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Vom datentechnischen Mittelalter zum ISO-Zertifikat

Drehteilefertiger entdeckt die computerbasierte Auftragsverwaltung
Vom datentechnischen Mittelalter zum ISO-Zertifikat

Die Wendt GmbH aus Uhingen hat sich bis Ende der neunziger Jahre mit einem DOS-PC durchgeschlagen. Dank eines modernen Betriebsmanagement-Systems konnte der schwäbische Drehteilefertiger seinen Umsatz verdoppeln.

Gabi Visintin ist Fachjounalistin in Filderstadt

Die Herausforderung für den Zulieferer heißt heute nicht allein, Kundenaufträge schnell und zuverlässig abzuarbeiten, sondern sie auch in Top-Qualität abzuliefern. „Ohne ISO-Qualitätszertifikat haben Sie bei Großkunden nichts zu melden“, erklärt Gregor Wendt, Sohn des Firmeninhabers Christian Wendt und ausgebildeter technischer Fachwirt. „Da bleiben die Aufträge aus.“ Besonders die Kunden aus der Automobilindustrie hatten in letzter Zeit darauf gedrängt, das Qualitätsmanagement-System DIN ISO 9002 einzuführen.
Dieses Ziel ließ sich mit der bisherigen Methode in der Auftragsverwaltung nicht erreichen. Bis Ende der neunziger Jahre lief in dem Uhinger Betrieb vieles noch händisch ab: Der Kundenstamm und eine kleine Teileverwaltung lief auf einem PC unter dem Ur-Betriebssystem DOS. Rechnungen und Lieferscheine entstanden mit Hilfe eines Textprogramms. Dabei musste jeder einzelne Vorgang und jeder Text neu eingegeben werden. Eine automatische Übernahme der Daten in den Auftrag – etwa aus dem Angebotsschreiben – war nicht möglich. Auftragszettel wurden nicht erstellt, die Personalakten von Hand geführt. Datentechnisch betrachtet herrschte in dem Uhinger Betrieb finsterstes Mittelalter. Das Qualitätszertifikat erfordert jedoch ein ganz anderes Vorgehen: Innerbetriebliche Vorgänge müssen durchgängig verfolgt und gespeichert werden können. Der Vortrag eines Beraters für Qualitätsmanagement brachte rechteitig die Wende, denn so lernten die Uhinger das integrierte Betriebsdaten-Managementsystem WinBDMS kennen.
Das Windows-Programm der Boss + Lindenmann GbR mit Sitz in Blaustein bei Ulm setzt sich aus verschiedenen Funktionsmodulen – vom Vertrieb über die Auftragsvorbereitung bis zur Prüfmittelverwaltung – zusammen und zielt vorrangig auf Lohnfertiger aller Sparten. Die Module des Systems greifen auf einen gemeinsamen Datenbestand zurück und sichern so die Durchgängigkeit und Rückverfolgbarkeit im gesamten Auftragsprozess. Das Konzept und zudem die Benutzerfreundlichkeit dank Windows weckten sofort das Interesse von Gregor Wendt: „Man merkt, dass das Programm aus der Praxis eines mittelständischen Zulieferers heraus entstanden ist. Es hat die Struktur, die wir brauchen.“ Zudem konnte die Software modulweise ausgebaut werden und war dadurch bezahlbar.
Jeweils einen halben Tag dauerte die Einführung in die Module. Gregor Wendt: „Das System ist relativ einfach zu verstehen.“ Da sich eine Datenübertragung vom DOS- ins Windowssystem nicht rentierte, hackte der Fachwirt die Stamm- und Kundendaten per Hand ins neue System ein. Die Pilotfunktion übernahm das Modul für die Personalzeitverwaltung. Danach wurden das Vertriebsmodul und die Arbeitsvorbereitung inklusive der Stammdatenfunktionalität installiert. Inzwischen befindet sich auch das Modul für das Auftragszentrum, den Einkauf und die Prüfmittelverwaltung im Einsatz.
Heute unterstützt die Software durchgängig den Auftragsprozess von der Angebotserstellung bis zur Auslieferung. Auf der Basis der Stammdaten und den darin abgelegten Vorschriften, Kalkulationsvorgaben sowie Zahlungs- und Lieferbedingungen entsteht das Angebot an den Kunden. Erhält die Firma Wendt den Zuschlag, können die Angebotsdaten sofort per Maus-Klick in den Auftragsvorgang übernommen werden. Mit im Spiel ist auch die Variantenfunktionalität, in der Rüst- und Programmierkosten oder Staffelpreise abgelegt sind. Bis zu 256 Varianten sind möglich. Stücklisten können ein- oder mehrstufig angelegt werden.
Um die Suche nach einem Arbeitsvorgang so einfach wie möglich zu halten, greift die Ulmer Software-Schmiede auf einen einfachen Trick zurück: Das Programm übernimmt die Teile-Identitäts- und Zeichnungsnummer des Kunden und spart sich damit einen Übersetzungsschritt in die betriebseigene Kennzeichnung. Ist der Auftrag angelegt und eventuell mit Zusatztexten versehen, wird er eingelastet und erhöht automatisch den Auftragsbestand. Auf einen Blick kann Gregor Wendt alle Aufträge und ihren Status in der Auftragsliste ablesen.
