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Statt beliebiger Seminare steigern Teamprozesse das Kompetenzniveau

Strategische Personalentwicklung: Chance auch für mittelständische Unternehmen
Statt beliebiger Seminare steigern Teamprozesse das Kompetenzniveau

Strategische Personalentwicklung ist nicht auf Konzerne begrenzt. Mittelständler mit kurzen Entscheidungswegen können Veränderungsprozesse flink in Gang setzen. Personalmanager müssen jedoch gewisse Prinzipien beachten, damit ihr Funktionsbereich einen Wertschöpfungsbeitrag leisten kann.

Von unserem Redaktionsmitglied Dietmar Kieser dietmar.kieser@konradin.de,

Mit einer kürzlich durchgeführten Umfrage klopfte der Bielefelder Universitätsprofessor Dr. Wolfgang Wittwer im Rahmen einer Delphi-Studie das Kompetenzverständnis von Personalentwicklern ab. Danach orientieren sich jeder zweite der 19 Befragten an den individuellen Stärken der Mitarbeiter und 37 % an den Kernkompetenzen des Unternehmens.
Die individuelle Kompetenzförderung ist allerdings kein Selbstzweck. Sie wird vielmehr als Möglichkeit gesehen, die Stärken der Mitarbeiter für das Unternehmen zu nutzen. „Damit könnte dieses Steuerungsinstrument helfen, Unternehmensziele durchzusetzen und wäre bedeutsam für betriebliche Veränderungsprozesse“, weiß Wolfgang Wittwer um den Wert dieses Vorgehens.
Die Praxis sieht allerdings noch etwas anders aus: Personalverantwortliche organisieren viele Fachseminare, obwohl sie deren Nützlichkeit nicht hoch einschätzen. Obgleich die Personalchefs in Maßnahmen, die die Organisation verändern, prinzipiell einen hohen Nutzen sehen, würden sie diese nicht im entsprechenden Umfang realisieren, weiß Wittwer.
Zögerlich reift die Erkenntnis, dass Unternehmen mit Einzelmaßnahmen wie „reinen Seminarangeboten etwas machen, was gar nicht so sinnvoll ist und nur viel Geld kostet, aber nichts bringt,“ kritisiert der Bildungsexperte. „Durch diese Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit“, so Wittwer „lassen die Firmen – gegen ihr Interesse – einen wesentlichen Teil des Mitarbeiterpotenzials ungenutzt.“
Schützenhilfe erhält der Bielefelder Pädagoge von Seiten der Personalberater. Norbert Herrmann, der für BMW das HR-Management verantwortete und heute als Managing Partner der 4p Group aus Höslwang auch für Mittelständler tätig ist, sieht Personalchefs vor der zentralen Herausforderung, ihr Unternehmen in der strategischer Zielsetzung zu unterstützen. Hierfür müssten die Rahmenbedingungen der Personalarbeit die Kosten- und Leistungsziele der Firma messbar unterstützen, ein wirkungsvoller Führungs- und Mitarbeiterleistungsprozess mit Zielvereinbarung, Leistungsbeurteilung, Mitarbeitergespräch, leistungsorientierter Vergütung und Personalentwicklung implementiert und die Mitarbeiter so gefördert werden, dass sie sich eigenverantwortlich entwickeln könnten. „Nur so“, sagt Herrmann, „kann auch Personalarbeit den zunehmend von der Geschäftsführung geforderten Wertschöpfungsbeitrag leisten.“
Grundsätzlich müssen die Räder der personalwirtschaftlichen Leistungskette – Führung, Mitarbeiter, Teams, Unternehmen – ineinander greifen. Der Personalchef muss wissen, was im Businessplan steht. Auf Basis der Firmenstrategie ist dann die Personalpolitik zu formulieren. Dann zeigt sich auch, an welchen Stellschrauben zu drehen ist.
Zurzeit wird an der Kostensparschraube gedreht. Für mindestens so wichtig hält es Berater Herrmann, die Leistungssteigerung zu justieren. Damit beginnt für ihn die eigentliche Personalarbeit. Jeder solle sich die Frage stellen, wie gut seine Innovation ist und wie hoch die Motivation, wo sich Produktivität steigern lasse und wie Projekte zu unterstützen sind, damit sie schneller zum Durchbruch kommen.
