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Was montagegerecht ist, ist meistens auch billiger

Produktgestaltung im Team ergibt bessere Ergebnisse
Was montagegerecht ist, ist meistens auch billiger

Eine montagegerechte Produktgestaltung verbessert die Montagefähigkeit und die Qualität, senkt die Fertigungskosten und verkürzt die Produkteinführungszeit. Wer im interdisziplinären Team arbeitet, kommt am ehesten zum Ziel. Das Fraunhofer-IPA setzt zur zielorientierten Produktentwicklung oder -überarbeitung auf moderierte Workshops.

Thomas Preuß ist Journalist in Stuttgart

„Es gibt sehr viele Produkte, die sind von der Gestaltung her eher zufällig entstanden“, formuliert Jochen C. Spingler vorsichtig. „Da stand die Funktion im Vordergrund, aber an die Montage wurde kaum oder gar nicht gedacht. Beispielsweise fehlt die Möglichkeit, das Produkt automatisch zu montieren“, fährt der Gruppenleiter Montagesysteme des Stuttgarter Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) fort. Folglich ließe es sich auch eher „zufällig gut oder zufällig schlecht“ montieren. Fast jedes Produkt sei in dieser Hinsicht verbesserungswürdig.
Dabei geht es um nicht weniger als den Erhalt der internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Bei der Suche nach Möglichkeiten zur Rationalisierung verlagere sich der Schwerpunkt immer mehr von der Fertigung in den Bereich der Montage, erklärt Spingler. Voraussetzung für eine wirtschaftliche Montage sei aber die montagegerechte Produktgestaltung. Dazu zählen die manuelle wie die automatisierte Montage.
Wer Produkte montagegerecht gestaltet, der kann den Aufwand für die Automatisierung verringern, sie eventuell erst ermöglichen oder zumindest den manuellen Montageumfang reduzieren. Die größten Rationalisierungserfolge lassen sich erzielen, wenn bereits bei der Konzeption und Konstruktion von Produkten die Montagegerechtheit berücksichtigt wird. Erreicht werden kann dies durch frühzeitiges Einbinden anderer betrieblicher Bereiche in die Entwicklung – bei der Produktüberarbeitung wie bei der Neuentwicklung. Erfolgreich und zügig umsetzen lässt sich eine Produktüberarbeitung mit einem interdisziplinären Team aus den Bereichen Konstruktion, Entwicklung, Qualität, Montage, Fertigung und Fertigungsplanung, das von Projektbeginn an eng zusammenarbeitet.
Beim Konstruieren von neuen Produkten steht der eigentliche Konstruktionsprozess im Mittelpunkt. Um eine einfache und kostengünstige Montage zu erreichen, muss sichergestellt werden, dass dem Konstrukteur montagespezifisches Know-how zur Verfügung steht und dass es systematisch angewendet wird. Das Fraunhofer-IPA bietet moderierte Workshops an, in denen Produktentwicklungen oder -überarbeitungen zielorientiert vorangebracht werden.
Wer Produkte montagegerecht und damit kostengünstig entwickeln will, der braucht sich „nur“ an wenige Regeln zu halten. Dazu gehört zunächst, möglichst wenige Teile zu verwenden. „Das bedeutet oft eine Integration von mehreren Funktionen in einem Bauteil“, sagt IPA-Mann Spingler. So könne etwa statt genieteten Blechen in manchen Fällen ein Kunststoff-Spritzgussteil eingesetzt werden, das nach der so genannten Outserttechnik gefertigt wird. Beispiele sind CD-Player oder Cassettenspieler für Autoradios. Die Kunststoff-Grundmodule weisen zahlreiche Funktionen auf, die vor vielen Jahren nur von mehreren montierten Teile übernommen werden konnten. Ferner gehört zum Thema Teilevermeidung auch, beispielsweise zur Schraubensicherung keine Unterlegscheibe mehr zu verwenden, sondern diese gleich in den Schraubenkopf zu integrieren. „Noch besser“, sagt der Experte, „ist es natürlich, gleich auf die Schraube zu verzichten und eine Schnappverbindung einzusetzen.“
Eine zweite Regel lautet, auf lineare Fügebewegungen zu achten. „Das ideale Produkt hätte einen Sandwichaufbau“, erklärt Spingler. Wenn die Produkte nur noch senkrecht von oben gefügt werden könnten, ließe sich mit der Schwerkraft arbeiten, wozu im besten Falle ein Hydraulikzylinder ausreichte. Schon beim waagerechten Fügen besteht dagegen die Gefahr von Positionierungenauigkeiten.
Drittens: Biegeschlaffe Teile, wie Kabel oder Schläuche, sollten so wenig wie möglich eingesetzt werden, vor allem bei der automatischen Montage. „Wenn derartige Teile schon früh eingebaut werden, stören sie oft die nachfolgenden Prozesse“, weiß Spingler. Ausnahme sind die Anschlusskabel, die als letzte Teile an die Geräte montiert werden. In elektronischen Geräten sitzen deshalb längst Direktkontakierungen oder Flachleiter, die nur noch in einer Richtung biegeschlaff sind. Der IPA-Forscher räumt aber ein, dass Kabel oft so billig sind, dass sich die Substitution durch einen Folienleiter oder andere Produkte nicht lohne. Denn: „Bei allen Überlegungen stehen natürlich die gesamten Kosten des Produktes im Fertigungsablauf im Vordergrund!“
Die nächste Regel ist, gute Greif- und Ordnungsmöglichkeiten oder Fügehilfen zu schaffen. Denkbar sind etwa Einführschrägen oder Fasen an den Seiten des Produktes, damit es sich als Schüttgut automatisch richtig ordnen kann, sich besser zentriert und nicht verhakt.
Ferner sollten Konstrukteure auf gute Zugänglichkeit für die Hände oder die Handlingmodule achten, die die Teile montieren müssen. Einfaches Beispiel: Statt eine Kiste mit einem Deckel zu bauen und alle Komponenten in diese Kiste einzusetzen, wobei die Wände die Bewegungsfreiheit einschränken, eignet sich ein Boden, auf dem die Bauteile frei montiert werden können, mit einer am Schluss aufgesetzten Haube viel besser. Das Ergebnis ist optisch das gleiche.
Um festzustellen, ob ein Produkt für die automatische oder die manuelle Montage geeignet ist, hat das IPA ein Softwaretool entwickelt, mit dem sich die Montagegerechtheit bestimmen lässt. Das Institut bietet diese Bewertung als Dienstleistung an, sei es im Zusammenhang mit einer späteren Entwicklung oder als reine Beratung. Die Montageschritte werden auf Basis eines Bewertungssystems kategorisiert. Als Ergebnis erhält man einen Kennwert, der eine quantitative Aussage über die Montagegerechtheit liefert.
Durch die Bewertung jedes Montageschrittes gibt das Tool sowohl Auskunft über die Eignung zur manuellen und automatischen Montage der Produkte als auch über das Potenzial zur Verbesserung der Montagefreundlichkeit und Automatisierbarkeit des Produktes. „Aus montagetechnischer Sicht muss es das Ziel sein, die Produktfunktion mit einem möglichst geringen Montageaufwand zu erreichen“, fasst Spingler zusammen, „da ein geringerer Montageaufwand auch die Herstellkosten senkt.“
Derzeit entwickelt das IPA mit einigen Unternehmen aus der Elektro- und Elektronikindustrie neue Produkte, etwa Steuerungskomponenten oder Messgeräte.
Wenige Schritte zur montagegerechten Produktgestaltung
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