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Wasserdampf wird zum Schmiedehammer

Generative Verfahren: Mikroschmieden von Werkzeugeinsätzen
Wasserdampf wird zum Schmiedehammer

Völlig neue Möglichkeiten der Bauteilgestaltung verspricht ein neues generatives Fertigungsverfahren namens Alchemy. Bei der von Hermle entwickelten Mikroschmiede-Technologie wird Metallpulver unter hohen Drücken verdichtet.

„Alchemy kombiniert ein neuartiges Auftragsverfahren mit dem klassischen Fräsen und ermöglicht eine neue Dimension an Bauteilkomplexität“, sagt Franz-Xaver Bernhard, Vorstand Forschung und Entwicklung bei der Gosheimer Berthold Hermle AG. Nahezu beliebig gestaltete dreidimensionale Teile mit innen liegenden Strukturen, etwa konturnahen Kühlkanälen oder Hinterschneidungen, sind jetzt in Fräsqualität und -präzision machbar. Ein weiterer Vorteil gegenüber bekannten generativen Verfahren wie dem Lasersintern sind auch die möglichen Bauteildimensionen: Die Werkstücke können bis zu 500 mm x 500 mm x 400 mm groß und bis 600 kg schwer sein.
Der Prototyp der Maschine mit Namen C40 Alchemy sieht auf den ersten Blick fast aus wie ein normales 5-Achsen-Bearbeitungszentrum. Neben einer Schallschutzverkleidung hat sie jedoch zwei weitere Besonderheiten: eine in der Z-Achse integrierte Auftragsvorrichtung sowie eine in den Schwenkrundtisch integrierte Tischheizung. Eine aufwändige Infrastruktur wie Laser oder Brenngase ist überflüssig, lediglich Wasser, Druckluft und Strom werden benötigt.
„Beim Alchemy-Verfahren handelt es sich um ein Mikroschmieden, das Metallpulver mit hoher Geschwindigkeit aufträgt und kompaktiert“, erläutert Bernhard. Wasserdampf erzeugt den dafür nötigen Druck im System. Alle schmiedbaren Werkstoffe lassen sich so zu 100 % dichten, homogen Teilen verarbeiten. Selbst Materialkombinationen oder so genannte Gradientenwerkstoffe mit kontinuierlichem Materialübergang, etwa von Stahl zu Aluminium oder Kupfer, sind machbar. Das Verfahren bietet vielfältige Möglichkeiten. Immer neue Ideen erweitern das potenzielle Anwendungsspektrum permanent. So ist es beispielsweise denkbar, in homogenen Bauteilen über Materialkombinationen einzelne Bereiche Strom oder Wärme leitend zu gestalten oder einen Bimetalleffekt zu integrieren und damit Schalterfunktionen fest einzubauen. Aber das ist noch Zukunftsmusik.
Weil das Verfahren komplett neu ist, müssen die Entwickler sämtliche Prozessparameter von Grund auf erarbeiten. „Unser Prototyp läuft seit einiger Zeit, und wir wissen, dass die Technologie funktioniert“, sagt Bernhard. Jetzt gelte es, sie zur Serienreife zu bringen. Der Entwicklungsaufwand ist jedoch immens und die Kapazitäten sind begrenzt. Deshalb haben die Gosheimer beschlossen, sich zunächst auf eine Anwendung zu konzentrieren: Warmarbeitsstähle für den Werkzeug- und Formenbau. Wo innenliegende Konturen gefragt sind, trägt die Maschine ein wasserlösliches Füllmaterial auf, das später einfach ausgespült wird. Und weil sich dieses Füllmaterial gut spanend bearbeiten lässt, sind mit Alchemy – anders als etwa beim Lasersintern – auch innen liegende Oberflächen in Fräsqualität möglich.
Die Gosheimer produzieren bereits Teile, beispielsweise Werkzeugeinsätze, für ausgewählte Kunden. Die gewonnenen Erkenntnisse – etwa hinsichtlich des Verschleißverhaltens – fließen direkt in die Entwicklung ein. Ab der zweiten Jahreshälfte 2008 rechnet Bernhard damit, dass das Verfahren für diesen Anwendungsbereich serienreif ist. Er will sich aber noch nicht festlegen, ob Hermle dann bereits Anlagen verkaufen wird, oder zunächst als Lohnfertiger auftritt, um weitere Erfahrungen zu sammeln. „Das tun wir jedoch nur so lange, bis der Prozess absolut sicher läuft“, betont der Chef-Entwickler. Einer der nächsten Entwicklungsschritte wird dann das prozesssichere Herstellen von Materialkombinationen sein. „Was technisch machbar ist, wissen wir inzwischen. Viel zu lernen gibt´s aber noch bei der Frage, welche der vielen denkbaren Anwendungen im praktischen Einsatz der Bauteile tatsächlich Vorteile bringen.“ Bernhard rechnet damit, dass Alchemy – ähnlich der Funkenerosion in ihren Anfängen – zunächst ein Verfahren für Spezialisten sein wird. Wer es beherrsche, der habe aber bislang undenkbare Möglichkeiten.
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