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RFID und Sensorik: Gemeinsam sind sie stark

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RFID und Sensorik: Gemeinsam sind sie stark

Dass die Logistik eines Tages vorwiegend über Transponder gesteuert wird, scheint ausgemachte Sache. Doch die Integration von Sensoren eröffnet den RFID-Chips noch ganz andere Märkte.

Man kann den Eindruck gewinnen, RFID sei vor allem dazu gut, in Supermärkten Kassiererinnen zu ersetzen oder, höhere Seinsstufe, Paletten ohne Scanvorgang durchs Lager zu schleusen. Mancher redet vom „Internet der Dinge“, weil die Technik eine dezentrale Steuerung des Materialflusses ermöglicht.

Doch die Möglichkeiten der Transponder sind sehr viel vielfältiger: Die drahtlose Technik lässt sich auch zum Überwachen zahlreicher physikalischer Zustandsgrößen während des Transports oder in der Fertigung nutzen. Möglich macht das die – allerdings noch in den Anfängen befindliche – Integration von Sensorik und Informationstechnologie.
Beispiel Temperaturüberwachung: Lebensmittel, Blumen, hochwertige Elektronikbauteile oder Kunstgegenstände müssen eine Kühlkette einhalten. Herkömmliche Aufzeichnungssysteme lassen sich leicht überlisten oder unterbrechen, ohne dass der Schwindel sichtbar wird. „Mit RFID lässt sich eine sehr hohe Sicherheit gegen solche Manipulationen erreichen“, sagt Reinhard Jurisch, Geschäftsführer der Microsensys GmbH. Die Erfurter produzieren Sensorik-Transponder, speziell für die Messgröße Temperatur, in fast beliebiger Bauform – als Chipkarte, Stäbchen, Münze oder „Briefmarke“ – und in aktiver sowie in passiver Ausführung.
Die Sensoren in den Passiv-Transpondern erhalten ihre Energie über die RFID-Schnittstelle, messen, speichern und kommunizieren nur, wenn sie sich gerade im Hochfrequenz-Feld befinden. Die Sensoren in den aktiven Transpondern dagegen sind mit einer Batterie ausgestattet, so dass sie permanent messen und aufzeichnen können. Die RFID-Schnittstelle ist trotzdem passiv ausgelegt; so kann der Transponder auch dann ausgelesen werden, wenn die Batterie leer ist. Alle Bauteile – inklusive der Batterie – werden so vergossen und gekapselt, dass sie kaum zerstört werden können, wie Jurisch meint. „Damit läuft die Aufzeichnung erbarmungslos, die Daten sind nicht manipulierbar.“ Vor allem, wenn Produkte sehr lange Strecken zurücklegen, an mehreren Stationen umgepackt werden müssen, bietet sich die Datenübertragung ohne elektrische Kontakte an.
Eine Testreihe mit Funkchips führt der Logistik-Dienstleister Fedex in diesen Wochen in Zusammenarbeit mit Boeing an Fracht-Flugzeugen durch. Diese wurde mit 50 aktiven, äußerst hitze- und kältebeständigen UHF-Transpondern bestückt (UHF = Ultrahochfrequenz). Über Temperatursensoren an den RFID-Tags lässt sich beispielsweise der Zustand verderblicher Ware an Bord überprüfen. Zudem kann Fedex den Transportprozess mit Hilfe der neuen Technologie bedeutend besser überwachen.
Neben Lebensmitteln, Pharmaprodukten, Blutkonserven oder Medikamenten nennt Microsensys-Chef Jurisch medizintechnische sowie hochempfindliche Elektronikgeräte als mögliche Anwendungen für derartige Chips. „Das sind zwar keine Massenmärkte“, schränkt er ein, „aber wenn die Geräte einige Zehn- oder gar Hunderttausend Euro kosten, kann man zum Schutz schon einigen Aufwand betreiben!“
