Das deutsche Stromnetz muss stabil bleiben, daher sollen die Stromhändler ihre Menge an Ausgleichsenergie begrenzen, so die Forderung der Bundesregierung und der Netzbetreiber. Die Direktvermarktung und der Börsenhandel erleichtert gerade im Bereich erneuerberer Energien die Erfüllung dieser Auflage.
„Der Atomausstieg und die Kürzung der Solar-Subventionen haben den Strompreis in Deutschland ansteigen lassen“, sagt Dr. Holger Hildebrandt, Hauptgeschäftsführer Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME). Es kommt aber noch ein anderer Aspekt hinzu: „Spätestens seit den Ereignissen in Fukushima sind Themen wie Nachhaltigkeit, Versorgungssicherheit, Förderung erneuerbarer Energien und Strompreisentwicklung nicht mehr wegzudenken.“
Um von großen Energieunternehmen unabhängig zu werden, wechseln immer mehr Solarparks in die Direktvermarktung. Beispiel Grünstromwerk: „Wir verzeichnen eine starke Nachfrage von Solarparkbetreibern und vermarkten unseren Solarstrom an der Börse“, sagt Geschäftsführer Dr. Tim Meyer. Für Anlagen ab 1 MW Leistung garantiert das Unternehmen sogar eine höhere Vergütung als den Einspeisetarif nach EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz). Grundlage hierfür ist das Anfang 2012 eingeführte Marktprämienmodell: Statt ihren Strom zur festgelegten Einspeisevergütung zu verkaufen, handeln die Stromerzeuger an der Börse und beziehen zusätzliche Zahlungen vom Netzbetreiber. „Für den einzelnen Anlagenbetreiber ist das ein zu hoher Aufwand“, findet Meyer, „doch mit einem Vermarkter kann daraus ein gutes Geschäft werden.“
Meyer schätzt, dass mehr als 60 Prozent der Windleistung in Deutschland bereits direkt vermarktet wird, Tendenz steigend. Jetzt entdecken auch zunehmend Solarparkbetreiber die Chancen der Direktvermarktung, denn auf diesem Wege können sie zusätzliche Erlöse erzielen. „Das gilt sowohl für bestehende als auch für neue Anlagen“, so Meyer. Die sinkende Vergütung mache die Marktprämie gerade für Neuanlagen interessanter.
Auch die Firma Next Kraftwerke steigt zur Vermarktung von grünem Strom in den Intraday- und Wochenendhandel der EPEX (European Power Exchange) ein und erweitert damit ihre bisherige Vermarktung über das Day Ahead Trading, bei dem Strommengen einen Tag im Voraus auf dem Spotmarkt verkauft werden. „So können wir kurzfristig die am Vortag vermarkteten Strommengen korrigieren, um das Ausgleichsenergierisiko zu minimieren“, so Johannes Päffgen, Stromhändler bei Next Kraftwerke. Solche Korrekturen seien nötig, wenn unvorhergesehene Leistungsabweichungen beim Anlagenbetreiber auftreten, etwa durch die Störung einer Biogasanlage oder die Über- oder Minderproduktion von Windkraft- und Photovoltaikanlagen.
Besonders bei Windkraft- und Photovoltaikanlagen erhöhen die flexibleren Handelsoptionen die Stabilität der Erlöse, „denn diese Strommengen sind schwer zu prognostizieren“ so Päffgen. Bisher war das Unternehmen auf Ausgleichsenergie angewiesen. Jetzt kann Päffgen flexibel auf Marktsignale und die tatsächliche Stromproduktion seiner Kundenanlagen reagieren: „Besonders der Wochenendhandel minimiert das Risiko, Ausgleichsenergie aus Windkraft und Photovoltaik zu beziehen“, meint Päffgen, „somit erfüllen wir bereits heute die Forderung der Bundesregierung und der Netzbetreiber, dass Stromhändler ihren Bedarf an Ausgleichsenergie minimieren sollen, um das deutsche Stromnetz stabil zu halten.“
Kirsten Seegmüller Freie Journalistin in Leinfelden
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