Startseite » Allgemein »

Titan-Spritzguss – so fest wie aus dem Vollen gedreht

Metal Injection Moulding macht Titan-Bauteile erschwinglicher
Titan-Spritzguss – so fest wie aus dem Vollen gedreht

Kleine Titan-Bauteile kann die Kieler Tijet GmbH jetzt auch im Metallpulverspritzguss herstellen – und zwar ohne Verlust der werkstofftypischen Eigenschaften wie hohe Festigkeit und Zähigkeit.

Markus Lang ist Marketing- und Vertriebsleiter bei der Tijet GmbH in Kiel

Der Werkstoff Titan bietet ein hervorragendes Verhältnis von Festigkeit zu Gewicht. Das Metall ist absolut unmagnetisch, korrosionsbeständig und seewasserfest. Zusätzlich ist es biokompatibel und eignet sich sehr gut für Implantate. Titanlegierungen werden deshalb gerne in der Luft- und Raumfahrt, der Meerestechnik und in der Medizintechnik verwendet. Darüber hinaus eignen sie sich für alle hochbelasteten Bauteile, die leicht sein müssen.
Als Produktionsverfahren für das teure Material bietet sich MIM an (Metal Injection Moulding oder auch Metallpulverspritzguss). MIM ist eng mit dem Kunststoffspritzgießen verwandt, erzeugt allerdings Vollmetallteile. Das Verfahren kombiniert die aus der Kunststoffverarbeitung bekannte Freiheit der Formgestaltung mit der kostengünstigen Herstellung von metallischen Bauteilen.
Metal Injection Moulding hebt die Begrenzungen auf, die mit der gebräuchlichen, spanabhebenden Metallbearbeitung verbunden sind: Komplexe Formelemente wie 3D-Freiformflächen, Gravuren und Logos, Gewinde oder innere scharfkantige Konturen (beispielsweise der Sechskant eines Inbusschlüssels) sind ebenso machbar und erschwinglich wie allgemein nichtdrehsymmetrische Teile. Weitere Vorteile des Metallpulverspritzguss sind die hohe Präzision und die sehr geringen Fertigungstoleranzen.
Die MIM-Fertigung ermöglicht deutliche Einsparungen:
  • Es wird nur soviel Material benötigt, wie es dem tatsächlichen Bauteilvolumen entspricht.
  • Komplexere Einzelteile können mehrere Komponenten ersetzen, so dass sich Arbeitsschritte im Zusammenbau und Handling einsparen lassen. Wie im Kunststoffspritzguss können Funktionen leicht ins Bauteil integriert werden.
Bisher galt Titan für den Metallpulverspritzguss als ungeeignet, weil das Metall sehr reaktiv ist: Ein zu hoher Gehalt an Stickstoff, Sauerstoff oder Kohlenstoff führt zu einer nicht tolerierbaren Versprödung des Bauteils. Ohne geeignete Gegenmaßnahmen gehen die erwünschten Eigenschaften von Titan im MIM-Prozess verloren. Es ist also notwendig, den Werkstoff während der gesamten Produktionskette gegenüber atmosphärischen Einflüssen zu schützen. Zu diesem Zweck hat die Tijet GmbH, Kiel, das MIM-Verfahren für die Verarbeitung von Titan optimiert und kooperierte dabei mit Forschungseinrichtungen, insbesondere mit dem GKSS-Forschungszentrum Geesthacht.
Tijet verfügt nun über die Möglichkeit, Titan zu spritzgießen, und verwendet dabei hauptsächlich die bekannte Titan-Aluminium-Vanadium-Legierung Ti 6Al 4V. Die mechanischen Eigenschaften der Spritzgussteile sind jenen ebenbürtig, die spanend aus dem Vollen gedreht oder gefräst werden. Messungen zeigen, dass die MIM-Bauteile die legierungstypischen Kennwerte erreichen:
  • Duktiles Material mit einer Dehnung von 15 %
  • Hohe Zugfestigkeit von 800 MPa
  • Streckgrenze 0,2 % von 700 MPa
Die eigentliche Innovation liegt im Erhalten der ursprünglichen Eigenschaften von Titan, obwohl der Werkstoff durch MIM verarbeitet wird. Mit der patentierten Methode lassen sich komplexe und filigran strukturierte Kleinteile aus Titanlegierungen in Serie fertigen.
