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Wenn die Freiheit im Netz zum Zwang wird

B2B-Marktplätze: Zulieferer bleiben skeptisch
Wenn die Freiheit im Netz zum Zwang wird

Zulieferer sind auf B2B-Marktplätze meist nicht gut zu sprechen. Doch nicht immer ist das Misstrauen begründet. Die Konzepte der virtuellen Handelsplätze unterscheiden sich oft erheblich.

Von unserem Redaktionsmitglied Thomas Baumgärtner

Gerne würden sie ihrem Schicksal entrinnen, doch sie wissen, dass das nicht gelingen wird. Die Mehrzahl der Zulieferer erkennt, dass das Zeitalter der virtuellen Handelszukunft begonnen hat. Nach den Ergebnissen einer Umfrage von Monitor Company GmbH, München, glauben nur 10% der befragten Zulieferer nicht daran, dass sich B2B-Marktplätze durchsetzen werden. „90 Prozent“, so Internet-Experte Prof. Dr. Bernd Wirtz von der Europ Lab for Electronic Commerce, „rechnen mit einem Erfolg der neuartigen Beschaffungsplattformen.“
Doch der wird sich, so die böse Ahnung, nicht bei ihnen, den Zulieferbetrieben, einstellen, sondern beim Gegenüber, den Abnehmern: Während nach gleicher Umfrage die Hälfte der befragten Beschaffungsunternehmen Prozesskosteneinsparungen von über 30% erwartet, glauben mindestens ebenso viele Zulieferer nicht an diesen Effekt. Zulieferer rechnen vielmehr mit Nachteilen:
– 70% erwarten einen negativen Einfluss auf ihre Preise;
– 33% sehen den Wert langfristiger Kundenbeziehungen sinken.
In vielen Branchen schießen derzeit – der Katerstimmung in der New Economy zum Trotz – die Internetmarktplätze aus dem Boden. Vorneweg in der Automobilbranche. Nach dem Vorbild von Covisint (Daimler-Chrysler, Ford, GM, Renault, Toyota) schließen sich derzeit Systemzulieferer der Automobilhersteller zusammen und eröffnen Plattformen im Netz, über die sie wiederum ihre Zulieferer in einen internetbasierten Beschaffungsprozess einbinden wollen.
Etwas in Verruf geraten ist dabei Supply-on (www. supplyon.com) ein von Bosch, Continental, INA Wälzlager sowie ZF gegründeter Marktplatz, weil anscheinend mit sanftem Druck versucht worden ist, die Zulieferpartner zur Registrierung auf dem Marktplatz zu bewegen (siehe Industrieanzeiger Nr. 9).
Ebenfalls namhafte Direktlieferanten der Automobilhersteller stehen hinter der von der Newtron AG betriebenen Beschaffungsplattform Newtron-Automotive (www. newtronautomotive.com). Seit Dezember vergangenen Jahres ist das Gemeinschaftsprojekt von Newtron, Grammer AG, Kümmersbruck, Kiegert AG, Heilinghaus und der Kolbenschmidt Pierburg AG online.
Das Beschaffungsvolumen der beteiligten Partner beläuft sich nach deren Angaben auf rund 3 Mrd. DM. Mehr als 10 000 qualifizierte Lieferanten sind nach Auskunft von Newtron registriert, darunter vor allem die Lieferanten der beteiligten Industriepartner.
Neben der Möglichkeit, Rahmen- und Einzelverträge zu verhandeln, bietet der Automobilzuliefer-Marktplatz Funktionalitäten wie mehrpositionale Ausschreibungen, Auktionen und Tools für das Lieferantenmanagement.
Einen ganz anderen Weg beschreitet derzeit der US-amerikanische Konzern Johnson Controls. Im Gegensatz zu den Marktplätzen mit dem Schwerpunkt An- und Verkauf, soll dessen Netztreffpunkt der Zusammenarbeit innerhalb der Zulieferkette dienen. Weltweit sollen gemeinsame Projekte vorangetrieben und Konzepte ausgetauscht werden. Dieses Web-basierte Angebot richtet sich ganz am Zuliefermanagement-System von Johnson Controls aus. Die geplante Funktionalität soll Programm-Management, vereinheitlichte Qualitätsplanung und das Performance-Management für die gesamte Zulieferbasis des Unternehmens umfassen. „Die Realisierung einer effizienten Zusammenarbeit mit unseren Zulieferern über das Internet wird immer mehr zu einer Aufgabe von strategischer Bedeutung“, begründet Mike Suman, Group Vice President für E-Business and Marketing den Schritt.
Noch basteln die Softwareingenieure von Matrix-One, ein führender Hersteller von Internet-Lösungen, an dem neuen Angebot. Bis zum 2. Quartal 2001, so verlautet, wollen sie fertig sein.
Neben den Marktplätzen, die von Abnehmergruppen betrieben werden, versuchen auch noch unabhängige Anbieter, Angebot und Nachfrage über das Internet zusammenzubringen. Die meisten richten sich dabei nach Branchen aus, wie beispielsweise Sourcing-Parts. Auf diesem Marktplatz werden vor allem Sonderanfertigungen für den Maschinenbau gehandelt (www.sourcingparts.com). Andere richten sich stärker an den Fertigungsverfahren aus und wollen freie Maschinenkapazitäten mit Fertigungsaufträgen verbinden (beispielsweise www.techpilot.net).
Die Zulieferer rechnen allerdings damit, dass sich vor allem die von Abnehmergruppen betriebenen Marktplätze (Marktplatz-Konsortien) durchsetzen werden. Nach der Umfrage von Monitor Company erwarten das 57% der Befragten. 33% sehen in den neutralen Marktplätzen die in Zukunft erfolgreichste Erscheinungsform.
Zwischenzeitlich ist aber ein Wettbewerb der Marktplatzbetreiber entbrannt – ironischerweise auch um diejenigen, die am liebsten einen Bogen um das Internet gemacht hätten. Denn nur eine Beschaffungsplattform mit vielen Lieferantenadressen ist für Einkäufer interessant.
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
Ausgabe
6.2024
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