Wie geht eine Personalabteilung ans Werk, wenn die unternehmerische Vorgabe lautet, Umsatz und Ertrag jährlich um 10 % zu steigern, die Kundenzufriedenheit zu erhöhen, effizientere Prozesse einzuziehen und die Kosten zu optimieren? Das Personalteam der Schroff GmbH aus Straubenhardt hat mit taktischen Überlegungen den Durchbruch geschafft – in Rekordzeit. Binnen sechs Monaten traten Personalgeschäftsführer Walter Kritikos und die Personalreferenten Silke Fretz und Thomas Glauner den Beweis an, wie Mitarbeiter mit entsprechenden Maßnahmen qualifiziert und motiviert werden, um den Umsatz anzukurbeln. 1 Mio. Euro, weit mehr als erwartet, kamen seit dem Projektstart im März allein dadurch herein, dass jetzt aktiv verkauft wird, Angebote nachgefasst und Internet Leads bearbeitet werden.
Auch hier greift ein Rädchen ins andere: Aufgrund der verkäuferischen Erfolge haben sich die neue EDI-Lösung und die CRM-Software bereits amortisiert. „Dabei nutzen unsere Vertriebs-Sachbearbeiter das CRM-System erst seit wenigen Tagen“, sieht Glauner noch viel Potenzial.
Der scharfe Wettbewerb im Inland war die treibende Kraft für den Veränderungsprozess beim Verkauf Innendienst des Industrieautomatisierers. Schroff, seit 1994 Teil der US-amerikanischen Pentair Enclosures-Gruppe, verlor in den vergangenen Jahren zusehends Bestandskunden. „Auf solche Tendenzen rasch zu reagieren, dafür hatte der Vertrieb kein Instrumentarium“, blickt Personalchef Kritikos zurück. Schmerzlich musste er erkennen, dass mit Qualifikationsmaßnahmen wie Seminaren den Instabilitäten nicht beizukommen war. Was blieb, waren Mitarbeiter, die Aufträge entgegennahmen und abwickelten.
Zwar war bei der Abteilungsleitung der Wille zur Veränderung da. Er war aber nicht groß genug, um nach jahrelangem Zögern den Innendienst auf Kundennähe zu trimmen. Die Initialzündung gab schließlich eine Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Personalführung e.V., die Walter Kritikos im Vorjahr besuchte. Im von Experten der Esslinger Festo betreuten C-Master-Programm werden Personaler fit gemacht, um Problemstellungen zu lösen. Auf offene Ohren traf dies bei HR-Leiter Kritikos, weil „wertschöpfende Anwendungen entwickelt werden und wir uns in der Personalarbeit eine stärkere strategische Komponente wünschten“.
Im C-Master-Programm erarbeiten Fach- und Führungskräfte ihre Lösungen anhand eigener betrieblicher Aufgabenstellungen. Im Rahmen ihres C-Cases „Neuausrichtung Vertrieb Innendienst“ erstellten Silke Fretz und Thomas Glauner berufsbegleitend und in kurzen Präsenzphasen in knapp sieben Wochen ein Grobkonzept in Zusammenarbeit mit der Abteilungsleitung Vertrieb Innendienst. Der Austausch mit externen Praktikern half, das Konzept abzusichern. Schließlich galt es, die anstehende Veränderung intern zu verkaufen. Der Präsentation im Januar folgte wenig später das O.K. für den Projektauftrag. Im Februar entstanden der detaillierte Projektplan samt Meilensteinen. Ende März startete der Innendienst mit dem geänderten Organisationsablauf. Parallel dazu liefen Qualifizierungsmaßnahmen durch interne und externe Coaches, bis hin zu Einzelcoachings, sowie Workshops.
Peu à peu wurde das 16-köpfige Verkaufsteam mit neuen Tätigkeiten betraut. So haken die Sachbearbeiter jetzt bei Angeboten innerhalb von fünf Tagen nach, betreiben Cross Selling, bearbeiten aktiv die C-Kunden und entlasten stärker als bisher den Außendienst. Anfängliches Murren ob der zusätzlichen Arbeit habe sich aber schnell gelegt, freut sich Silke Fretz. „Heute betreut ein Sachbearbeiter einen Kunden komplett, er ist rundum informiert und kommuniziert sehr viel besser mit seinem Geschäftspartner.“ Überdies zahle sich das gestiegene Tätigkeitsniveau durch hohe Zufriedenheit bei den Mitarbeitern aus.
Mit ein Grund dafür ist auch, dass die Mitarbeiter keineswegs nur die Vorstellung der Chefetage umsetzen mussten. „Sie entwickelten Ideen innerhalb einer bestimmten Bandbreite, definierten Arbeitsabläufe oder betätigten sich selbst als Coach“, so Thomas Glauner. „Auch wenn es bei manchem bis an die Leistungsgrenzen ging, erkannten sie, dass sie gefordert und gefördert werden“, zielt Personalchef Kritikos auf einen wichtigen Punkt ab: „Derartige Maßnahmen steigern auch den Wert der Mitarbeiter auf dem Arbeitsmarkt.“
Die Räder der Leistungskette müssen ineinander greifen

