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Wenn etwas faul ist, verrät das der Ölgeruch

Condition Monitoring: Industrie nutzt nicht alle Möglichkeiten
Wenn etwas faul ist, verrät das der Ölgeruch

Wenn etwas faul ist,  verrät das der Ölgeruch
CMS-Experte und Sonderschau-Organisator Peter- Michael Synek (Bild: VDMA): „Mittelfristig gehört Condition Monitoring zum Standard einer Maschine.“
In Großanlagen steigern Systeme für Condition Monitoring schon lange die Zuverlässigkeit. Damit auch Maschinenbau und Automatisierung davon profitieren, entwickeln die Komponentenhersteller günstige und anwendungsfreundliche Lösungen.

Von unserem Redaktionsmitglied Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de

Die Renten sind sicher. Die Prozesse auch? Offenbar nicht in dem Maße, wie es sich die Betreiber von Maschinen und Anlagen heute wünschen. Um es rechtzeitig zu erkennen, wenn in der Technik Probleme bevorstehen, würden sie gerne Überwachungsfunktionen nutzen, die in Großanlagen schon lange die Verfügbarkeit steigern – und fordern entsprechende Funktionen bei den Konponentenherstellern ein, und zwar am liebsten zum Nulltarif.
Inwieweit sich Wunsch und Wirklichkeit treffen, soll nun die Sonderschau Condition Monitoring Systeme (CMS) auf der Hannover Messe zeigen. Die Aussteller demonstrieren, was technisch bereits möglich ist und wann sich die Überwachung auch in kleineren Anlagen rechnet. Angegliedert ist die Schau an die Leitmesse Motion, Drive & Automation. „Reibung, Verschleiß, Wellenverlagerung, Zahnbruch – das sind Gründe, die zu Ausfällen führen. Und die treten nun mal an Antriebssystemen auf“, erläutert VDMA-Mitarbeiter Peter-Michael Synek, der die Sonderschau organisiert.
Erfahrungen mit der Kontrolle beweglicher Elemente haben die Experten seit über 20 Jahren gesammelt, wobei sich eine effektive vorbeugende Instandhaltung erst seit rund 10 Jahren in der Praxis umsetzen lässt. Fortschritte brachte die Informationstechnologie, mit der sich heute Daten erfassen, speichern und in Echtzeit abgleichen lassen. Eingesetzt und erprobt wurden CMS beispielsweise an Großbaggern in der chilenischen Wüste oder an Walzen in der Papierfabrik – also bei Anwendungen, bei denen jede Minute des unvorhergesehenen Stillstands Unsummen verschlingt, so dass sich die Kosten für überwachungstaugliche Komponenten schnell rechnen.
„Bei sicherheitsrelevanten Anwendungen wie zum Beispiel im Flugzeug ist die Finanzierung von Condition Monitoring Systemen ebenfalls kein Problem“, resümiert Dr. Alfred Feuser, Leiter Vorausentwicklung bei der Bosch Rexroth AG in Lohr am Main. „In der Industrieautomation hingegen wäre technisch viel mehr möglich, als heute realisiert wird.“ Aber wenn Kunde und Hersteller über Werkzeugmaschinen oder einfache Produktionsmaschinen verhandeln, wird der Extra-Posten „Condition Monitoring“ auf der Rechnung heiß diskutiert, wie die Antriebshersteller in Gesprächen mit Peter-Michael Synek berichteten. Am Kritikpunkt Kosten setzen die Entwickler inzwischen an. „Günstigere Lösungen sind zu erreichen“, betont der VDMA-Fachmann. „Man muss sich nur anschauen, wie schnell sich in der Automobilbranche Bordcomputer durchgesetzt haben, die zum Beispiel den Ölwechsel anmahnen. Das war nur kurze Zeit ein Privileg von Luxusfahrzeugen.“
Günstiger könne die Überwachung zum einen deshalb werden, weil in den Maschinen schon heute Daten anfallen, die für die präventive Instandhaltung interessant wären. Zusätzliche Sensoren seien oft nicht erforderlich, so Synek. Darüber hinaus rechnet er damit, dass sich im Maschinen- und Anlagenbau in fünf bis zehn Jahren die Überwachung auf breiter Front durchsetzt. „Wenn sich die Anwender besser mit den Systemen auskennen, wird die Akzeptanz steigen – und zwar gerade in einem technologisch führenden Land wie Deutschland.“ An dieser Stelle schließt sich dann der Kreis: Eine größere Anzahl von Anwendungen könnte die Kosten im gewünschten Maß sinken lassen.
Darüber hinaus beackern die Ingenieure und Programmierer das Feld der Datenausgabe. Albrecht Winter, Leiter Service & Dienstleistungsmanagement bei der Esslinger Festo AG & Co. KG, rechnet beispielweise damit, dass die Überwachung auch in der Industrieautomation interessant werden könnte. Das hinge aber davon ab, ob die Systeme verwertbare Informationen liefern. „Der Anwender fängt mit der Nachricht `Filterwechsel´ etwas an, aber nicht mit einem Absolutwert für den Differenzdruck.“
Klartextinformationen auszugeben ist das Ziel der Entwickler, das aber laut Synek noch nicht flächendeckend erreicht ist. Doch sind Experten vom Forschungsfonds Fluidtechnik sogar schon einen Schritt weiter: In einem Arbeitskreis tüfteln Hydrauliker daran, wie sich die Überwachungssysteme der vielen Komponenten in einer Achse so abstimmen lassen, dass sie für den Anwender eine einzige verständliche Meldung auswerfen. „Auf diesem Sektor besteht durchaus noch Handlungsbedarf“, räumt Synek ein.
Einen großen Markt für CMS sehen Fachleute bei Werkzeugmaschinen, beispielsweise beim Überwachen von Hauptspindeln für das Zerspanen. Dr. Edwin Becker von der Flender-Service GmbH in Herne rechnet damit, dass auch in der Kunststoff verarbeitenden Industrie neue Anwendungen entstehen, beispielsweise für das Überwachen von Extrudern. Und was Hans Sondermann, Geschäftsführer der SEW-Eurodrive GmbH & Co. KG, ankündigt, deutet ebenfalls auf mehr CMS-Einsatz hin. Die Bruchsaler wollen „bis Ende 2005 das Condition Monitoring aktiv im Markt etablieren“. SEW setzt dafür auf einen Schwingungssensor, der Parameter an Getriebe und Lagern erfasst. Auch ein Nachrüst-Kit ist geplant, so dass sich bestehende Maschinen und Anlagen auf Condition Monitoring umrüsten lassen.
So bekommt der erfahrene Mitarbeiter Konkurrenz, der mit dem Ohr am Schraubenzieher den Lagerzustand bewertete und für den Instandhalter bisher unbezahlbar war. Und die Technik könnte seine Urteilskraft sogar überflügeln. Das von Flender entwickelte System Addi Control beispielsweise beurteilt die Qualität von Maschinenölen anhand des Ölgeruchs. Verändert sich dieser durch den Additivabbau, droht eine Störung. Wer sollte das erschnuppern?