„Sobald der Auftrag die Produktionsphase erreicht, wird der zugehörige Datensatz automatisch in die Fertigungsmaske übernommen“, freut sich Mathias Wendt, technischer Leiter in dem Familienunternehmen. Die ausgedruckte Auftragsbegleitkarte wird anschließend an die Arbeitsvorbereitung weitergereicht. Den gesamten Bereich des Fertigungsprozesses steuert der Firmenchef und Gründer persönlich. Während Gregor Wendt sich derzeit noch selbst in der Werkstatt erkundigt, ob eine Serie oder eine Charge abgeschlossen ist, wird zukünftig ein Werkstatt-PC eine sofortige Rückmeldung in das Betriebsmanagement-System geben. Dabei können die gemeldeten Informationen auch ins Detail gehen und zum Beispiel Menge, Zeit und Bearbeiter nennen.
Die wichtigste Erfahrung mit der Computerlösung ist für Gregor Wendt die totale Transparenz der Arbeitsprozesse: „Das ist für uns das A und O der Windows-Software und gleichzeitig die Voraussetzung für das Qualitätszertifikat.“ Der Juniorchef macht das am Beispiel des Änderungsmanagements deutlich, das bei Zulieferern an der Tagesordnung steht: Wünscht der Kunde eine Änderung, musste früher zuerst herausgefunden werden, in welchem Stadium der Auftrag sich gerade befand und welche Zeichnungsversion aktuell war. Dann erst konnte die Änderung vorgenommen und der Fertigungsauftrag vollständig neu angelegt werden. Dass dabei immer wieder Fehler unterliefen und Ausschuss produziert wurde, war normal. Heute bedarf es nur der Eingabe der Teile-Idenditätsnummer und sofort steht der gesamte Vorgang zur Verfügung. Eine Änderung schlägt sich in allen relevanten Dokumenten nieder.
Doch nicht allein die Funktionalität der Programmmodule zählt, wenn Gregor Wendt die Faktoren für den erfolgreichen Einsatz der Softwarelösung im Betrieb benennt. Er lobt die leichte Verständlichkeit der Module und die Stabilität, die das System aufweist. Und was für einen Kleinbetrieb, der sich keinen eigenen DV-Fachmann leisten kann, besonders wichtig ist: Der Service und die Wartung sind keine teure Angelegenheit. Updates und Hilfestellung leistet der Softwareanbieter in der Regel aus der Ferne – per ISDN-Leitung und einem Fernwartungs-Modul. Daher fallen Anfahrtskosten und lange Wartezeiten unter den Tisch.
Das Tor zu einem umsatzstarken Markt steht jetzt offen
Was Gregor Wendt sich derzeit noch wünscht, sind weitere Auswertungsmöglichkeiten, die ihm noch mehr über die Struktur des Kundenkreises und der Aufträge sowie die geografischen Lieferschwerpunkte sagen, um auch in diesen Bereichen effizient handeln zu können. Seine Ulmer Softwarelieferanten haben ihm bereits signalisiert, dass sich diese Funktionalität in Arbeit befindet.
Das Gesamtergebnis fasst Gregor Wendt in einem Satz zusammen: „Die Verbesserungen gegenüber der herkömmlichen Methode sind eklatant.“ Der beste Beweis dafür: Der Teilefertiger verfügt seit dem Jahr 2000 über das ISO-Qualitätszertifikat. Somit steht das Tor zu allen großen Kunden und damit zu einem breiten umsatzstarken Markt offen. Und noch ein Ergebnis macht den erfolgreichen Einsatz der neuen Software deutlich: „Obwohl wir den Umsatz inzwischen verdoppeln konnten, bin ich immer noch der einzige, der die Vertriebs- und Planungsprozesse verwaltet“, betont Gregor Wendt. Sobald der Betrieb in Größenordnungen kommt, die ein Einzelner nicht mehr verwalten kann, profitiert der Unternehmersohn ein weiteres Mal von der integrierten Computerlösung: „Wenn das System mit Disziplin geführt wird, lassen sich die Arbeitsprozesse jederzeit von einem zweiten geschulten Mitarbeiter steuern.“
Der Anwender
Die Wendt GmbH wurde 1970 als Handwerksbetrieb im schwäbischen Uhingen gegründet und beliefert heute praktisch alle Branchen mit Drehteilen – sei es das Mundstück einer Trompete oder die Kolben einer Lkw-Bremse. Rund 20 Mitarbeiter bearbeiten an modernen CNC-Drehmaschinen, Schleif – und Gewinderollmaschinen die Aufträge aus Handwerk und Industrie aus dem Großraum Stuttgart und Mannheim. Die Konkurrenz ist hart: Viele ähnlich organisierte Betriebe sind in der unmittelbaren Umgebung und im Schwarzwald angesiedelt.
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