Nachholbedarf
In vielen Personalabteilungen gibt es Nachholbedarf. Laut einer aktuellen Studie der Managementberatung Kienbaum wollen die Personaler effizienter werden und Prozesse optimieren.
  • 64 % der 112 befragten Personalchefs sehen in der Entwicklung und Einführung neuer HR-Tools den größten Investitionsbedarf.
  • Für 58 % gilt die Prozessoptimierung als die größte Herausforderung der nächsten fünf Jahre.
  • Für 55 % ist die Umsetzung von unternehmerischen Veränderungsprozessen die größte Hürde.
  • Zugleich arbeiten die Personaler an ihrer Positionierung. Mit ein Grund dafür: In der Hierarchie der Funktion im Unternehmen sehen sie sich weit hinten angesiedelt. Den Vertrieb bezeichnen sie mit 47 % als wichtigste Unternehmensfunktion, gefolgt von Produktion und Controlling (14 %) sowie F+E (12 %). Ihre eigene Funktion verweisen sie mit 4 % der Nennungen auf den vorletzten Platz.

  • „Der sichtbare Beitrag rechtfertigt den Aufwand“

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    Nachgefragt

    Für Professor Günther Bergmann sind Maßnahmen der Personalentwicklung an der Geschäftspolitik und den Unternehmensstrategien anzusetzen.
    Wo sollte strategische Personalentwicklung beim Mittelstand ansetzen?
    Ich würde den Begriff etwas niedriger hängen und von einer zielgerichteten Personalentwicklung sprechen. Hier sollten nicht die klassischen Bildungsprogramme aufgelegt, sondern die Aktivitäten der Personalentwicklung klar an der Unternehmensstrategie und deren Ziele orientiert werden. Der sichtbare Beitrag rechtfertigt dann den Aufwand.
    Sie darf sich also nicht darin erschöpfen, nur Schulungen zu veranstalten?
    Richtig, dann würde die Personalentwicklung ihre Funktion verpassen. Orientiert sie sich aber an der Geschäftspolitik des Unternehmens, kann sie einen signifikanten Wertschöpfungsbeitrag leisten. Das aber setzt voraus, dass die Geschäftsführung den Personalchef oder den Leiter der Personalentwicklung über die aktuellen strategischen Ziele informiert und ihn einbindet, wenn es um die Umsetzung geschäftspolitischer Ziele geht.
    Ein Leitbild ist also unabdingbar?
    Auch das Leitbild möchte ich nicht so hoch hängen. Es gibt ja auch geschäftspolitische Ziele wie etwa eine Initiative im Qualitätsmanagement. Personalentwicklung kann hier sehr wohl einen deutlichen Beitrag leisten, um eine solche Strategie umzusetzen. Wird sie in solche Maßnahmen eingebunden, kann sie ein maßgeschneidertes Programm entwickeln – allerdings nicht von vornherein für Individuen, sondern für bestimmte Zielgruppen.
    Die individuellen Stärken der Mitarbeiter stehen also nicht im Vordergrund?
    Ja, es mag zwar hart klingen, dass das Individuum mit seinen Interessen und Bedürfnissen in diesem Fall nicht im Vordergrund steht. Strategische Personalentwicklung ist auch kein „One-fits-for-all“-Ansatz. Sonst funktioniert sie nicht. Allerdings gibt es eine Reihe sinnvoller und auch notwendiger Maßnahmen wie das Einzelcoaching, die sich aus strategischen Zielen nicht ableiten lassen, aber sich dennoch am Einzelnen orientieren müssen. dk
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