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Tanken statt Laden

Brennstoffzellen-Hybridkonzepte treiben Elektrostapler der Zukunft an
Tanken statt Laden

Mit kleinen Schritten erobert Wasserstoff die Staplerwelt. Auf dem Münchener Flughafen ist seit 2004 ein Brennstoffzellen-Gabelstapler von Still im Einsatz, Nordrhein-Westfalen und Hamburg legten Folgeprojekte auf, und auf der Cemat sorgte ein Brennstoffzellen-Stapler von Toyota für Aufsehen.

Dörte Dunker ist Fachjournalistin in München

Verbrennungsmotor oder Elektroantrieb? So lautet oft die Frage, wenn es um die Anschaffung eines Gabelstaplers geht. Elektrogetriebene Stapler, Schlepper und Lagertechnikfahrzeuge arbeiten leise und und ohne Abgase – Qualitäten, die beim Inneneinsatz zählen. Mit Diesel oder Gas betriebene Fahrzeuge hingegen bieten reichlich Performance, ohne dass Wartezeiten für das Laden von Batterien anfallen. Die Entwickler mühen sich zurzeit, diese beiden Vorteile zu vereinen. Ein Ansatz dafür ist die Kombination von Brennstoffzelle und Hochleistungskondensatoren oder Batterien, ein Hybridkonzept. Die Stapler müssen nach Schichtende lediglich Wasserstoff tanken, was in wenigen Minuten erledigt ist. Dennoch produzieren sie keine Abgase, denn Reaktionsprodukt der elektrochemischen Umwandlung in der Brennstoffzelle ist Wasser.
In Hybridsystemen deckt die Brennstoffzelle nur die Grundlast ab. Elektrische Zwischenspeicher wie Batterien liefern zusätzliche Energie für den Spitzenlastbetrieb, weil die Brennstoffzellensysteme sonst zu groß, zu langsam und zu teuer würden. Die Energie, die beim Bremsen oder Absenken von Lasten frei wird, lädt die Batterien auf. Das erhöht die verfügbare Leistung und senkt den Kraftstoffkonsum. Solche Hybridfahrzeuge könnten so manchem motorischen Stapler Konkurrenz machen. Und sie machen unabhängig von Energieträgern wie Öl und Gas.
Kein Wunder, dass die Konzeptstudie eines Brennstoffzellen-Staplers auf dem Cemat-Stand der Toyota Gabelstapler Deutschland GmbH im letzten Jahr für Aufsehen sorgte. Dessen Stacks, so heißen die Brennstoffzellen-Stapel, haben sich bei diversen Feldtests in Bussen, Lkw und Pkw des Konzerns behauptet. Toyota setzt den Prototyp des Gabelstaplers im japanischen Takahama dem rauen Alltag aus.
Seit August läuft auch ein vom Land Nordrhein-Westfalen gefördertes Vorhaben mit dem Ziel, die Alltagstauglichkeit von Brennstoffzellenapplikationen voran zu bringen. Das Projekt „Batterie-Brennstoffzellen-Hybridsysteme für Material Handling“ (BBH-MH) soll neue Speicherkonfigurationen für die Hybridtechnologie austesten. Die Hoppecke Batterien GmbH und Co. KG im nordrhein-westfälischen Brilon leitet das Projekt, Partner sind der Hamburger Staplerhersteller Still GmbH, Linde Gas als Gasspezialist sowie die Proton Motor Fuel Cell GmbH aus Starnberg, die ihre Brennstoffzellensysteme mit dem zugehörigen Know-how einbringt.
