die bestimmte Betätigung des Betriebsrates eine Pflichtverletzung darstellt. Bei groben Verstößen des Betriebsrates kann der Arbeitgeber auch gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG die Auflösung des Betriebsrates beantragen (oder bei Verstoß nur eines Betriebsratmitgliedes den Ausschluss eines Mitgliedes aus dem Betriebsrat), wobei bei solchen Verfahren eine bereits erfolgte gerichtliche Feststellung vorangegangener Verstöße mit zu berücksichtigen sei.
Im Ergebnis entschied das BAG dann, dass der Arbeitgeber für den hilfsweise gestellten Feststellungsantrag bzgl. des Aufrufs „Nein zum Irak-Krieg“ aus dem Jahr 2003 kein berechtigtes Interesse mehr habe, weil dieser Aufruf bereits mehrere Jahre zurückliege und der Arbeitsgeber nicht behauptet habe, dass zu dem seit Jahren beendeten Irak-Krieg erneute Äußerungen des Betriebsrates zu besorgen seien. Entgegen der Vorinstanz stellte das BAG des Weiteren fest, dass die Aufforderung zur Wahlbeteiligung an dem Volksentscheid in Hamburg keine parteipolitische Betätigung darstelle.
Unter parteipolitischer Betätigung im Sinne des § 74 Abs. 2 Satz 3 BetrVG versteht man Tätigkeiten, die ausdrücklich auf eine politische Partei Bezug nehmen oder auf Themen, die im Parteienstreit sind. Nach herrschender Literaturmeinung erfasst das Verbot der parteipolitischen Betätigung z.B. jedoch nicht das Eintreten für Bürgerinitiativen im Betrieb, da diese sich regelmäßig mit Einzelfällen auseinandersetzen, ohne eine politische Richtung im parteipolitischen Sinne zu vertreten. Zur Parteipolitik zählen dagegen, da es sich hier um typische Themen der parteipolitischen Auseinandersetzung handelt, die Friedensbewegung sowie die Bewegung gegen die Nachrüstung (vgl. BAG, 12.06.1986, 21.02.1978).
Fazit
Es bleibt der Volltext der BAG- Entscheidung abzuwarten, im Hinblick auf die Absage des Unterlassungsanspruchs. Je nach Einzelfall sind auch Schadensersatzansprüche bei Verstößen gegen einzelne Betriebsratsmitglieder denkbar gem. § 823 Abs.1 BGB, oder eine fristlose Kündigung, wenn der Verstoß eines Betriebsratsmitglieds gegen das Verbot der parteipolitischen Betätigung gleichzeitig eine Vertragsverletzung darstellt.
Die Autorin ist Mitglied des VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V.
Für Rückfragen steht Ihnen die Autorin gerne zur Verfügung:
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