Weniger kann manchmal mehr sein

Von unserem Redaktionsmitglied Jens-Peter Knauer – jens-peter.knauer@konradin.de

Eine intensive Analyse von Einzelfunktionalitäten bietet der B2B-Marktplatzführer (2. Halbjahr 2001) den potenziellen und aktiven Nutzern von Online-Plattformen. 73 Marktplätze haben Prof. Dr. Ronald Bogaschewsky und Holger Müller vom Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e. V. (BME), Frankfurt/M., untersucht.

Gecheckt wurden unter anderem Branchen- und Güterfokussierung, Transaktionszahlen und -volumina, Preismodelle, Funktionalitäten, system- und sicherheitstechnische sowie rechtliche Details. Aussagen zu strategischen Partnern und Miteigentümern, Aktivitätslevels, implementierte Funktionalitäten und Geschäftsmodelle sollen deutlich machen, welche Marktplätze für die Zukunft gerüstet sind.

„Wenige Marktplätze erfüllen die definierten Anforderungen“, erklärt Prof. Dr. Ronald Bogaschewsky. Nach wie vor aufwendig sei die Integration in die betrieblichen Back-End-Systeme. Auch bei der rechtlichen Verbindlichkeit von Transaktionen seien Vorbehalte anzumelden. Zudem weisen nach Erkenntnis des BME viele Marktplätze ein eher geringes Transaktionsvolumen auf. „Auch Vernetzungen von Handelsplattformen für unterschiedliche Güterkategorien stehen erst am Anfang“, so der E-Procurement-Experte.

Der Industrieanzeiger hat fünf der im BME-Marktplatzführer untersuchten Online-Plattformen näher betrachtet und vor allem hinsichtlich der Nutzerfreundlichkeit getestet. Wie immer gab es Anlass

für Kritik – aber auch das ein oderandere Schmankerl.

Angebot: Computer & Technik, Büro & Unternehmen, Spezielles

Info: Suche, Bewertung, Newsletter, Pressespiegel, Hilfe, FAQ, Angebots-Agent

Service: Logistik- und Finanzdienstleis-tungen

Kosten: Anbieter zahlen eine Provision von 1 % bis 3 % bezogen auf den Gesamt-erlös. Das Eintragen einer Ausschreibung kostet den Nachfrager 49 DM.

Sprachen: Deutsch, Englisch

Bewertung: Wie ein großer Tante-Emma-Laden wirkt der Online-Marktplatz von Atradapro: Ein äußerst umfangreiches Angebot, nur etwas unübersichtlich. Maschinen und Werkzeuge findet der geneigte Käufer beispielsweise unter „Büro & Unternehmen“. Und unter „Spezielles“ entdeckt man ein ganzes Sammelsurium an wichtigen und weniger wichtigen Dingen, beispielsweise Immobilien, Kfz und Zubehör oder Wellness-Wochenenden. Hier merkt man deutlich, dass Atradapro lediglich die Unternehmensversion eines Publikums-Marktplatzes ist. Leider keine, die auf die speziellen Bedürfnisse einer Firma zugeschnitten ist. Was zum Beispiel soll ein Unternehmen mit „lustigen Gartenstickern“ (gefunden bei Rest- und Sonderposten) anfangen? Weniger wäre an dieser Stelle mehr gewesen. Immerhin: Die Navigation geht zügig vonstatten, auch die Produktbeschreibungen lassen keine Wünsche offen. Der Einkäufer kann wählen zwischen Festpreis-Offerten oder dem sogenannten Power-Buying, auch Auktionen – vorwärts und rückwärts – sind möglich.

Angebot: Eisen, Stahl, NE-Metalle, Rohstoffe

Info: FAQ, Glossar, Umrechner, Demoversion, News, Pressespiegel, Newsletter, Suche

Service: Logistik, Versicherung/Inspektion, Metal-Manager

Kosten: Für Einkäufer ist das Angebot kostenlos. Verkäufer zahlen nach Vertragsabschluss eine Provision von 0,5 % bis 2 %, je nach Art des Materials. Im geschlossenen Bereich sind die Provisionen individuell verhandelbar; ein Rabatt-Programm ist in Vorbereitung.

Sprachen: Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch

Bewertung: Der Online-Marktplatz der Macrometal Handelsgesellschaft mbH & Co., Hamburg, gefällt durch seinen übersichtlichen Aufbau, auch wenn die Suchfunktion ziemlich gut versteckt ist. Einmal entdeckt (in der Mitte, schwarze Schrift auf blauem Grund), wird die Suche nach Verkäufer-Region, Land, Produktgruppe, -klasse und -form sowie Qualität erlaubt. Alternativ lassen sich aktuelle Auktionen auch über den Button „Bietungen“ finden. Beide Formen der Suche funktionieren schnell und reibungslos.

