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Viele Antriebe und doch kein Durcheinander

Motion Control: Einheitliche Steuerungen für alle Antriebstypen
Viele Antriebe und doch kein Durcheinander

Häufig lassen sich Maschinen und Anlagen nicht nur mit Antrieben einer Technologie aufbauen. Spezielle Steuerungen für jeden Antrieb miteinander zu verknüpfen, verlangt den Systemintegratoren aber einiges ab. Abhilfe versprechen durchgängige Antriebs- und Steuerungskonzepte – und jetzt scheint Schwung in das Thema „Motion Control“ zu kommen.

Bernhard Foitzik ist Fachjournalist in Neustadt an der Weinstraße

Die prinzipiellen Steuerungsabläufe sind bei allen Antrieben in der Regel gleich. Daher können viele Motion-Control-Aufgaben unabhängig davon realisiert werden, ob der Anwender hydraulische, pneumatische oder elektromechanische Antriebe einsetzen möchte. Periphere Geräte, mit denen Komponenten bedient und beobachtet werden, nutzen die Werker im Automationsverbund ohnehin gemeinsam, und auch digitale oder analoge Ein-/Ausgänge sind nicht auf eine Automatisierungskomponente spezialisiert. Da scheint es nur konsequent zu sein, entsprechend übergreifende und leistungsstarke Lösungen auch für den Antriebsbereich zu entwickeln.
Für die „Einheitssteuerung“ spricht vieles. Sowohl Anwender als auch Anbieter profitieren davon. Kurz gesagt: Anwender können sich auf eine einheitliche Plattform konzentrieren und ihre Entscheidung für eine bestimmte Antriebsart unabhängig davon treffen, wie sich die jeweilige Reglerkarte in eine Steuerung einbinden lässt. Anbieter von Antrieben bräuchten nur noch eine durchgängige Lösung zu entwickeln und zu pflegen. Bisher gilt es als Stand der Technik, für einen Antrieb Schnittstellen zu allen gängigen Feldbussystemen anzubieten, so dass der Anwender zumindest von diesem Punkt in der Automatisierungshierarchie an über Variationsmöglichkeiten verfügt. Dr. Albert Köckemann, Leiter Entwicklung Industrieelektronik der Bosch Rexroth AG, Lohr am Main: „Stehen tatsächlich zwei mögliche Antriebsvarianten zur Verfügung, müssen sie in jeder Hinsicht gleichwertig sein, damit der Anwender frei entscheiden kann.“ Das aber wäre nur bei durchgängigen Systemen der Fall.
Vor zwei Jahren hatte die Parker Hannifin GmbH EME, Offenburg, ein erstes solches Steuerungskonzept vorgestellt. „Technologie übergreifend automatisieren“ umschrieb Marketing-Manager Henry Claussnitzer damals die Entwicklung. Das Konzept sah vor, jeden Antrieb einfach per Stecker anschließen zu können. Ob Hydraulikmotor, Pneumatikzylinder oder elektrische Linearachse: Eine Frage der Steuerungsarchitektur sollte die Antriebsart künftig nicht mehr sein.
Jetzt macht Parker den nächsten Schritt und stellt in Hannover den Hydraulikregler C3F vor (Halle 23, B44). Dieser Regler basiert auf dem bereits bekannten Antriebsregler Compax3. Insbesondere die Kombination mit dem hochdynamischen Ventil DF-Plus könne nun zur Leistungssteigerung der Maschinen genutzt werden. Vorteil für den Anwender: Auf der Ebene der Steuerungstechnik muss er nun keinen Unterschied mehr zwischen elektromechanischen und hydraulischen Antrieben machen.
Mit der sogenannten PowerPLMC steht eine weitere leistungsfähige Option zu Verfügung. Damit lassen sich einzelne Abläufe steuern, oder sie lässt sich als komplette Maschinensteuerung einsetzen. Ein gemeinsames Softwaretool sowohl für Hydraulik als auch für Elektromechanik unterstützt den Aufbau hybrider Maschinen. Fast selbstverständlich sollte sein, dass industrielle Standards integriert sind und ein Anwender sich nicht für jede Baugruppe spezifisches Wissen für Steuerung und Programmierung aneignen muss. Basierend auf der IEC 61131-3/PLC-Open steht dem Anwender hier aber der komplette Umfang aller bewegungsrelevanten Funktionen zur Verfügung.
Erweitert hat auch Bosch Rexroth seinen Baukasten zur Automatisierung (Halle 23, Stand A20). Hinzugekommen ist die Indra-Motion MLC als weiteres Element des offenen Systembaukastens. Clou der controllerbasierten Lösung ist die Verbindung von SPS-Funktionen mit Motion Control in Echtzeit. Die MLC ist eine der ersten Steuerungslösungen dieser Art, die Sercos III einsetzen wird.
