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Sohn des Sonnengottes schwebt durch die Halle

Demag setzt Phaeton ergonomisch in Position
Sohn des Sonnengottes schwebt durch die Halle

In der Gläsernen Manufaktur von Volkswagen bringen Hebezeuge und Antriebe die Karossen des Phaeton in die optimalen Montagepositionen: Sie heben, senken, drehen oder schwenken die Karossen in eine für den Mitarbeiter ergonomisch günstige Lage. Damit erfüllen sie die hohen Ansprüche des Betreibers an eine exakte Positionierung.

Johannes Dries ist Leiter des Referats Unternehmenskommunikation der Demag Cranes & Components in Wetter

Ergonomisch günstig sollte die Montage vor allem sein in der Gläsernen Manufaktur in Dresden, in der die Volkswagen AG den Oberklasse-Wagen Phaeton fertigt. Diese Forderung war bei der Konzeption aller Transport- und Handhabungssysteme zu berücksichtigen: Die Ergonomie soll die Mitarbeiter vor schwerer körperlicher Belastung bewahren und dazu beitragen, die Qualität der Fahrzeuge zu verbessern; denn in einer bequemen Haltung lässt es sich sicherer und genauer montieren. Wie man ergonomisch arbeiten kann, zeigt das Beispiel des Loches im Kofferraumboden der Rohkarosse, das im weiteren Fertigungsablauf mit der Reserveradmulde geschlossen wird. Der Werker kann in der Öffnung stehen und die im Kofferraum anfallenden Arbeiten komfortabel erledigen – beispielsweise den bis zu 70 kg schweren Leitungsstrang einbringen.
Den Weg zur Ergonomie ebneten Komponenten der Demag Cranes & Components, Wetter/Ruhr. Das Unternehmen lieferte 178 Getriebemotoren mit integriertem Frequenzumrichter vom Typ Indrive, 58 Standard-Getriebemotore und 31 DH-Hubwerke mit Indrive. Die Komponenten führen alle erforderlichen Bewegungen der Karossen, die sich in den Montagegehängen der Elektrohängebahn (EHB) und auf den Hub- und Drehtischen der Montageplattformen befinden, nach Vorgaben des Leitrechners positionsgenau aus. In den EHB-Gehängen werden drei Achsen – zum Schwenken, Drehen, Heben und Senken – durch Getriebemotoren mit Indrive geregelt. Hier sind Stirnrad-, Winkel- und Flachgetriebe im Einsatz. Für die Teleskopeinrichtung nutzt VW außerdem modifizierte Hubwerke mit Positioniersteuerung.
Die Hub- und Drehtische sind mit je zwei Indrive-Getriebemotoren ausgerüstet. Ein Antrieb führt Hub- und Senkbewegungen, der andere Drehbewegungen aus. Auch in diesem Fall arbeiten die Antriebe positionsgeregelt. Die Ansteuerung erfolgt, wie bei den EHB-Gehängen, via Profibus. In jeder Montageplattform ist ein weiterer Frequenzumrichter eingebaut, über den die Steuerung die Fahrgeschwindigkeit der Plattformen regelt. Beim In-drive handelt es sich um eine Kombination aus Getriebebremsmotor und Frequenzumrichter, die ökonomischer ist als getrennte Systeme.
Gering ist der Installations- und Inbetriebnahmeaufwand in Verbindung mit Indrive; das System benötigt ausschließlich einen Netzanschluss und ein Datenkabel. Zudem werden die Leistungsteile der Umrichter nicht mehr in einem Schaltschrank, sondern in den Klemmenkästen der Motoren montiert. Diese Vorgehensweise zeichnet sich durch eine sehr gute Kühlung der betreffenden Baugruppen und kurze Leitungswege aus. In der erstmalig für VW ausgeführten Variante wurde der Indrive um eine absolute Positionsregelung erweitert. Hiermit ist es möglich, die Karossen zeitoptimiert und ruckfrei zu positionieren. Die ortsfeste Steuerung gibt die gewünschte Zielposition vor. Der Indrive führt daraufhin den Bewegungsablauf nach vorgegebenen Daten aus. Absolutwertgeber ermöglichen einen einfachen Start aus allen Karossenpositionen. Ein Referenzieren ist somit nicht erforderlich.
