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Vernetzte Gebäudetechnik und weniger Lastspitzen senken die Stromrechnung

Mit intelligentem Energiemanagement sparen, ohne viel zu investieren
Vernetzte Gebäudetechnik und weniger Lastspitzen senken die Stromrechnung

Durchdachtes Energiemanagement mit einer besseren Verteilung der Leistungsspitzen kann die Stromrechnung deutlich senken. Der intelligente Einsatz technischer Gebäudeausrüstung unterstützt dieses Ziel. Besonders offene, vernetzte Systeme führen zu Energieeinsparungen.

Von unserem Redaktionsmitglied Thomas Preuß

Fünf, sieben oder zehn Jahre? Wann die Betriebskosten für ein gewerblich genutztes Gebäude die Investitionssumme für das Erstellen überschreiten, ist sekundär. Tatsache ist: Sie tun es. In wenigen Jahren addieren sie sich auf Millionenbeträge. Deshalb sollten Unternehmen nicht nur die reine Bausumme betrachten, sondern auch an die Folgekosten denken. Einen hohen Anteil daran tragen die Energiekosten.
Es erfordert oft gar nicht viel, um seine Stromrechnung ein bißchen abzuspecken. Energiemanagement lautet das Zauberwort, und wer sich nicht allein daran wagt, der kann Consulting-Firmen zu Rate ziehen oder große Hersteller von Gebäudetechnik, wie ABB oder Siemens. Die verkaufen nicht nur Komponenten, sondern bieten auch Service rund ums Gebäude- oder Facility Management.
Einig sind sich die Fachleute über eine ganzheitliche Vorgehensweise: „Wir schauen uns zunächst jedes Gebäude auf sein Einsparpotential an“, sagt Dipl.-Ing. Winfried Haas, Leiter Energiemanagement der Mannheimer ABB Gebäudetechnik AG. „Das beginnt bei den Verträgen zwischen unserem Kunden und seinem Energieversorger.“ Seit der Strommarkt liberalisiert ist, können sich Großabnehmer in ganz Deutschland die Energie besorgen. Und wenn ein Dienstleister mehrere Kunden hat, lassen sich die Bedarfe bündeln – und bessere Preise erzielen. „Wenn eine Firma 20,5 Pfennige pro Kilowattstunde zahlt und wir einen Preis von 18 Pfennigen durchsetzen können“, so Haas, „dann schlägt sich das auf der Rechnung sichtbar nieder.“
„Vor allem die Vergleichbarkeit der Lieferverträge der Energieversorger“, ergänzt Wolfgang Müller, Projektentwickler Facility Management in der Piepenbrock Dienstleistungsgruppe in Osnabrück, „macht es möglich, ein Optimum zu erreichen.“ Piepenbrock hat Rahmenvereinbarungen mit Energieversorgungsunternehmen (EVU) getroffen, die den Industriekunden wirtschaftliche Vorteile sichern.
Zu einer ersten Betrachtung beim potentiellen Kunden zählt für ABB oder Piepenbrock auch, herauszufinden, wie sich die Stromrechnung ohne Investitionen senken läßt. Winfried Haas: „Zuerst schlagen wir vor, die Betriebszeiten von Anlagen anzupassen. Warum sollen die Klimaanlagen zu Zeiten laufen, in denen sie nicht benötigt werden?“
Piepenbrock nutzt zur Analyse die zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung, Magdeburg, entwickelte Software Idas. Die Auswertung der erfaßten Daten illustriert die Anlagenzustände und schafft völlige Transparenz über Kostenstrukturen. Was für die Instandhaltung und den Betrieb von Produktionsmaschinen gedacht war, nutzen die Osnabrücker auch für gebäudetechnische Anlagen.