Innerhalb von drei Jahren hat der Antriebs- und Steuerungsspezialist damit sämtliche Hard- und Softwarekomponenten seiner Motion- und Logic-Systeme runderneuert und auf den neuesten Stand der Automatisierungstechnik gebracht. Dabei kamen die Entwickler einem schon lange gehegten Wunsch der Maschinenbauer nach, nämlich konsequent offene Schnittstellen und Standards zu verwenden.
Das wird insbesondere Maschinenbauer freuen, die mehrere Antriebstechniken in ihren Anlagen einsetzen. Elektrohydraulische Achsen, elektropneumatische Komponenten und elektrische Antriebe sollen nun nach einheitlichen Regeln zusammenarbeiten.
Das Herzstück der Indra-Motion MLC bildet ein hochentwickelter Motion-Kernel, der bis zu 16 Achsen in Echtzeit mit einem Jitter von unter 1 µs synchronisiert. Dabei sind die 16 Achsen „nur“ der Standard. Über Ethernet lassen sich mehrere MLC vernetzen, um so bis zu 64 Achsen zu regeln.
Erste Produkte mit Echtzeit-Kommunikation auf Ethernet-Basis soll es von Bosch Rexroth spätestens zur Hannover Messe geben. Andreas Jenke, Projektleiter Zentralbereich, kündigt schon weitere Bausteine an, wie etwa ein Engineeringtool für hydraulische und pneumatische Achsregler und einen Regler für Hydraulikachsen mit Sercos-Interface. Was im Baukasten noch fehlt, ist MLP als PC-basierte Motion-Lösung. Entwicklungsleiter Dr. Wolfgang Sperling möchte sich noch nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, versichert aber: „Wir warten, wie sich der Markt entwickelt. Aufdrehen können wir dann schon.“
Konsequent hat die Lenze AG, Hameln, ihre bisherigen Lösungsansätze, Baugruppen und Dienstleistungen unter dem einheitlichen Dach „L-Force“ zusammengeführt (Halle 11, Stand E64). Die Idee dahin- ter erläutert der Leiter des Produktmanagements Automation-Servo-Drives, Frank Lorch: „Das durchgängige Konzept von der Komponente über Software, Engineering bis zu Solutions ist unsere Antwort auf immer komplexere Abläufe und Anforderungen.“ Dabei konzentriert sich Lenze auf die elektrische Antriebstechnik.
Mit Drive-based-Automation stemmen sich die Hamelner den Steuerungsherstellern entgegen, die zunehmend Antriebstechnik im Portfolio haben. Nur so, glaubt man im Unternehmen, könne die „Hoheit“ über durchgängige Lösungen erhalten bleiben. Lenze hatte bereits Mitte der 90er- Jahre mit dem ersten intelligenten Servoantrieb die „Drive-based-Automation“ ins Leben gerufen. Intelligent hieß damals nicht mehr und nicht weniger, als dass in den Servoumrichter Steuerungsfunktionalitäten integriert wurden. Vier Performance-Klassen soll es nun innerhalb L-Force für Hard- und Software sowie bei Dienstleistungen geben: Baseline, Stateline (Standard für zentrale Steuerungskonzepte), Highline (Lösungen mit dezentraler Intelligenz) und Topline (Antriebe mit integrierter SPS) stehen für unterschiedliche Anwendungsfälle. Ein durchgängiges Betriebssystem und die von einer Hardware unabhängige Runtime-Software erleichtern – wenn erforderlich – den Upgrade der Antriebstechnik.
Parker, Bosch Rexroth, Siemens, Lenze – bei ihren Entwicklungen arbeiten die Unternehmen zielgerichtet und konzentrieren sich auf bestimmte Branchen. Insbesondere die großen Anlagen, etwa Druckmaschinen oder Verpackungsanlagen, haben sie ins Visier genommen. Hier ist der Installationsaufwand am größten, und damit sind es auch die potenziellen Einspar-Möglichkeiten.
Zum Charme solcher Konzepte gehört es, dass oberhalb einer bestimmten Steuerungsebene tatsächlich unabhängig von der Antriebstechnik agiert wird. Das ist nicht zuletzt eine Folge „intelligenter“ Antriebe. Sind die bewegungsabhängigen Steuerungsfunktionen ohnehin in die jeweilige Achse integriert, kann sich die nächste Hierarchieebene auf die Koordination von Abläufen konzentrieren.
Die Fortschritte liegen auch darin, dass zwar noch nicht alle möglichen Tools, aber schon viele Tools eingebunden sind. Das betrifft Software zur Simulation ebenso wie diverse Möglichkeiten, weitere Subsysteme einer Anlage wie beispielsweise Fördereinrichtungen einzubinden. Muss eine Komponente ausgetauscht werden oder steht eine nachträgliche Erweiterung an, sind klare Schnittstellen vorhanden. Wer jemals ein ausgetauschtes Regelventil nachträglich parametrieren musste, wird das zu schätzen wissen.
Ein Regler bedient hydraulische und elektromechanische Achsen
Automatisierung im Antrieb ist branchenspezifisch
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