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Serie 4.0: Retrofit

Serie Industrie 4.0
Retrofit in die Zukunft

Retrofit in die Zukunft
Ein Maschinen-Upgrade ermöglicht beispielsweise Condition Monitoring und Predictive Maintenance.Bild: profit_image/stock.adobe.com
Während Tesla die neue Fabrik auf der grünen Wiese baut, ist in der deutschen Industrielandschaft eher die Weiterentwicklung vorhandener Produktionslinien die Regel. Retrofit ist dabei nicht die zweite Wahl, sondern bietet erstklassige Vorteile.

Michael Grupp
Freier Journalist in Stuttgart

20 Jahre beträgt die durchschnittliche Nutzungsdauer von Fabrikausrüstungen. Die meisten Maschinen müssen so lange produzieren, damit sich die Investitionen in sie auszahlen. Das ist sicherlich ein Grund dafür, warum erst knapp ein Fünftel der deutschen Industrieanlagen vernetzt sind. Retrofit bietet hier einen wirtschaftlichen Ausweg: Anbieter rechnen vor, dass sich Investitionen in die Modernisierung von Maschinen und Anlagen schon nach zwei bis drei Jahren bezahlt machen. Gleichzeitig schätzt der VDMA die zusätzlich mögliche Betriebsdauer auf fünf bis zehn Jahre.

Dass Retrofit selbst für betagte Maschinen möglich und sinnvoll ist, demonstrierte Bosch Rexroth jüngst mit der Digitalisierung einer 90 Jahre alten Nähmaschine sowie einer 129 Jahre alten Drehbank. Beide Maschinen wurden mit Sensoren versehen und über ein zwischengeschaltetes Gateway mit einem Computer verbunden. In Folge können Predictive Maintenance-Anwendungen jetzt den Verschleiß der Nähnadel messen und einen drohenden Bruch zuverlässig voraussagen. Grundsätzlich kann jede Maschine digital aufgerüstet werden – unabhängig von der Nutzungsdauer und dem mechanischen Aufbau. Maschinenhersteller und Ausrüster haben das Potenzial erkannt und bieten inzwischen Retrofit-Komponenten zur Nachrüstung an. Das Spektrum reicht dabei von einzelnen Sensoren bis hin zur Aufrüstung ganzer Produktionsstrecken.

Die Vorteile von Retrofit liegen auf der Hand: Die Lebensdauer der Maschinen verlängert sich und gleichzeitig steigen Produktivität und Energieeffizienz – bei vergleichsweise niedrigen Investitionskosten. Ein weiterer Pluspunkt: Im Vergleich zu einer Neuanschaffung verursacht die Maschinenüberarbeitung überschaubare Ausfallzeiten. Zudem entfallen häufig die langwierigen Genehmigungsverfahren. Je nach Veränderungsgrad muss eine überarbeitete Maschine nicht neu zertifiziert werden. Ein neuer Sensor zum Beispiel muss nicht extra zugelassen werden; eine vierte Achse für eine Fräsmaschine aber schon.

Um die Vorteile und Perspektiven einer Industrie 4.0-
Umgebung nutzen zu können, ist als erster Schritt die Erstellung eines virtuellen Zwillings sinnvoll. Dieses digitale Modell dokumentiert die Funktionsweise und Infrastruktur rund um die Maschine. So kann festgestellt werden, in welchen Bereichen ein Upgrade überhaupt sinnvoll ist. Nicht immer macht eine umfassende Digitalisierung Sinn. Wenn man die Schwächen einer Maschine kennt, reicht es häufig, genau diese gezielt zu überwachen. Die dabei ermittelten Sensorwerte werden mithilfe eines sogenannten IoT-Gateways ausgelesen. Im Regelfall bleibt die sensible SPS-Steuerung der Anlage davon unberührt. Über das firmeneigene Netzwerk werden die Daten via Funk oder Kabel an die übergeordnete Softwareebene übermittelt. Hier werden sie analysiert und gegebenenfalls mit anderen Produktionsdaten kombiniert. Die Datenvisualisierung erfolgt meist über ein Dashboard, das auch die SPS-Daten anzeigt. Liegen die Daten der gesamten Produktionsumgebung vor, können damit Kennzahlen berechnet und Prognosen aufgestellt werden.

Altes Eisen mit neuer Perspektive

Eine konsistente Abbildung der Fertigung im ERP-System unterstützt zum Beispiel eine präzise Kapazitätsplanung sowie Predictive Maintenance-Konzepte. Auch die Instandhaltung gewinnt: Statt die Maschine selbst inspizieren zu müssen, bekommt der Mechaniker eine Meldung auf sein Smartphone, auf die er zeitnah mit vorher festgelegten Maßnahmen reagieren kann.

Darüber hinaus kann das MES-System durch die Identifikation abweichender Prozesswerte die Qualität der gefertigten Produkte steigern und die Produktion fehlerhafter Teile nachhaltig reduzieren.

Maschinen und Prozesse

Entscheidend für den Erfolg eines digitalen Retrofittings ist, dass parallel die Prozesse und Abläufe im Betrieb in das digitale Zeitalter überführt werden. Die erhobenen Daten müssen verarbeitet und in die bereits bestehende Produktionsplanung, -steuerung und -optimierung einfließen. Das erfordert häufig ein Upgrading auch der verwendeten Software, namentlich die IoT-Plattform und/oder das MES-System. Darüber hinaus müssen auch die Mitarbeiter eingebunden werden – sprich informiert und geschult werden. Aber auch hier wirkt Retrofitting positiv: Die anstehenden Veränderungen betreffen schließlich „nur“ die Software, die bereits bekannten Maschinen bleiben erhalten. Wegen der Bedeutung für die Zukunftssicherheit des Wirtschaftsstandortes Deutschland hat sich inzwischen ein mit Geldern des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördertes Konsortium gebildet: „RetroNet“ ist ein Zusammenschluss mehrerer Anwendungs-, Technologie- und Forschungspartner. Dazu zählen unter anderem Bosch Rexroth, KleRo Roboterautomation und Finow sowie F&E-Partner wie das Fraunhofer IPK und die Universität Stuttgart. Ziel des konzertierten Forschungsvorhabens ist die Entwicklung von Methoden und Verfahren für das Upgrading vorhandener Maschinen für eine Industrie 4.0-Zukunft.

Darüber hinaus beraten regionale Mittelstandszentren in Sachen Retrofit und die infrage kommenden Subventionen für industrielle Digitalisierung.

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