Bei vielen Produkten kann es ferner interessant sein, neben der Temperatur auch Erschütterungen zu messen. Auch die lassen sich mit RFID-Sensoren nachweisen, wenngleich dazu etwas mehr Aufwand nötig ist. Denn die Produkt-Temperatur braucht man nur etwa alle 15 min aktiv zu messen; sie ändert sich nicht minütlich. Eine Erschütterung dagegen kann in jeder Sekunde auftreten. „Dafür eine komplette Bewegungsfunktion aufzuzeichnen, wäre energetisch viel zu aufwendig“, erklärt Reinhard Jurisch. „Stattdessen legen wir eine stromarme Schaltung, die auf ein Limit der Beschleunigung reagiert – und dieses Event wird dann mit dem Zeitpunkt gespeichert.“
Weitere Messgrößen, die Microsensys derzeit in Projekten bearbeitet, sind Druck, Dehnung oder Feuchtigkeit. „Fast alle Druck-Messsysteme der letzten Jahre sind als herkömmliche Funklösungen ausgelegt“, hat Jurisch beobachtet. „Die laufen über Batterie, die genau so lange halten muss wie der Reifen.“ Sie ist das kritische Bauteil, von der Lebensdauer her, von ihrer Baugröße und, möglicherweise, von der Umgebung her.
Eleganter ginge es mit einer passiven RFID-Lösung: „Chip plus Antenne lägen preislich auf jeden Fall unter der Lösung Funk plus Batterie“, meint Jurisch. Die RFID-Chips funktionieren nach seiner Aussage bei –70 °C bis +150 °C problemlos. Abnehmer könnten Zulieferer der Automobilindustrie sein: Auf dem US-Markt vulkanisiert beispielsweise Michelin zur besseren Rückverfolgung und logistischen Abwicklung bereits RFID-Chips in Reifen; die Aufrüstung mit Sensorik wäre nur noch ein kleiner Schritt.
Während Microsensys mit elektrischen Messverfahren arbeitet, hat sich die österreichische CTR Carinthian Tech Research AG, Villach, auf oberflächenwellenbasierte Sensorsysteme verlegt: Ihre RFID-Tags arbeiten mit Kristallen, deren Oberflächenwellen beispielsweise auf Temperatur- oder Druckschwankungen reagieren. Da sich mit der Temperatur auch die Wellengeschwindigkeit des Kristalls und damit die Zeitspanne verändert, in der der Strahl zurückgeworfen wird, lässt sich aus dieser Verzögerung die Temperatur erschließen (Details zur Technik im Kasten). Die Sensoren arbeiten nur, wenn sie über ein Funksignal auf einer bestimmten Frequenz angeregt werden. Daher sind geschlossene Kühlketten wie bei der Microsensys-Lösung nicht möglich.
Was die SAW-RFID-Chips (SAW = Surface Acoustic Wave) für viele industrielle Anwendungen interessant macht, ist ihre extreme Temperaturbeständigkeit. Das jedenfalls meint Alfred Binder, der SAW-Sensorik-Leiter bei CTR. So können Motorenbauer die Temperaturen von Rotoren in unterschiedlichen Betriebszuständen kabellos überwachen, ebenso Kupplungen, Wellen oder andere Elemente. „Ein Hersteller möchte den Schaltvorgang im Getriebe überwachen“, führt Binder ein Beispiel an. „Beim Einkuppeln entsteht eine hohe Reibenergie; die Kontrolle wäre als Laboranwendung ebenso denkbar wie in der Serie.“
In der Pilotphase läuft eine Anwendung zur berührungslosen Temperaturmessung in Mikrowellen-Durchlauföfen, in denen Kunststoffprodukte aushärten. „Die Polymerisation lässt sich über die Mikrowellenleistung nur schlecht steuern“, erklärt Alfred Binder. „Deshalb muss man den Temperaturverlauf am Produkt selbst verfolgen und dann eventuell die Transportgeschwindigkeit des Förderbands nachregeln.“ Kabelgebunde Lösungen sind hier nicht anwendbar.
Die Hitzebeständigkeit hat auch Anfragen aus der Stahlverarbeitung gebracht. Da die Gehäuse der Sensoren vielen hundert Grad Celsius standhalten, denkt ein Hersteller daran, seine geschnittenen Brammen im heißen Zustand zu taggen. Die Chips könnten über eine dahinter liegende Datenbank Informationen über das Material und ihren Empfänger geben; hohe Kosten durch Fehllieferungen ließen sich vermeiden.
Thomas Preuß Fachjournalist in Stuttgart
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 4
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4.2024
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