Sonderschau CMS

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Auf der Sonderschau Condition Monitoring Systems (CMS) in der Halle 24 ist die gesamte Bandbreite vorausschauender Zustandsdiagnose zu sehen. Die Gondel einer Windkraftanlage ist das Paradebeispiel, um zu demonstrieren, was permanente Überwachung heute ermöglicht. Laut VDMA fordern viele Anwender bereits Überwachungsfunktionen an Antrieben. Je nach Besucherinteresse könnte die Sonderschau fester Messebestandteil werden.

Neuheiten für das Condition Monitoring
Wenn Informationen über den Zustand einzelner Komponenten oder das Gesamtsystem Maschine gesammelt und ausgewertet werden, sprechen die Experten von Condition Monitoring. Es soll die vorausschauende Instandhaltung ermöglichen, wie die folgenden Neuheiten zeigen (Sonderschau CMS, Halle 24).
Ölüberwachung: Die A. Friedr. Flender AG, Bocholt, präsentiert in Hannover ihr Ölüberwachungssystem Addicontrol. Es erkennt Veränderungen in der chemischen Zusammensetzung von Maschinenölen – also quasi den Geruch –, die auf schädliche Zustände schließen lassen. Damit soll sich drohender Verschleiß schon früh zu erkennen geben – nicht erst, wenn Partikel im Öl auftauchen.
Leckagekontrolle: Die Simmerringe MSS1 mit optischen Sensor bietet die Weinheimer Freudenberg Dichtungs- und Schwingungstechnik KG erstmals in Standardabmessungen sowie -werkstoffen an. So soll sich der Einsatz auch bei geringen Stückzahlen lohnen. Der Sensor meldet, sobald Öl austritt, weil die Dichtfunktion an der Welle nachlässt. Das ermöglicht den geplanten Austausch.
Antriebsüberwachung: Mit einem Schwingungssensor will die Bruchsaler SEW-Eurodrive GmbH & Co. KG die Instandhaltung erleichtern. Bis Ende des Jahres soll es Nachrüst-Kits für alle Antriebe des Herstellers geben. Der Sensor erfasst alle relevanten Parameter in der Getriebe- und Lagertechnik und wertet diese aus. Er lässt sich am Antrieb oder im Klemmenkasten platzieren.

Überwachte Fördertechnik

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Mehr als 45 min brauchten Mitarbeiter früher, um beim US-amerikanischen Automobilbauer General Motors einen Vertikalförderer durch Austausch von Komponenten wieder flott zu machen. Eine pneumatische Schaltkupplung der Autogard Kupplungen GmbH, Lemgo, verkürzte die Reparaturzeit auf 1 min. Aber selbst das brachte den Materialfluss ins Stocken und verursachte Ausfallkosten von jeweils 3500 US-$. Um Störungen absehen zu können, wurde die Smart-Clutch-Kupplung zusätzlich mit dem Drehmoment-Messring Monitorq ausgestattet. Er erfasst Drehmoment und Drehzahl und meldet die Daten per Telemetrie an eine Auswerteeinheit. Sobald die dort gespeicherten Grenzwerte überschritten werden, generiert er eine Warnmeldung. Durch das Vermeiden unvorhergesehener Stillstände wurden Einsparungen in Millionenhöhe erreicht.
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