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Saubere Luft steigert Leistung des Personals

Lüftungstechnik: Schlecht gewartete Anlagen machen Mitarbeiter krank
Saubere Luft steigert Leistung des Personals

In Klima- und Lüftungsanlagen können Pilze und Bakterien wie die gefährlichen Legionellen gedeihen. Die VDI-Richtlinie 6022 schreibt die Art der Instandhaltung deshalb verbindlich vor. Wer sie als Betreiber missachtet, haftet für die Gesundheitsschäden der Mitarbeiter.

Sven Hardt ist freier Journalist in Neuenhagen bei Berlin

Unzureichende Raumluftqualität führt zu Müdigkeit und Konzentrationsschwäche. Zu viel oder zu wenig Kohlendioxid, Kohlenmonoxid, Sauerstoff oder Ozon macht den Mitarbeitern zu schaffen. In Produktionsbereichen verschärfen Emissionen der Betriebsmedien und Werkstoffe das Problem.
Raumlufttechnische RLT-Anlagen in Produktionsbereichen arbeiten oft im Umluftbetrieb. Um Energie zu sparen, nutzen sie die Abwärme der Maschinen. Eigentlich eine gute Idee. „Doch gerade bei Lüftungsanlagen in der Industrie sind die Filter oft mangelhaft“, weiß Dr. Stefan Burhenne, Geschäftsführer der Lukas GmbH in Stromberg, die sich auf die Reinigung von RLT-Anlagen spezialisiert hat. Die Folge: Der mit Schadstoffen belastete Schmutz wird in die Produktionsräume zurückgeblasen, die Mitarbeiter klagen über Beschwerden wie Augenreizungen oder Kopfschmerzen. Typisch ist auch das sogenannte Montagsfieber: Wenn die Lüftungsanlage am Wochenende nicht läuft, können sich Keime ungestört vermehren. Montags gelangen sie in die Raumluft und lösen bei den Mitarbeitern Abwehrreaktionen aus. Am gefährlichsten sind jedoch lebende Erreger und die von ihnen verursachten Infektionen. Allen voran die Legionellen. Die lebensbedrohlichen Bakterien können sich in Anlagen vermehren, die mit Befeuchter arbeiten. Einziges Gegenmittel: Regelmäßige Reinigung und Wartung. „Ich warne aber ausdrücklich vor einer chemischen Desinfektion“, sagt Dr. med. Wolfgang Bischof, Privatdozent am Klinikum der Friedrich-Schiller-Universität Jena. „Damit treiben Sie den Teufel mit dem Beelzebub aus, weil in der Folge chemische Schadstoffe in die Raumluft gelangen.“
Nur eine ausreichend dimensionierte, technisch und hygienisch einwandfreie Lüftung garantiert, dass die maximale Arbeitsplatz-Konzentration (MAK) eingehalten wird. Die MAK-Werte sind in der Bundesimmissionsschutzverordnung (BIMSchV) verbindlich festgelegt, die technischen Anforderungen an die RLT-Anlagen waren es lange Zeit nicht. Diese Lücke hat die VDI-Richtlinie 6022 geschlossen. Sie regelt seit 1998 die hygienische Planung, die Installation, den Betrieb und die Instandhaltung von Lüftungsanlagen, seit letztem Jahr auch für Produktionsbereiche. „Die VDI 6022 versucht, alle Probleme der künstlichen Raumbelüftung zu regeln“, erklärt Dr. Achim Keune, Leiter des Ressorts Lifecycle und Hygienemanagement bei der Siemens Gebäudemanagement Services GmbH & Co. oHG, Hamburg. Die Richtlinie entstand unter seiner Leitung. „Von der Planung über die Entscheidung des Bauherren, die billigste – oft qualitativ minderwertige – Anlage zu installieren, bis hin zur Instandhaltung werden Fehler gemacht, die sich bei Einhaltung der Richtlinie vermeiden lassen“, ist Keune überzeugt. Vor der VDI 6022 gab es keine Formulierung des anerkannten Standes der Technik. „Jeder Betreiber konnte sich mit dem Hinweis auf fehlende Vorschriften rausreden“, ärgert sich der Wahl-Hamburger. Der Ingenieur berichtet von Anlagen, deren „Luftfilter einfach entfernt werden, wenn sie sich zusetzen und der Durchsatz zu gering ist“.
