Fertigungsspezialisten, Werkzeugmaschinenbauer und Hersteller von Linearmotoren sind sich einig: Die Direktantriebe sind technisch ausgereift. An den Maschinen insgesamt lässt sich aber noch einiges verbessern.
Die Standardfragen zu Linearmotoren wie das gern diskutierte Problem mit dem Herzschrittmacher oder der vermutete hohe Energieverbrauch sind schnell abgehakt, wenn sich Antriebsexperten und Anwender heute über Direktantriebe in Werkzeugmaschinen unterhalten. Das hat ein Gespräch mit 14 Experten beim Konradin-Verlag gezeigt, zu dem die Fachzeitschriften MAV und Industrieanzeiger eingeladen hatten.
Untersuchungen zum Magnetfeld belegen zum Beispiel, dass sich Träger von Herzschrittmachern unbesorgt bis auf 5 cm den Linearmotoren nähern können. Im Hinblick auf den Energiebedarf wiederum lasse sich zeigen, dass das Anlaufen der Hauptspindel kurzfristig erheblich größere Stromspitzen auslöst als ein Verfahren mit dem Linearmotor.
Das positive Stimmungsbild in der Runde lässt sich also folgendermaßen zusammenfassen: Linearmotoren – heute durch die Bank Synchronmotoren – sind ausgereifte Komponenten, die sich in der Fertigung bewährt haben. Um ihre Vorteile in der Werkzeugmaschine zu beurteilen, reicht ein einfacher Vergleich mit herkömmlichen Komponenten oder Maschinen allerdings nicht aus. Zu viele Faktoren beeinflussen die Produktivität, die im Einzelfall erreichen werden kann.
Aus dem inzwischen fünf Jahre dauernden Einsatz von linearmotorgetriebenen Maschinen leiten beispielsweise die Fertigungsexperten des Automobilherstellers BMW eine Reihe positiver Erfahrungen ab. So gab es nach Auskunft von Wolfram Gatz, Leiter der Fertigungsplanung für Zylinderkopf und Zylinderblock bei BMW, zwar Anfangsprobleme mit gelockerten Steckverbindungen und ausgefallenen Antrieben. Diese seien aber nicht gravierend gewesen und stellten die Technik an sich nicht in Frage. Inzwischen seien rund 70 Einheiten mit den neuen Antrieben im Maschinenpark vertreten. „Die laufen bislang völlig problemlos“, berichtete Gatz. Interessanter sei für die Produktivität aus seiner Sicht die Frage nach Werkzeugen, Wechslern und Schalttischen. „Vor allem für die Werkzeuge brauchen wir eine neue Philosophie wie zum Beispiel Kombi-Lösungen, um die Wechsel zu vermeiden.“
Drei Jahre störungsfreien Betrieb bescheinigt Christoph Zeitler den Werkzeugmaschinen mit Linearmotoren. Zeitler, zuständig für die Prozessplanung im Bereich manuelle Getriebe bei der Ford-Werke AG in Köln, berichtet: „Bei einer Verfügbarkeit von 97 oder 98 Prozent rechnen wir den Stromverbrauch nicht mehr so genau nach.“ Lob äußerte er auch in ganz anderer Hinsicht: „Die preislichen Unterschiede zwischen herkömmlich angetriebenen Maschinen und solchen mit Linearmotoren sind nicht mehr so groß wie noch vor ein oder zwei Jahren.“
In die Kaufentscheidung bezieht BMW laut Wolfram Gatz auch die Kosten für Kugelgewindetriebe mit ein, die während der erwarteten Einsatzdauer etwa alle drei Jahre zu ersetzen seien. Dieses Verfahren beeinflusse hin und wieder die Entscheidung zugunsten der Maschinen mit Linearmotoren.
Dass mehr potenzielle Anwender ihr Augenmerk auf die Lebenszykluskosten richten, wünschten sich Dr. Thorsten Lasch, Leiter der strategischen Entwicklung bei der Deckel Maho Seebach GmbH, und Dr. Achim Feinauer, Prokurist beim Eislinger Maschinenbauer Ex-Cell-O GmbH. „Wenn beispielsweise die Kosten für das Kühlsystem betrachtet werden, schneidet eine Maschine mit Kugelgewindetrieb häufig besser ab“, berichtete Feinauer. „Das sähe anders aus, wenn sie die gleiche Präzision und Dynamik bringen sollte wie eine Maschine mit Linearmotor – dann wäre auch bei einem Kugelgewindetrieb eine aufwendige Kühlung erforderlich.“
Differenziert werden muss auch je nach Anwendung. Beim Bohren oder Fräsen von Aluminiumlegierungen seien die Erfahrungen mit den Linearmotoren bei BMW sehr gut, berichtete Gatz. Für das Schwerzerspanen oder auch das Schruppen von Stahl gebe es hinsichtlich Vorschubkräften und Späneabschottung an der W-Achse aber keine geeigneten Konzepte mit Linearmotor.
Das Optimum der Produktivität ist nach Überzeugung aller Diskussionsteilnehmer nur zu erreichen, wenn das Gesamtkonzept der Maschine stimmt. Auf dem Weg dahin sei eine Standardisierung der Komponente Linearmotor zumindest in Teilbereichen wünschenswert, auch wenn die Hersteller das noch für schwierig halten. op
Die Experten
Bei der Expertenrunde waren Anwender, Hersteller und Maschinenbauer aus neun Unternehmen vertreten.
Als Anwender: BMW AG, München, Ford Werke AG, Köln, Grillo Peißenberg GmbH, Peißenberg
Als Maschinenbauer: Deckel Maho Seebach GmbH, Seebach, Ex-Cell-O GmbH, Eislingen
Als Hersteller: GE Fanuc Automation Deutschland GmbH, Neuhausen a.d.F., Rexroth Indramat GmbH aus der Bosch Rexroth Gruppe, Lohr am Main, Siemens Linear Motor Systems GmbH & Co. KG, München
Als Maschinenbauer und Hersteller: Sodick Europe GmbH, Mörfelden-Walldorf
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