Hohes Einsparpotential liegt in intelligenter Steuerungstechnik
Eine ganzheitliche Betrachtung beginnt im Falle eines Neubaus allerdings viel früher. „Beim Kostenansatz für ein neues Gebäude sollte nicht an der falschen Stelle gespart werden“, warnt Piepenbrock-Mitarbeiter Müller. „Da werden zum Teil Lüftungsanlagen im Kanalquerschnitt ,optimiert’, bei Anlagenkomponenten an der Wartungsfreundlichkeit gespart oder Leuchtmittel nicht unter dem energetischen Gesichtspunkt betrachtet“, weiß der Fachmann. „Aber die Minimierung führt dann oft konstruktionsbedingt zu erheblichen Folgekosten bei Wartung und Verbrauch!“
Also sollte schon bei der Planung ein Dienstleister einbezogen werden, der die zu erwartenden Folgekosten kalkuliert – und der die Erfahrung besitzt, wie teuer die Bewirtschaftung am Ende wird. „Da spielen sparsame Sanitärarmaturen eine Rolle“, zählt Müller einige Beispiele auf, „aber auch die intelligente Kopplung der Heizung mit den Fenstern und der Prozeßwärme in der Fabrikhalle oder die Gebäudeleittechnik.“
Spektakulärer als bei Neubauten, bekennt Andreas Wokittel, Technischer Leiter der Krantz-TKT GmbH in Bergisch Gladbach, gestalteten sich Sanierungsfälle. „Bei älteren Anlagen handelt es sich oft um Energieschleudern“, so der Diplom-Ingenieur. „Jede halbwegs vernünftige Maßnahme amortisiert sich schnell und schlägt sich anschließend deutlich in der Bilanz nieder.“
Krantz-TKT tausche allerdings nicht einfach alte gegen neue Komponenten aus, nur weil allein der Wirkungsgrad neuerer Produkte rasche Amortisation verheiße. Vielmehr würden die Anlagen der technischen Gebäudeausrüstung genau überprüft und zuerst sämtliche Maßnahmen der Bedarfsminimierung ausgeschöpft. „Das können reduzierte Betriebsstufen sein, ein stoßweiser Betrieb, eine bedarfsabhängige Lüftung oder optimierte Absauganlagen“, führt Andreas Wokittel aus. Dazu kämen Verbesserungen bei der Regulierbarkeit, Änderungen am Luftaufbereitungsprinzip, der Einsatz von Wärmerückgewinnungsanlagen oder die regeltechnische Vernetzung autarker Systeme.
Versetzte Pausen und Laufzeiten bauen Lastspitzen ab
Läßt sich der Bedarf mit den bestehenden Anlagen nicht weiter verringern, werden kleinere Komponenten zur Luftaufbereitung, Lufterfassung und -filterung sowie die Meß-, Steuer- und Regeltechnik (MSR) neu projektiert und ausgewählt. Bei besonders komplexen Anlagen stehen Krantz-TKT im eigenen Forschungs- und Entwicklungslabor umfangreiche Simulationsverfahren zur Verfügung. Der Vorteil für den Kunden: Investitionssummen und Amortisationszeit lassen sich im voraus relativ exakt berechnen.
Besonders viel Energiesparpotential liegt in der Steuerung und Kontrolle von Energienetzen in Gebäuden. Als Schlüssel, um Energie zu sparen und Betriebskosten zu senken, kursiert in Fachkreisen der Begriff des „Smart Building“: Mit Hilfe eines einheitlichen Kommunikationsprotokolls sind alle an ein Kontrollnetz angeschlossenen Geräte und Gewerke zu einem aufeinander abgestimmten Verhalten in der Lage. Die verschiedenen Bereiche der Gebäudeautomation werden mit dem elektrischen Versorgungsnetz verbunden und zu einem kommunizierenden Gesamtnetz ausgebaut.
Voraussetzung für ein Smart Building ist ein Kontrollnetzwerk, das in der Lage ist, unterschiedlichste Gewerke und Systeme miteinander zu koppeln, beispielsweise Lon-Works. Bei diesem offenen Netzwerk ist die „Intelligenz“ dezentral in Netzwerkknoten angesiedelt. Da das System vorhandene Übertragungsmedien (220-V-Stromnetz), Funk oder Infrarot nutzt, sind kostenintensive Kabelinstallationen überflüssig.
Zutrittskontrollen, Heizungs- und Lichtanlagen sowie Maschinen und elektrische Kleinverbraucher kommunizieren über ein gemeinsames Protokoll. Dabei verstehen sich auch Geräte und Anlagen unterschiedlichster Art und von unterschiedlichen Herstellern.