Das Projekt BBH-MH soll der Zukunftstechnologie zur Marktreife verhelfen. Erste Tests werden bei der Hoppecke GmbH stattfinden. Sie baut die Batterien und nimmt die Systemintegration vor. „In der Evaluationsphase wollen wir eine kostengünstige Kombination von Brennstoffzelle und Batteriespeicher finden“, erläutert Dr. Bernhard Riegel, Leiter Forschung und Entwicklung bei Hoppecke. Als Ergänzung zur Brennstoffzelle bieten sich Bleisäure-, Nickel-Cadmium- und Nickelmetallhydrid-Batterien an. „Bei den Tests kommen drei verschiedene Flurförderfahrzeuge der Firma Still zum Einsatz: der Gabelstapler R60 sowie zwei Lagertechnikfahrzeuge“, sagt Riegel. Zehn weitere Hybridstapler werden sich voraussichtlich in einer zweiten Phase beweisen müssen, wobei die Betreiber dieser Prototypen noch nicht feststehen. Außerdem ist der Einsatz einer mobilen Wasserstofftankstelle im Gespräch.
BBH-MH nutzt die Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem Projekt Argemuc (Arbeitsgemeinschaft Münchener Flughafen), in dem Linde Gas, Still und Proton Motor bereits seit Juli 2002 ein Team bilden. Noch bis Ende des Jahres verrichtet ein Still-Stapler der Serie R60 auf dem Airport seinen Dienst bei der Cargogate GmbH, einer Tochter der Flughafen München GmbH. Im Batterieraum steckt ein von Proton Motor entwickeltes Hybridsystem, das auf drei Brennstoffzellen mit einer Dauerleistung von jeweils 6 kW sowie elektrischen Zwischenspeichern basiert. Durch Speichern der Bremsenergie steht eine Spitzenleistung von insgesamt 38 kW bereit. Damit ist gewährleistet, dass der Stapler im Betrieb die gleiche Dynamik entfalten kann, wie seine Batterie-getriebenen Kollegen.
Das Brennstoffzellensystem PEM (Proton Exchange Membrane) stellt pro Tankfüllung genügend Energie für eine Schicht bereit. Die Standzeiten der Stacks liegen zwischen 6000 und 10 000 h, angestrebt sind über 20 000 h. Ein elektrischer Zwischenspeicher, aufgebaut aus in Reihe geschalteten Kondensatoren, gleicht Belastungsspitzen aus. Gasförmigen Wasserstoff führt der Stapler in zwei 350-bar-Tanks mit je 39 l Inhalt mit sich.
Die Argemuc-Projektpartner haben das Sicherheitskonzept gemeinsam mit dem Tüv und der Flughafenfeuerwehr München erarbeitet. Sensoren detektieren zum Beispiel eventuell entweichenden Wasserstoff, den ein katalytischer Brenner zu Wasserdampf umwandeln würde. Zu guter Letzt wird das System nach dem Abschalten mit Stickstoff gespült, um restlichen Wasserstoff zu entfernen. Dieser könnte anderenfalls mit Sauerstoff zu Wasser reagieren, was das System belasten und seine Lebensdauer beeinträchtigen würde.
Im Großen und Ganzen hat der Still R60 seinen Alltag auf dem Münchner Flughafen ohne Murren gemeistert. Allerdings wird auch deutlich, wo die Ingenieure noch Verbesserungspotenzial für die nächsten Projekte sehen. So gibt es Startschwierigkeiten bei kalter Witterung und Ermüdungserscheinungen, wenn die Energie in den Zwischenspeichern durch lange Rampenfahrten aufgebraucht wird.
„Mit Hilfe des Hybridkonzeptes wollen wir die erforderliche Brennstoffzellenleistung weiter reduzieren. Das senkt die Investitions- und Betriebskosten“, erklärt Dr. Joachim Kroemer, Vertriebsleiter von Proton Motor. „Wir möchten zeigen, dass die Hybridtechnologie für viele Logistik- und Transportbereiche wirtschaftlich attraktiv sein kann.“ Auf lange Sicht ebnen solche Pilotprojekte den steinigen Weg zu einer breiten Anwendung der Brennstoffzellen-Technologie, etwa im Auto.
Sicherheits-Sensoren erschnüffeln Wasserstofflecks
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