Die Gläserne Manufaktur erhält die Rohkarossen fertig lackiert aus dem VW-Werk Mosel. Der Transport erfolgt auf speziellen Lkw. Dabei stehen die Karossen staubdicht und unter klimatisierten Verhältnissen auf Skids. Der Heber einer automatischen Entladestation bringt die Rohkarossen in die obere Ebene der Manufaktur zur Einlagerung.
Nach dem Auslagern werden die Karossen in einer automatischen Übergabestation von den Skids getrennt, von einer doppelspurigen Eletrohängebahn zu einer der 29 Montageplattformen transportiert und auf deren Dreh- und Hubtisch abgesetzt. Die 7,0 m x 9,2 m großen und bis zu 12 t schweren Montageplattformen nennt VW auch Schuppen, weil ihre Form an Fischschuppen erinnert. Die Schuppen sind praktisch nahtlos im Parkett integriert, so dass von ihnen nur eine Bewegung im Hallenboden sichtbar ist. Insgesamt 58 Getriebemotoren stellen einen kontinuierlichen Bewegungsablauf der zwei Schuppenbänder sicher. Das Band läuft mit Geschwindigkeiten zwischen 0,3 und 3 m/s. Die Dreh- und Hubtische, die über einen Hub von 1,4 m verfügen, sind in den Boden der Schuppen eingelassen. Der Tisch hebt die Karosse automatisch in die ergonomisch richtige Montageposition und dreht sie, falls erforderlich, um bis zu 90° nach links oder rechts.
Der Schuppenmontage folgt die Hängemontage an der Elektrohängebahn. Die 31 Fahrzeuge der Anlage bewegen die bis zu 2,5 t wiegenden Karossen des Phaeton in die ergonomisch jeweils beste Position. Die EHB-Gehänge heben und senken mit einem vierstufigen Teleskop. Das Hubwerk mit Positioniersteuerung sorgt für einen einwandfreien Bewegungs- sowie Start- Stopp-Vorgang. Zudem schwenkt es die Karosse beidseitig um bis zu 60°. Überdies lässt sich das Gehänge nach links um 135° und nach rechts um 180° drehen. Auch innerhalb eines Taktes sind verschiedenste Positionen einstellbar, so dass der Werker immer in einer für ihn günstigen Position montieren kann.
Den fördertechnischen Höhepunkt auf dieser Ebene bildet die Hochzeit der Karosse mit dem Fahrwerk. Ein fahrerloses Transportsystem bringt die in der unteren Ebene der Gläsernen Manufaktur montierte, bis zu 4,5 m lange und rund 1,1 t schwere Fahrwerkskomponente über einen gläsernen Aufzug in die zweite Etage.
Den komplettierten Phaeton übergibt die Hängebahn an einen Etagenförderer, der ihn auf die mittlere Ebene der Manufaktur senkt und dort erneut auf ein Schuppenband setzt. Danach folgen das Finish, Qualitätskontrollen und eine Testfahrt.
Kunden können bei der Montage ihres Autos zusehen
In der Gläsernen Manufaktur realisierte die Volkswagen AG ein Konzept, das Prozesse der klassischen industriellen Automobilproduktion mit manufakturartigen Arbeiten verknüpft. Einmalig ist die Tatsache, dass Kunden jeden einzelnen Arbeitsschritt an ihrem neuen Fahrzeug begleiten können. Die Gläserne Manufaktur, die das Oberklasse-Fahrzeug Phaeton für die ganze Welt montieren wird, befindet sich in der Nähe des botanischen Gartens in Dresden. Der auf drei Ebenen verteilte Produktionsbereich ist durch schallisolierte Fenster komplett verglast. Im Zusammenspiel mit dem Parkettboden erzeugen die Glasflächen eine lichte und entspannte Atmosphäre.
Die Investition für das Bauwerk betrug 186,62 Mio. Euro. Bei Kapazitätsauslastung von 150 Phaeton pro Tag in drei Schichten werden bis zu 800 Mitarbeiter beschäftigt sein. Im Umfeld der Manufaktur entstehen laut Prognosen durch Zulieferer und Dienstleister bis zu 3000 weitere Arbeitsplätze. Parallel zur Manufaktur baute Volkswagen vor den Toren Dresdens ein Logistikzentrum. Von dort bringen zwei Güterzüge vorgefertigte Teile just in time zur Fabrik. Abgesehen von den Karossen, transportiert VW sämtliches Material auf dem öffentlichen Straßenbahnnetz der Stadt. Dies vermeidet zusätzlichen Lkw-Verkehr in der Innenstadt.
Industrieanzeiger
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