Tijet hat sich nicht nur auf die Titanverarbeitung durch MIM spezialisiert, sondern ist zusätzlich nach DIN ISO 13485: 2003 zertifiziert und darf somit auch als Hersteller von Medizinprodukten tätig sein. Die Legierung Ti 6Al 4V hat die Biokompatibilitätstests bestanden und ist anerkanntes Implantatmaterial.
Wie funktioniert MIM? Aus der gewünschten Titanlegierung wird zunächst Pulver hergestellt, mit Binder vermischt und granuliert. Die Spritzgießmaschine presst diese Masse in eine Hohlform. Das so entstandene Rohteil hat bereits die gewünschte Endgeometrie, ist jedoch aufgrund des Binderanteils um etwa 13 % größer. Ein Teil des Binders wird zunächst chemisch entfernt. Bei der abschließenden Sinterung verdampfen alle anderen Binderbestandteile vollständig. Das Rohteil sintert zum Vollmetallteil und schrumpft dabei auf Endmaß. Der Herstellprozess ist nun abgeschlossen. Die Teile sind völlig sauber. Verunreinigungen durch Späne, Schleifstaub, Öl oder Abrieb existieren nicht.
Die für Titan typischen Materialeigenschaften wie Dehnbarkeit, hohe Zugfestigkeit, Biokompatibilität und Implantateeignung erreicht nur das von Tijet patentierte MIM-Verfahren.
Die Vorteile dieses Verfahrens kommen am deutlichsten bei Teilegewichten zwischen 0,1 und 100 g, mittleren bis großen Stückzahlen und kompliziert geformten Bauteilen zum Tragen. Es muss nicht oder nur minimal nachgearbeitet werden. Beim Spritzgießen treten keine Materialverluste wie beim Drehen oder Fräsen auf. Der Prozess erzeugt saubere und verunreinigungsfreie Teile. Beizen oder Waschen ist nicht nötig.
All das hat zur Folge, dass komplexe Teile aus Titan zu konkurrenzfähigen Kosten produziert werden können. Der geringe Lohnkostenanteil des MIM-Fertigungsprozesses ermöglicht auch am deutschen Hochlohnstandort eine wettbewerbsfähige Produktion.
MIM bietet neue Designmöglichkeiten. Daneben besteht die Möglichkeit, Teile während der Produktion zu gravieren oder mit einem Logo zu versehen.
Die Fertigungstoleranzen entsprechen DIN ISO 2768 – fein. Die tatsächlichen Toleranzen hängen jedoch vom konkreten Bauteil ab und können von Fall zu Fall erheblich geringer sein.
Ein weiterer Vorteil von Metal Injection Moulding von Titan ist die sehr hohe Wiederholgenauigkeit, auch nach längerer Produktionsunterbrechung.
Die Produktion findet bei Tijet in Anlagen statt, die ausschließlich für Titan und seine Legierungen genutzt werden, womit eine mögliche Kontamination durch andere Metalle ausgeschlossen ist.
Die natürliche Sinteroberfläche ist glatt und bietet einen Mittenrauwert zwischen 2 und 5 µm. Die Titan-Bauteile lassen sich mit Standardverfahren wie Polieren, Gleitschleifen, oder Elektropolieren weiter bearbeiten.
Tijet produziert zurzeit Gehäuse für ein implantierbares Portsystem zur Medikamentenapplikation, in die der (hohle) Katheteranschluss integriert ist. Die Ports werden bereits als Langzeitimplantate bei Menschen eingesetzt.
Die Titan-MIM-Technologie bietet ein enormes Potenzial. Viele Anwendungen lassen sich durch MIM kosteneffizienter gestalten. Zudem erschließt MIM neue Einsatzfelder für Titan, die durch die hohen Kosten herkömmlicher Fertigungsmethoden bisher verschlossen waren. Ein Beispiel dafür ist der Ring einer Herzklappe, dessen komplex geformte Geometrie zerspanend nicht zu einem marktgerechten Preis hergestellt werden könnte.
Gestaltungsfreiheiten wie in der Kunststoffverarbeitung
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
Ausgabe
6.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Aktuelle Whitepaper aus der Industrie

Unsere Partner

Starke Zeitschrift – starke Partner


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de