Nach Erfahrungen Wokittels sind auf diese Weise besonders im MSR-Bereich mit kleinem Aufwand große Einsparungen möglich. „Vielfach existieren in den Produktionsbetrieben unterschiedliche, für sich autark arbeitende Systeme“, sagt der Krantz-Mitarbeiter, „beispielsweise für die Produktionssteuerung, für Heizung, Lüftung und Klima, für die Fenstersteuerung, die Zutrittskontrolle und das Lichtmanagement- oder Brandmeldesystem.“ Aufgrund unterschiedlicher Standards konnten die Systeme in der Vergangenheit nicht miteinander kommunizieren.
Mit offenen Systemen dagegen lassen sich die Anlagen verknüpfen – bei Neubauten direkt, ansonsten indirekt über Gateways. Solche Übersetzer bietet Krantz-TKT an, um die Vernetzung herstellerunabhängig zu bewerkstelligen. Damit können Temperatur- oder Helligkeitssensoren die Beschattungseinrichtungen von Gebäuden steuern sowie zusätzliche Heiz- oder Kühlsysteme zu- oder abschalten. Doch offene Systeme optimieren nicht nur den Energieverbrauch: „Durch die Gateways können beispielsweise auch Alarme aus einem Brandmeldesystem in die gemeinsame Gebäudeleittechnik integriert werden“, sagt Wokittel, „und damit zum Abschalten von Lüftungsanlagen oder zum Einschalten der Entrauchungsanlagen führen.“ Und über Zutrittskontrollsysteme, die gleichzeitig der Zeiterfassung dienen, läßt sich die Heizung steuern.
Mit der Lon-Technologie ist ein transparentes Energiemanagement möglich: Neben der gebäudeübergreifenden Kontrolle, der Steuerung und Überwachung aller elektrischen Verbraucher, können auch Informationen über Verbrauch, Spitzenlasten und Trends zentral erfaßt und ausgewertet werden.
Wer seine Spitzenlasten kennt, der kann besonders deutlich sparen. „Das Lastmanagement ist einer der wichtigsten Ansatzpunkte, um die Stromrechnung zu trimmen“, erläutert ABB-Experte Haas. Wenn die Energieanalyse ergibt, daß etwa nach der Frühstückspause um 9.15 Uhr alle Maschinen gleichzeitig in Betrieb genommen werden und so Lastspitzen entstehen, schlägt Haas beispielsweise vor, die Pausen versetzt zu organisieren. Denn Industrieunternehmen zahlen neben dem reinen Stromverbrauch auch einen Leistungspreis, der sich nach der maximal in Anspruch genommenen Leistung richtet.
Haas erklärt das am Beispiel eines Wellenbades: „Wenn ein Energieversorgungsunternehmen gerade in der Viertelstunde zählt, in der die Wellen schlagen, dann ist die Leistung und der Preis dafür sehr hoch. Aber in der folgenden Viertelstunde ist der Wellenbetrieb ausgeschaltet. Gelingt es, das so zu versetzen, daß die Wellen in beiden Takten jeweils siebeneinhalb Minuten schlagen, dann zahlt das Bad bei gleicher Leistung nur die Hälfte dieses Strompreis-Anteils.“
Technische Verriegelungen können dafür sorgen, daß nicht alle Verbraucher gleichzeitig eingeschaltet sind. Oder dafür, daß sie verzögert ans Netz gehen. Eine programmierte Prioritätenfunktion sagt der jeweiligen Software, welche Geräte wann und wie lange abgeschaltet sein dürfen. Dazu muß der Anwender entscheiden, worauf er verzichten kann, ohne an Komfort einzubüßen.
Bei den Dortmunder Stadtwerken beispielsweise hat ABB einen Maximumwächter eingebaut, der den Bezug, die Verteilung und den Verbrauch der elektrischen Energie steuert. Da der Verkehrsbetrieb der Straßenbahnen nicht leiden darf, wird vor allem bei der Beleuchtung in nicht benötigten Bereichen oder kurzzeitig an den Weichenheizungen gespart.