Führen solche Fahrlässigkeiten zu Gesundheitsschäden, haftet der Betreiber. VDI-Richtlinien sind De-facto-Gesetze, weil Aufsichtsämter und Gerichte sie als Entscheidungsgrundlage heranziehen. In Berlin und Nordrhein-Westfalen haben die Prüfer der Gewerbeaufsicht die Lüftungsanlagen seit Jahren im Visier. Ihre Kollegen aus Baden-Württemberg haben im Jahr 2000 erstmals eine groß angelegte Prüfung durchgeführt. Die Beamten bekamen eine Checkliste an die Hand und wurden in ausgewählte Betriebe geschickt. Dabei prüften sie nicht nur die technischen Komponenten, sie kontrollierten auch, ob die Firmen nach VDI 6022 geschultes Personal für die Wartung einsetzen. Die häufigsten Mängel traten bei Luftleitungen, -filtern und -befeuchtern auf. Aber auch Kühler, Rückkühlwerke, Lamellen und Wärmeaustauscher sowie Schalldämpferkulissen standen auf der Fehlerliste. Eben alle Bereiche, in denen sich Feuchtigkeit ansammelt.
Nun könnte vielen Betreibern Ungemach ins Haus stehen, weil ihre Lüftungsanlagen den hygienischen Anforderungen nicht mehr standhalten. Kein Wunder, denn bis 1998 haben sich auch die Anlagenbauer wenig um Hygiene geschert. „Ein Hersteller hat Luftfilter eingebaut, die mit Wasser benetzt werden“, plaudert Keune aus dem Nähkästchen. „Das hat zwar den Wirkungsgrad des Befeuchters erhöht, das hygienische Risiko aber drastisch erhöht.“
„Wieder ein neuer Kostenfaktor“, wird nun so mancher Unternehmer stöhnen. Claus Händel, technischer Referent beim Fachinstitut Gebäude-Klima (FGK), Bietigheim-Bissingen, kontert: „Nutzer, die gesund sind und sich wohl fühlen, bringen eine deutlich bessere Arbeitsleistung und verursachen für Betrieb und Sozialpartner weniger Kosten.“ Unzulängliches Raumklima und mangelhafte Raumhygiene führten jedes Jahr zu Arbeitsausfallkosten in Höhe von 35 Euro/m2 Gebäudefläche. Laut Händel würde ein Bruchteil dessen genügen, um die Hygiene der Lüftungsanlage sicherzustellen und damit die Arbeitsleistungen zu verbessern. Achim Keune von Siemens relativiert, viele Probleme seien auf Architektur und Bauweise zurückzuführen: „Man muss in jedem Fall prüfen, ob die Anlage wirtschaftlich umzubauen ist.“ Es sei absurd, ein Gebäude deshalb abzureißen. Die Alternative besteht dann in aller Regel darin, die Anlagen öfter zu prüfen und zu reinigen.
Erst wenn die produzierte Ware verschmutze und die Qualität leide, wachen viele Unternehmer auf, meint Reinigungsprofi Burhenne. Der Lukas-Chef sieht im Kostenstellendenken ein wesentliches Hemmnis für mehr Hygiene: „Die Einsparungen werden komplett der Personalabteilung gut geschrieben. Ein Teil müsste jedoch zurück in die Instandhaltung fließen. Hier sollte die Geschäftsleitung vermitteln. Je länger sie zögert, um so größer der Schaden.“
Industrieanzeiger
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