Im Test fanden leider keinerlei öffentliche Ausschreibungen statt. Auf Anfrage erklärte der Anbieter gegenüber dem Industrieanzeiger, dass die meis-ten Auktionen – die Rede war von rund 80 % des Handels – auf dem nichtöffentlichen Marktplatz vollzogen würden. Ein echtes Schmankerl bietet die Plattform unter dem Stichwort Service-Tools: Dort findet der Nutzer einen Umrechner, der das Konvertieren von Länge, Fläche, Volumen, Gewicht und Temperatur erlaubt. Im internationalen Handel, vor allem mit Partnern aus Übersee, kann so ein kleines Werkzeug die Arbeit ungemein erleichtern.

Angebot: Vertrieb von gebrauchten Labor- und Analysegeräten

Info: Suche, FAQ, Pressespiegel, Hilfe

Service: Logistik, Leasing (für Geräte über 20000 DM), Garantie

Kosten: Verkauf zu Festpreisen, keine Transaktionsgebühren, auch die Ausschreibung von eigenen Geräten ist kostenlos.

Sprachen: Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch

Bewertung: Auf der nach eigenen Angaben größten Börse für gebrauchte Laborgeräte Europas geht es ohne Umschweife zur Sache. Der Seitenaufbau erfogt derart schnell, dass das Surfen nicht zu einem lästigen Geduldsspiel wird. Die Geräteübersicht führt über wenige Unterkategorien zum gewünschten Produkt, von A wie Atomabsorptionsspektrometer bis Z wie Zentrifuge. Auch eine klassische Suchfunktion ist verfügbar. Die meisten Geräte sind mit Foto und technischer Dokumentation versehen.

Erwähnenswert ist, dass alle Geräte mit einer Garantie von mindestens 60 Tagen ausgestattet werden, die man auf Wunsch und gegen Aufpreis auf bis zu ein Jahr erweitern lassen kann.

Der Button „Auktion“ könnte allerdings Verwirrung stiften: Hier geht’s lediglich zum Versteigerungshaus Echtwahr.de.

Angebot: Vermittlung von Seefrachten weltweit

Info: News, Newsletter, Online-Jobmarkt, Wetterbericht

Service: Service ist Kerngeschäft.

Kosten: Anbieter zahlen eine Provision von 1 % bezogen auf die zu zahlende Fracht.

Sprachen: Deutsch, Englisch, Spanisch, Portugiesisch

Bewertung: Schnörkellos, wenn auch mit einer kleinen Unebenheit: Der Marktplatz für die Vermittlung von Seefrachten in aller Herren Länder besticht durch eine klare Gliederung und die Konzentration aufs Wesentliche. Einziger Wermutstropfen: Die Benutzeroberfläche wird nicht immer in der Sprache angezeigt, die ausgewählt wurde. Da mogelt sich immer wieder mal englisches Vokabular unter, was aber in der Seefahrer-Branche zu keinen großen Verwirrungen führen dürfte. Der registrierte Nutzer erhält Zugriff auf eine Suchmaschine, die einfach und schnell vorhandene Frachtkapazitäten in allen Häfen der Welt findet. Auch das Ausschreiben eigener Anfragen ist möglich. Die Preisbildung erfolgt durch Reverse Auction. Ein-fache Navigation und schneller Seitenaufbau machen den Marktplatz ausgesprochen bedienerfreundlich.

Angebot: Industriegüter, von A wie Abschleppmaschine über M wie Metallbearbeitung bis W wie Warnschutzkleidung

Info: Suche, Forum, Pressespiegel, FAQ, Hilfe, Branchenregister, Guided Tour

Service: Logistik- und Finanzdienstleistungen

Kosten: Verkäufer zahlen eine Provision von 1 % bis 3 %.

Sprache: Deutsch

Bewertung: Der Marktplatz Bidbizz.com wurde in Trägerschaft des Landes Schleswig-Holstein und der Deutschen Telekom AG als regionale Beschaffungsplattform für den industriellen Mittelstand eingerichtet. Entsprechend regional die Anbieterstruktur, nachzulesen im Branchenregister. Eine Übersicht mit Macken, denn die Visitenkarten der meisten registrierten Unternehmen enthalten kaum Informationen. Doch das Festpreis-Angebot ist reichhaltig, die Produktsuche mit wenigen Untermenüs bereitet keine Probleme. Als Entscheidungshilfe bietet Bidbizz ein bilaterales Bewertungssystem der Marktplatzteilnehmer. Leider war es im Test nicht möglich, aktuelle Ausschreibungen anzusehen: Es gab keine.