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Schadstoffsanierung: Planungsbüros helfen bei Risikoabwägung Altlasten verteuern Baukosten oft enorm

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Schadstoffsanierung: Planungsbüros helfen bei Risikoabwägung Altlasten verteuern Baukosten oft enorm

Vorgeschriebene Altlastensanierungen können Bauvorhaben stark verteuern. Um so wichtiger ist eine Begutachtung von Böden und Gebäuden vor Investitionsentscheidungen.

Sven Hardt ist freier Journalist in Berlin

Alte Industriegebäude haben ihre Reize. Sie liegen oft in Städten und vermitteln den Charme einer vergangenen Industriekultur. Doch ehemalige Fabriken sind selten frei von Schadstoffen.
Von diesem Umstand lebt das Büro für Umweltplanung (BfU) in Berlin, das auf Altlastensanierung spezialisiert ist. „Wir befassen uns seit 1994 mit Schadstoffen in Böden, im Grundwasser und in Gebäuden“, sagt Winfried Rück, Inhaber des BfU. Zu den Leistungen der Berliner gehören Gutachten, Sanierungsplanung und Bauüberwachung. Zunehmend schärfere Gesetze bringen immer weitreichendere Pflichten für die Bauherren, ob Bodenschutzgesetz, Altlastenverordung oder Wasserwirtschaftsgesetz. Eigentümer von Immobilien sind verpflichtet, Gefahren für Mensch und Natur zu unterbinden. Bei Missachtung drohen hohe Strafen. Oft hat der aktuelle Besitzer die Kontamination nicht selbst zu verantworten. Er muss dennoch die Sanierung bezahlen, wenn der Verursacher nicht mehr zu finden ist.
„Typisch sind zum Beispiel die Probleme im Bereich alter Tanklager“, berichtet Rück. „Hier findet man fast immer Kraftstoffe oder Heizöl im Boden.“ Bei Fabriken, die mit Teeröl gearbeitet haben, ist das Erdreich oft mit polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) verseucht. Charakteristisch sind auch Belastungen mit Schwermetallen. Innerstädtische Grundstücke sind oft als Folge von Kriegsschutt belastet.
Lange wurde die Gefahr, die von polychlorierten Biphenylen (PCB) ausgeht, unterschätzt. PCB ist ein Isoliermittel für Transformatoren. Weil es dauerhaft elastisch ist und nicht brennt, wurde PCB aber auch in kleinen Kondensatoren für Lampen eingesetzt, sowie in Brandschutzanstrichen oder zur Dichtung von Gebäudefugen. PCB gast nur sehr langsam aus, manchmal im Verlauf von Jahrzehnten, und reichert sich an – etwa im Hausstaub, auf Kunststoffen, oder auch im menschlichen Organismus, der auf diese Art schleichend geschädigt wird.
„Trotz aller Risiken muss die Verhältnismäßigkeit und Wirtschaftlichkeit einer Maßnahme immer gewahrt bleiben“, sagt Diplom-Geologe Rück. „Es gibt in solchen Fällen fast immer Interessenunterschiede zwischen Kommune, Nachbarn und Eigentümer. Wir vertreten klar die Interessen unserer Auftraggeber, und das sind oft die Eigentümer.“
Ist vor allem der Boden und weniger das Grundwasser belastet, bleibt das Problem wenigstens örtlich begrenzt. Das Erdreich wird in diesem Fall entweder ersetzt oder räumlich getrennt, etwa durch einen Kasten, der in die Tiefe gebaut wird und die Schadstoffe isoliert. Diese Variante ist meist preiswerter, funktioniert aber nur, wenn kein weiterer Tiefbau geplant ist, etwa für einen Keller oder Leitungen. Auch eine Überbauung gesicherter Altlasten ist nicht immer möglich. Rück verdeutlicht das Prinzip der Verhältnismäßigkeit an einer aktuellen Altlast, die 7 bis 8 m in die Tiefe reicht. Die Sanierer haben einen 15 m tiefen Kasten gebaut, der eine seitliche Ausbreitung verhindert. Einen Boden bekommt er jedoch nicht. Das wäre zu teuer. Der Schadstofftransport in 15 m Tiefe ist so gering, dass er die Umgebung nicht mehr beeinträchtigt. Aber auch die Sparvariante ist nicht billig: Verseuchtes Erdreich unter einer Fläche von 400 m2 vertikal abzudichten, kostet rund 1 Mio. Euro.
