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Schach den Produktpiraten

Plagiate: Technologien gegen Markenfälschungen
Schach den Produktpiraten

Durch Techniken, die Merkmale auf Produkten und Verpackungen hinterlassen oder erkennen, lassen sich Originale von Fälschungen unterscheiden. Forscher arbeiten bereits an „gentelligenten“ Bauteilen, die Informationen über sich selbst verraten.

Es ist eigentlich ganz einfach: Jemand bringt ein neues Produkt auf den Markt. Das kann ein Anderer gebrauchen. Allerdings findet er es zu teuer. Daher fährt er damit nach China und lässt es nachbauen. Das geschieht dann zu einem Viertel der Kosten. Ähnliche Entwicklungen wie in dieser vereinfachten Darstellung zeichnen sich auch im Maschinen– und Anlagenbau ab. Statt jahrelange Entwicklungsphasen der Industrienationen noch einmal selbst zu durchleben, bedienen sich Boom-Regionen oft an Produkten, Plänen und Fotos. Was gut ist, verliert kopiert kaum an Nutzen, lautet die Devise. Insbesondere auf diese Art hat sich China nach Angaben der IG Metall hinter Japan und Deutschland schnell auf Platz drei im Werkzeugmaschinenbau vorgearbeitet.

Dass das Fälschen von Industrieprodukten die deutsche Wirtschaft schädigt, Arbeitsplätze vernichtet und eine Gefahr für Leib und Leben darstellt, belegen auch die Zahlen. Der Fachverband Werkzeugindustrie geht davon aus, dass rund 3500 Arbeitsunfälle pro Jahr in Deutschland allein im gewerblichen Bereich auf Plagiate zurückzuführen sind. „Viele der Unternehmen haben es versäumt, Schutzrechte oder Patente anzumelden“, davon geht Doris Möller, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Aktionskreis deutsche Wirtschaft gegen Produkt- und Markenpiraterie e.V. (APM). Mit Bescheinigungen, auf denen lediglich der EU-Stempel prangt, können betroffene Konzerne juristisch nicht zum Zuge kommen“, zitiert Doris Möller eine Studie des APM, in der 650 Unternehmen befragt wurden.
„Recht haben ist der eine, Recht bekommen ist der nächste Schritt“, sagt Prof. Nicolas Sokianos. Der Leiter des Studiengangs Master Produktionssysteme an der FTH Berlin verweist darauf, dass bei Gerichtsverfahren gegen Plagiatoren der Verhandlungsort entscheidend ist. Während Richter in Shanghai oder Peking meist gut ausgebildet seien und unabhängig entschieden, sehe es in den westlichen Provinzen häufig finster aus. Die Gerichte seien inkompetent, korrupt oder beides. Gleichwohl haben nach Angaben des APM 48 % der betroffenen Firmen bis heute keine Schutzrechte eintragen lassen, bei den noch nicht betroffenen waren es sogar 79 %.
Besonders prekär sind Fälle der Produkthaftung. Der Originalhersteller ist in der Beweislast. Er muss nachweisen, dass ein Unfall, Brand oder sonstiger Schaden nicht durch sein Originalprodukt, sondern durch eine Fälschung entstanden ist. Oder die gefälschten Produkte finden und vernichten, wie in der spektakulären Aktion der SKF und FAG. „Rund 40 Tonnen gefälschte Wälzlager im Nominalwert von etwa acht Millionen Euro haben wir auf dem Gelände des FAG-Werkes in Schweinfurt zerstört“, schildert die Juristin Ingrid Bichelmeir-Böhn. Nach der Einschätzung der Piratenjägerin der Schaeffler-Gruppe ist der Kampf nur dann Erfolg versprechend, wenn man permanent am Ball bleibt: Ein erster Ansatzpunkt ist die enge Zusammenarbeit mit den Behörden entlang der Vertriebswege. Ein weiterer Ansatz ergibt sich durch den Einsatz von Sicherheitstechniken, wie Hologrammen, Barcodes, Transpondern, Gencodes oder Holospots.
