Assembler verlagern das Risiko für die Produkthaftung gerne auf ihre Zulieferer. Gefährliche Haftungsverschiebungen verbergen sich mitunter in den Qualitätsvereinbarungen oder in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB).
Dr. Ulf Heil ist Partner der Sozietät Pünder, Volhard, Weber & Axter und arbeitet in deren Frankfurter Büro
Wie die Lasten im Falle der Produkthaftung zwischen Hersteller und Lieferant verteilt sind, können die Partner untereinander relativ frei regeln. Um aber Mißverständnisse zu vermeiden: Ein Haftungsausschluß oder eine Haftungsbegrenzung gegenüber potentiell geschädigten Dritten ist unwirksam. Wenn im folgenden von vertraglichen Regelungen die Rede ist, die das Produkthaftungsrisiko zum Gegenstand haben, so geht es ausschließlich um das interne Verhältnis zwischen mehreren am Herstellungsprozeß beteiligten Unternehmen.
Einen Einfluß vertraglicher Absprachen auf das Produkthaftungsrisiko gibt es (mindestens) in zwei Richtungen: Zum einen kann der Produkthaftungsfall selbst ausdrücklich geregelt sein. Solche Vereinbarungen sind, beispielsweise in der Automobilindustrie, nicht selten. Hier werden Mitwirkungspflichten der Beteiligten und insbesondere die Kostenfrage mehr oder weniger detailliert angesprochen. Zum anderen kann es einen mittelbaren Einfluß vertraglicher Regelungen auf die Produkthaftung geben: Ein Assembler, der vertraglich seine Pflicht zur Eingangskontrolle erheblich oder vollständig reduziert und auf den Zulieferer verlagert, kann diese Pflichtendelegation zwar nicht dem geschädigten Dritten entgegenhalten, für das Innenverhältnis kann sie aber gleichwohl erhebliche Bedeutung haben. War diese Delegation rechtlich wirksam, hat im Innenverhältnis der Zulieferer die Verantwortung allein übernommen. Im Produkthaftungsfall trägt er dann auch allein den Schaden beziehungsweise entstandene Rückrufkosten.
Oft finden sich Produkthaftungsfragen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Herstellers. Leicht wähnen sich Zulieferer dann in der Hoffnung, das Gesetz über Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGBG) sei für sie nicht gültig, weil nicht für den Rechtsverkehr zwischen Kaufleuten maßgeblich. Doch das ist irreführend. Auch wenn nach dem Wortlaut das Gesetz nur bedingt auf Kaufleute anwendbar ist, so hat doch die Rechtsprechung des BGH die Anwendbarkeit auf den kaufmännischen Rechtsverkehr ständig erweitert. Heute muß im großen und ganzen nicht mehr unterschieden werden, ob AGB gegenüber Privaten oder gegenüber Kaufleuten zum Einsatz kommen.
Mitunter wird Zulieferern auch Hoffnung gemacht mit dem Hinweis, daß so manche der gebräuchlichen Klauseln gar nicht in den AGB geregelt werden dürften: So ist etwa der vollständige Verzicht des Assemblers auf Wareneingangskontrollen und deren Verlagerung auf den Zulieferer ein solches Abweichen vom gesetzlichen Grundgedanken der §§ 377, 378 HGB, daß eine solche AGB Klausel unwirksam wäre.
Dieses Zwischenergebnis mag manchen Zulieferer auf den ersten Blick frohlocken lassen, bei genauerer Betrachtung erweist sich aber, daß hierzu kein Grund besteht. Denn trotz einer Unwirksamkeit der Übertragung der Eingangskontrollpflicht auf den Zulieferer wegen Verstoßes gegen das AGBG kann im deliktischen Bereich diese Pflichtendelegation wirksam bleiben. Das mag für Nichtjuristen überraschend oder auch haarspalterisch klingen. Tatsächlich ist aber der Assembler deliktrechtlich wieder aus dem Schneider, wenn er sein Zulieferer sorgfältig ausgesucht und in dem nach den Umständen maßgeblichen Umfang überwacht hat.
Übernommene Verpflichtungen können im Innenverhältnis zu einer starken Verschiebung der Verantwortlichkeit im Produkthaftungsfall führen, bis hin zur fast vollständigen Verlagerung des Risikos auf den Zulieferer.
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