Infrarotmelder am Namensschild schaltet die Heizung ein
Das Lastmanagement deckt auch auf, wenn einige Verbraucher morgens angestellt, aber gar nicht benötigt werden. Deshalb ist ein wichtiger Punkt das Nutzerverhalten. ABB baut zum Beispiel Zähler ein, um die Verbräuche einzelnen Kostenstellen zuzuordnen. „Wenn das den Mitarbeitern bewußt ist“, meint Haas, „lassen sich allein durch richtiges Nutzerverhalten schon fünf bis 15 Prozent an Kosten sparen.“
Ein Energie- und Spitzenlastmanagement auf Lon-Works-Basis wurde bei der Höku Kunstofferzeugnisse H. Kuhne GmbH in Höxter eingerichtet. In den Produktionshallen steuern und überwachen Dialoc-Stromwächter der Weidmüller GmbH & Co., Paderborn, den Energiebedarf mit dezentraler Intelligenz. Bei Höku war es vor der Einrichtung des Systems häufig zu produktionsbedingten Energie-Leistungsspitzen gekommen. Die flexible Lösung dreht nun unnötigen Stromfressern einfach den Saft ab.
Im Neubau wird die Abwärme der Extruder neuerdings für die Hallenbeheizung genutzt. Um Lastspitzen abzubauen und unnötigen Leerlauf von Maschinen zu vermeiden, wurde sukzessive eine dezentrale Gebäudeautomation installiert. Die Heizungs- und Klimaanlagen schalten in Abhängigkeit von Temperatur und Hallenbelegungszeiten ein oder aus. Jedes der einzelnen Module analysiert sein Umfeld eigenverantwortlich und leitet seine Informationen an eine Visualisierungssoftware weiter.
Eine pfiffige Lösung, abhängig von der Anwesenheit die Beleuchtung, Heizung oder Lüftung zu regeln, kommt von der israelischen Elpas Electro-optic Systems Ltd., Raanana. Ein Infrarotmelder in Form eines Namensschildes informiert Empfänger, die in jedem Raum angebracht sind, über die Anwesenheit von Menschen – und die technischen Anlagen schalten ein. Verlassen alle Anwesenden den Raum, wird das Licht automatisch gelöscht oder die Raumtemperatur reduziert. Auch dieses System stützt sich auf Lon-Technologie.
Die erste vollständig mit Lon vernetzte Fabrik werden nach Angaben der Beteiligten übrigens die Offenbacher Honeywell AG Haus- und Gebäudeautomation und die T-Lon GmbH, Gelsenkirchen, bauen. Auf der Hannover Messe verkündeten die Unternehmen, das Projekt sei eine große Textilfärberei, in der Gebäude- und Industrieautomation zu einem energetischen Gesamtkonzept verknüpft werden.
Prozeßdaten über den aktuellen Verbrauch der Versorgungsmedien, wie Dampf, Wärme, Strom und Druckluft, werden an die Gebäudeleittechnik übergeben und dort verarbeitet. Die wirtschaftliche Erzeugung der Medien und optimale Nutzung des Infranets soll Produktionsengpässe verhindern und die Produktivität erhöhen.
Contracting: Sparen ohne Risiko
Das Contracting bietet Industriekunden die Möglichkeit, Energiesparmaßnahmen ohne eigene Investitionen und ohne eigenes Risiko zu realisieren. Die Konzeption, Planung und Projektierung, Bauüberwachung und -durchführung, die anschließende Instandhaltung, Betriebsoptimierung und das Energie-Controlling übernimmt der Auftragnehmer. Er finanziert die Maßnahmen auch und gibt auf Wunsch eine Garantie über die Einsparungen. Die Refinanzierung erfolgt über die tatsächlich gesparten Stromkosten über den Zeitraum mehrerer Jahre.
Lastmanagement: Leistungsspitzen kappen senkt Stromkosten
Industriebetrieben stellen die Energieversorger neben dem Arbeitspreis, der sich auf den tatsächlichen Verbrauch bezieht, auch einen Leistungspreis in Rechnung. Der richtet sich nach der maximal bezogenen Leistung. Schwankt der Bedarf stark, so wird dieser Preis durch die wenigen Lastspitzen bestimmt. Bei konstantem Verbrauch, aber anderer Verteilung, können Betriebe die Energiekosten senken. Die erforderlichen Investitionen rechnen sich meist schon nach sehr kurzer Zeit. Weitere Informationen sowie ein Seminar zum „Lastmanagement mit Ravel NRW“ bietet die Energieagentur NRW, Wuppertal, Tel. 0202/24552-27.
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