Ausgezeichnet mit dem diesjährigen Hermes-Award ist das laserbasierte Verfahren ProteXXion der Bayer-Technology-Services. Die Technologie ist für alle nicht reflektierenden Oberflächen wie Papier, Pappe, Kartonagen, Kunststoff und zahlreiche Metalle geeignet. Die Produkte werden automatisch direkt in der Produktion erfasst und können jederzeit in der nach gelagerten Supply Chain durch den Einsatz mobiler Lesegeräte eindeutig verifiziert werden. Hierzu wird die so genannte „Laser-Surface-Authentication“-Technologie (LSA) genutzt. Diese kann den individuellen Fingerabdruck eines Gegenstandes, also dessen natürliche Oberflächenstruktur, registrieren und wieder erkennen. Ein spezielles Abtastverfahren, das auf dem „Laser-Speckle-Phänomen“ beruht, erfasst dabei die mikroskopische Oberflächenstruktur. Die vom Scanner erfassten Oberflächenmerkmale sind einzigartig – wie ein Fingerabdruck oder eine DNS-Sequenz. Auch eine moderate Abnutzung oder Veränderung der Objekte beeinträchtigt das Erkennen nicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Objekte den gleichen “Fingerprint“ aufweisen, ist äußerst unwahrscheinlich. Das vom Scanner aufgezeichnete Signal enthält dadurch eindeutige Informationen über die Identität des Gegenstandes. Die Oberflächenmerkmale können aufgrund ihrer komplexen Struktur nicht künstlich erzeugt werden.
Die Fälschungsschutzmethode der Mannheimer S2i-Technolgies iG für Kfz-Ersatzteile basiert auf den Verfahren Rasterdruckdatenspeicher, Papierfingerabdruck und Kryptografie. In einem ersten Schritt wird dabei der Standardbarcode vor dem Druck mit einem unsichtbaren Druckraster zur Datenspeicherung überzogen. Im nächsten Schritt wird der Fingerabdruck gemessen und auf einem zusätzlichen Matrixcode auf dem Produkt oder in einer Datenbank gespeichert. Durch einen Scan oder eine digitale Fotografie kann nun die Echtheit überprüft werden. Der Vorteil des Verfahrens soll nach Aussagen von Dr. Mario T. Cameron der höhere Schutz bei deutlich niedrigeren Kosten sein. Jeder Teilnehmer in der Wertschöpfungskette kann so die Echtheit prüfen oder im Matrixcode zusätzliche Informationen speichern.
Mit dem Tesa Holospot bietet die Hamburger Tesa Scribos GmbH eine kleine Lösung zum Fälschungsschutz und Produktverfolgung. Offene und verdeckte Sicherheitsmerkmale und fälschungssichere Informationen können direkt am Produkt auf bis zu vier voneinander unabhängigen Informationsschichten untergebracht werden. Die Laser Label Technologie dagegen wird insbesondere als fälschungssicheres Etikett für die Fahrzeugkennzeichnung in der Automobilindustrie eingesetzt.
„Noch vor einiger Zeit galten Hologramme als Mittel der Wahl um Markenprodukte zu schützen. Doch selbst ein gutes Hologramm hat heute eine Halbwertszeit von nur noch sieben Tagen, dann ist es erfolgreich gefälscht“, betont Jörg Biermann, Manager 3M Security Market Center in Neuss. Besser soll es den Anwendern mit den DOVID (Diffractive Optically Variable Image Device) genannten Prägehologrammen gehen. Dabei wird die Darstellung von Reliefstrukturen mit einem besonderen Algorithmus per Computer berechnet. Im Ergebnis wird eingestrahltes Licht in eine oder mehrere gewünschte Richtungen gebeugt. Nachmachen lassen sich diese Folien schwerlich, weil sie aus bis zu 400 Einzelschichten bestehen.
„Wenn Pleuelstangen, Kurbelwellen oder Zahnräder intelligent werden, dann wissen sie auch, wer sie wo produziert hat, woraus sie bestehen und wie stark sie verschlissen sind. Dann verraten sie es auch, wenn die Werkstatt keine Originalteile eingebaut hat“, erläutert Prof. Berend Denkena, Direktor des Instituts für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen (IFW). Diese Zukunftsvision soll im Rahmen des Sonderforschungsbereichs (SFB) 653 Gentelligente Bauteile, der Leibniz Universität Hannover bald Wirklichkeit werden. Da die Informationsmuster mit Hilfe hoch spezialisierter Technologien in die Bauteile eingebracht werden, lassen sie sich nachträglich nicht manipulieren und dienen so auch dem Plagiatschutz. „Wir arbeiten mit Hochdruck an unterschiedlichen Verfahren, die Daten zu speichern und auszulesen, um diese Möglichkeiten bald industriell nutzbar zu machen. Das Prinzip der Gentelligenz wird die maschinelle Evolution rasant beschleunigen“, so IFW-Direktor Berend Denkena. So gesehen spricht vieles dafür, dass der Ideenklau auch Entwicklungen befruchtet.
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