Der Bauherr ist allein verantwortlich
Die Kosten für einen Bodenaustausch hängen vom Grad der Schadstoffbelastung ab. Schwach bis mittel belastete Böden können mikrobiologisch für 20 bis 30 Euro pro Tonne oder chemisch-physikalisch für 40 bis 50 Euro gereinigt werden. Stark belastete Böden werden thermisch behandelt. Der Preis dafür liegt bei 100 bis 400 Euro pro Tonne. Zur Entsorgung kommen die Kosten für den Aushub, die weit über jenen einer normalen Baugrube liegen – eine Folge der strengen Anforderungen der Bauberufsgenossenschaft an die Arbeitssicherheit in kontaminierten Bereichen. Für die Einhaltung der Vorschriften ist allein der Bauherr verantwortlich. Die Baustelle muss eingezäunt sein und der Zugang darf nur über Personenschleusen erfolgen. Fahrzeuge müssen vor der Ausfahrt durch eine Radwaschanlage. Arbeiter müssen Schutzanzüge tragen und dürfen nicht länger als zwei Stunden am Stück arbeiten. Solche Faktoren treiben die Kosten enorm in die Höhe.
Auf dem stark verseuchten Gelände einer ehemaligen Glasfabrik in Berlin ließ das BfU auf einer Fläche von 20 m x 30 m den Boden bis zu sechs Meter tief ausheben. Allein der Aushub hat rund 1 Mio. Euro gekostet, die Entsorgung nochmal den gleichen Betrag. Doch die schöne Lage am Wasser nahe des Berliner Zentrums rechtfertigt diese Summe für den Investor auch unter wirtschaftlichen Aspekten.
Typische Gebäudealtlasten: Stoffe, die besonders gefährlich sind
Asbest
Asbest ist seit rund 20 Jahren als krebserregend bekannt. Sanierungsvorschriften und -techniken sind streng und ausgefeilt. Besonders gefährlich ist schwach gebundener Asbest. Jedes verdächtige Gebäude wird nach einem Punktekatalog bewertet und ist bei Überschreiten einer bestimmten Punktezahl unverzüglich zu sanieren. Die Kosten dafür schwanken stark, je nach verbauten Asbestprodukten und baulicher Situation. Bei mittelgroßen Industriegebäuden können sechs- bis siebenstellige Eurobeträge fällig werden.
Künstliche Mineralfasern
Erst seit kurzem ist bekannt, dass die meisten künstlichen Mineralfasern krebserregend sind. Das gilt für Steinwollen, Glaswollen und Keramikwollen, die bis Ende der achtziger Jahre produziert wurden. Viele Baufirmen sind über die neuen Sanierungsvorschriften noch nicht im Bilde. Andere nutzen die Unkenntnis der Bauherren zu kräftigen Nachtragsangeboten. Abgeschottete Arbeitsbereiche, Fremdlüftung, Zugangsschleusen, Arbeitszeitregelungen sowie die Entsorgung als Sondermüll treiben die Kosten.
PCB (polychlorierte Biphenyle)
PCB ist als dauerhaft stabiler Weichmacher in sehr vielen Gebäudefugen enthalten. Es reichert sich auf sogenannten Sekundärquellen und im menschlichen Organismus über Jahre an. Die Fugen werden durch Schneiden, Schaben oder Sägen mit speziellen Maschinen entfernt. Sind Sekundärquellen wie Putz oder Bodenbeläge belastet, müssen sie ebenfalls komplett entfernt werden.
Holzschutzmittel
In Holzschutzmitteln wurden stark gesundheitsschädigende Chemikalien verarbeitet. Die Schadstoffe gasen aus und reichern sich in Sekundärquellen an. Die Dekontaminierung erfolgt durch Entstauben, Abschleifen, Abhobeln, Beschichten oder räumliches Trennen.
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