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Werkzeugbruch und Ausschuss sind passé

Gewindeformen: Günstige Alternative zu spanenden Verfahren
Werkzeugbruch und Ausschuss sind passé

Das Gewindeformen bietet eine wirtschaftliche und prozesssichere Alternative zum Gewindebohren und -schneiden. So kann etwa ein Former viele Bohrer ersetzen.

Dr. Roland Heiler ist Produktmanager Gewindewerkzeuge bei der Titex Plus Günther & Co. GmbH in Frankfurt/M.

Unterschiedliche Bauteile hochfest, aber dennoch lösbar miteinander zu verbinden – vor dieser Aufgabe stehen Konstrukteure und Fertigungstechniker in vielen Bereichen des Maschinenbaus. Am häufigsten geschieht dies mittels Schrauben-Gewinde-Verbindungen. Die erforderlichen Innengewinde werden meist durch Gewindebohren oder -schneiden eingebracht.
Bei den genannten Verfahren besteht allerdings – speziell bei langspanenden und zähen Werkstoffen, aber auch bei größeren Gewindetiefen – die Gefahr des Werkzeugbruchs durch Spanverklemmung. Darüber hinaus können Wirrspäne zu erheblichen Maschinenstillstandszeiten beitragen, da sie manuell entfernt werden müssen, um Werkzeugbruch und damit Ausschuss zu vermeiden.
Neben diesen technologischen Aspekten zwingt der steigende Wettbewerbsdruck, alle Fertigungsabläufe nach Einsparpotentialen zu untersuchen. Ein Beispiel ist das Fertigen von Innengewinden. Hier kann das Gewindeformen eine wirtschaftliche und sichere Alternative zu den spanenden Verfahren bieten. Dies gilt für fast 70 % aller industriell eingesetzten Werkstoffe, die eine Mindestdehnung von etwa 7 % besitzen. Das Formen eignet sich sehr gut zum Bearbeiten von Stählen bis etwa 1000 N/mm² Festigkeit, rostfreien austenitischen Stählen, Aluminiumlegierungen mit einem Si-Anteil bis etwa 12 % sowie weichen Kupferlegierungen.
Beim Gewindeformen wird das Werkzeug in einer Schraubenbewegung in die Kernlochbohrung eingedreht. Der Werkstoff weicht aus, fließt in die Zahnlücken des Formers und bildet das charakteristische Gewindeprofil aus. Späne entstehen bei diesem umformenden Verfahren naturgemäß keine, und somit auch keine Kosten für deren Entsorgung. Hinzu kommt, dass die Gewinde leicht zu reinigen sind. Außerdem können sich bei tieferen Gewinden keine Späne zwischen Werkzeug und Teil einklemmen, was beim Bohren zu Ausbrüchen am Werkzeug führen kann.
Während beim konventionellen Gewindebohren die Vorbohrung dem Kernlochdurchmesser des Gewindes entspricht, bildet sich dieser beim Formen erst während des Formvorgangs. Das charakteristische Zahnprofil geformter Gewinde weicht daher von dem geschnittener ab. Aufgrund der Kaltverfestigung der Gewindeflanken wirkt sich dies jedoch nicht nachteilig auf die Tragfähigkeit aus. Laut Hersteller ist der Formbohrungsdurchmesser für optimal ausgeformte Gewinde größer zu wählen als bei geschnittenen, um ein Klemmen des Werkzeugs zu verhindern.
Geformte Gewinde sind leicht zu reinigen
Wie bei jedem Umformprozess ist auch beim Gewindeformen das Schmieren von besonderer Bedeutung. Die früher übliche Beschränkung auf spezielle Umformöle als Schmiermittel ist auf Grund moderner Hochleistungsbeschichtungen in den meisten Einsatzfällen nicht mehr erforderlich. Eine Vielzahl von Formern wird heute auf konventionellen Bearbeitungszentren mit den üblichen Kühlschmieremulsionen oder sogar Mindermengenschmierung verwendet.
Gegenüber dem konventionellen Gewindeschneiden sind oft höhere Fertigungsgeschwindigkeiten prozesssicher zu erzielen, da insbesondere bei Grundlochgewinden der Spänetransport entgegen der Vorschubrichtung des Werkzeugs entfällt. Darüber hinaus können bei gut formbaren Werkstoffen wie Aluminium-Knetlegierungen oder Baustählen die Standzeiten der Former die Lebensdauer konventioneller Bohrer deutlich übersteigen. Beides bedeutet für den Anwender reduzierte Fertigungszeiten und Kosten.
Der Former führt sich selbstständig im entstehenden Gewinde. Da dieses nicht geschnitten wird, kann das Werkzeug auch nicht verschneiden. Die Gefahr nicht lehrenhaltiger Gewinde und damit der Produktion von Ausschuss ist beim Formen sehr gering. Die Maßhaltigkeit der Gewinde wird praktisch nur durch den Verschleiß des Formers begrenzt. Da unter normalen Fertigungsbedingungen der Verschleißfortschritt kontinuierlich erfolgt, lässt sich der Fertigungsprozess bei Bedarf über eine Drehmoment- oder Leistungsüberwachung der Antriebsspindel kontrollieren.
Beim Formen werden die Gewindeflanken sehr gut geglättet. Die Materialfasern werden umgelenkt und nicht wie beim Schneiden durchtrennt. Dieser Vorgang sorgt für eine Kaltverfestigung des Gewindes, was sich wiederum günstig auf die Festigkeitseigenschaften der Verschraubung auswirkt.
Aufgrund seiner Arbeitsweise unterscheidet sich die Konstruktion eines Gewindeformers grundlegend von der eines Bohrers. Um den Werkstoff leichter verdrängen zu können, besitzt der Former einen polygonalen Querschnitt mit ausgepägten Drückkanten. Da keine Spannuten erforderlich sind, ist der Querschnitt des Werkzeugs wesentlich stabiler. Dadurch lässt sich der Former auch unter ungünstigen Bedingungen sicher einsetzen.
Bei tieferen Gewinden werden Former mit schmalen Schmiernuten verwendet. Diese dienen jedoch nur zur besseren Schmiermittelzufuhr in den Bereich der Umformzone und wirken sich nicht auf die Stabilität des Werkzeugs aus.
Ein wesentlicher Vorteil des Formens gegenüber der konventionellen Gewindeherstellung ist, dass sich eine Werkzeugversion für alle formbaren Werkstoffe sowie für Grund- und Durchgangsgewinde eignet. Hieraus ergeben sich Kosteneinsparungen aufgrund wesentlich weniger Werkzeuge.
Die Gesamtbeurteilung der Eigenschaften und Vorteile des Gewindeformens macht deutlich, dass das Verfahren beim Planen einer Bearbeitungsaufgabe als spanlose Alternative vorbehaltlos berücksichtigt werden kann.
Industrieanzeiger
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