Kunden sind anspruchsvoll, gerade im Maschinen- und Anlagenbau. Ergänzend sind ihre Ansprüche an Flexibilität und Effizienz in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Der Maschinenbau ist zwar für seine spezialisierten Produkte bekannt. Doch hat sich diese Entwicklung derart beschleunigt, dass die Kunden inzwischen einen sehr hohen Einfluss auf die Konfiguration „ihrer“ Maschinen haben wollen. Somit entwickelt sich dieser Markt – wie viele andere – gerade von einem Push- zu einem Pull-Markt. Wie bewältigen Maschinenbauer diese Entwicklung, ohne die Effizienz in ihrer Fertigung aufs Spiel zu setzen? Dazu ist es hilfreich, den Blick auf ein paar Konzepte zu richten, die helfen, die Kontrolle über die F&E-Prozesse sowie die Produktion zu behalten.
Verlagerung von Variations- und Entkopplungspunkt
Durch den erhöhten Bedarf an unterschiedlichen Konfigurationen einer Anlage versuchen Unternehmen immer mehr, den Variationspunkt in das Gewerk Software zu legen. Sie lässt sich viel günstiger und schneller ändern als Hardware. Der Variationspunkt sagt aus, ab welchem Knoten der Produktstruktur Variabilität zugelassen wird. Hier ist ein deutlicher Trend zu beobachten: Zusätzliche Funktionen einer Anlage werden nicht als eigenständige Hardware produziert, sondern, wenn möglich, durch Software abgebildet. Die ausgelieferte Hardware ist die gleiche, die darauf laufende Software oder deren Konfiguration ist variabel. Außerdem erlaubt Software regelmäßige Fehlerkorrekturen oder Funktionserweiterungen während der Lebenszeit einer Anlage, ohne aufwendige Wartungseinsätze vor Ort. Oft basieren diese Veränderungen nicht mehr auf den Ideen eines Ingenieurs des produzierenden Unternehmens, sondern auf denen des Kunden. Daraus folgt eine Verlagerung des Entkopplungspunkts (Order Penetration Point). Dies ist der Punkt in der Wertschöpfungskette, an dem der Kunde hinzutritt. Während zuvor alles durch eine mehr oder weniger einheitliche Entwicklung geprägt ist, wird anschließend alles individuell auf den Kunden zugeschnitten. Bei regelmäßig produzierten Standardgeräten findet sich dieser Punkt erst im Zuge der Logistik wieder: Ein Kunde wählt aus dem Katalog ein nicht weiter konfigurierbares Gerät aus und bestellt es.
Im Maschinenbau sieht dies bisher häufig anders aus. Üblich ist Engineer-to-Order (ETO): Der Kunde wünscht eine Maschine oder Anlage, die speziell für seine Bedürfnisse konstruiert wird. Ein Beispiel sind Sondermaschinenbauer, die für einen Auftrag im Extremfall sogar eigene Gehäuseelemente oder Schrauben entwerfen und produzieren. Diese Vorgehensweise ist nicht mehr zeitgemäß, denn es macht die Fertigung komplexer Maschinen und Anlagen ineffizient und oft auch unwirtschaftlich.
Dies führt dazu, dass sich die grundlegende Entwicklungs- und Fertigungsstrategie ändert.
Configure-to-Order zum Standard machen
Das Ziel eines Maschinenbauunternehmens sollte es sein, Configure-to-Order (CTO) zum Standard zu machen. Hierbei werden vorgefertigte Module einer Anlagenfamilie auftragsspezifisch neu konfiguriert, aber eben nicht neu entwickelt. Gerade auch Methoden des Systems Engineerings können hier zusätzlich helfen. Systems Engineering ist ein ganzheitlicher Ansatz, der unter anderem analysiert, wie die Bestandteile eines Systems (etwa einer Werkzeugmaschine) zusammenhängen und im Kontext größerer Systeme interagieren. Insbesondere geht es darum, die Konstruktion technischer Systeme zu erleichtern und die Variantenvielfalt effizienter zu bewältigen. Ein typisches Hilfsmittel im Systems Engineering ist der Einsatz von Simulation und das Etablieren digitaler Modelle, mit denen die Beziehungen zwischen den Teilen des Systems veranschaulicht werden. Im Maschinenbau hilft dieser Ansatz dabei, die Komplexität in den Griff zu bekommen. Wenn eine Maschine oder Anlage als System verstanden wird, ist es möglich, ihre Elemente und Funktionen ebenfalls als System zu betrachten.
Der grundlegende Ansatz hinter dem Systems Engineering ist deshalb die Modularisierung der einzelnen Produkte. Dabei werden zahlreiche Funktionen als separates Modul (Subsystem) verwirklicht, das in vielen oder möglicherweise sogar allen Geräten wiederverwendet werden kann. Ein gutes Beispiel sind die Baukastensysteme. Sie senken die Variantenvielfalt trotz einer großen Modellvielfalt.
Digitale Modelle vereinfachen die Konfiguration
Durch Verbindung von Digitalisierung und Modularisierung ergeben sich neue Möglichkeiten. So können alle Systemkomponenten inklusive der Software-Module in digitalen Modellen dargestellt und zu einer Maschine zusammengefügt werden. Konstrukteure und Kunden können dann aus dem Baukasten des Maschinenbauers eine anlagenspezifische Simulation ableiten. Stichwort: virtuelle Inbetriebnahme, aber eben auf durchgängigen, konsistenten Daten. Diese durchgängige Datenbasis und die abgeleiteten Simulationsmodelle sind der wichtigste Bestandteil des sogenannten digitalen Zwillings. Nach der Inbetriebnahme hilft der digitale Zwilling beispielsweise bei der Status- oder Anomalie-Erkennung während des Betriebs. Moderne Lösungen für Product-Lifecycle-Management (PLM) unterstützen die Modellkonstruktion und erlauben es, den gesamten Lebenszyklus eines Produkts von der ersten Idee bis zum Betriebsende beim Kunden digital zu verfolgen.
Doch es geht bei Systems Engineering und digitalen Zwillingen nicht nur um technische Daten, beispielsweise Darstellungen aus CAD-Lösungen. Wichtig ist auch die Integration von betriebswirtschaftlichen Kenngrößen. So hilft die Modularisierung nicht nur im Rahmen der Konstruktion, sondern auch im Vertrieb. Da es im ersten Schritt nur ein digitales Modell gibt, können Kunden die Konfiguration beliebig ändern, um beispielsweise die späteren Betriebskosten zu senken.
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Im Überblick
Modularisierung und Digitalisierung beschleunigen die Arbeit von Maschinenbauern erheblich, da sie weniger Bauteile neu konstruieren und fertigen müssen. Die Zeit zwischen Auftrag und Inbetriebnahme verkürzt sich und Angebote können schneller abgegeben
werden.