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„Werkzeugkosten pro Teil sind die entscheidende Größe“

Mapal-Chef und Verbandsvorstand Dr. Dieter Kress über die Situation der Präzisionswerkzeugbranche
„Werkzeugkosten pro Teil sind die entscheidende Größe“

Wo´s für die Hersteller und die Nutzer von Präzisionswerkzeugen hingeht, sagt Dr. Dieter Kress. Der geschäftsführende Gesellschafter der Aalener Mapal Dr. Kress KG war in den letzten sechs Jahren auch Vorsitzender des Fachverbands Präzisionswerkzeuge im VDMA.

Herr Dr. Kress, welche technischen Trends werden die Zerspanwerkzeug-Branche kurz- und mittelfristig prägen?

Derzeit sehe ich keine grundlegend neuen Trends. Die Entwicklung hin zu kleineren Losen wird sich bei unseren Kunden fortsetzen. Aufgrund der Erfahrungen in der Krise werden sie keine so großen Lagerbestände mehr anlegen. Folglich muss ihre Fertigung deutlich flexibler werden, Umrüstzeiten müssen schrumpfen, besser noch ganz wegfallen. Es gilt die Prozesse insgesamt zu optimieren. Ein zentraler Aspekt dabei: Zerspaner müssen die Werkzeugkosten pro gefertigtem Teil ins Zentrum rücken.
Um dieses Bewusstsein kämpft die Branche schon lange. Wächst die Einsicht jetzt?
Das Thema ist mir seit Jahren wichtig. Jetzt endlich kommt´s auch bei den Kunden an. Sie verstehen langsam, dass nur die Cost-per-Part über die Wirtschaftlichkeit eines Werkzeugs oder Werkzeugsystems entscheiden, nicht der reine Einstandspreis.
Für die Anbieter hochwertiger Tools, die im Wettbewerb mit Billigherstellern stehen, wäre das eine positive Entwicklung…
Deshalb legen wir ja so viel Wert auf diesen Aspekt. Kopierte Werkzeuge sehen zwar vielfach optisch gleich aus wie die Originale, aber Leistung und Standzeit sind oft deutlich schlechter. Auch das Prozess-Know-how, mit dem gute Hersteller ihre Kunden unterstützen, fehlt bei den Billiganbietern. Leider ist das ohne das entsprechende Fachwissen kaum zu beurteilen.
Was ist also zu tun?
Enorm wichtig wäre eine engere Zusammenarbeit zwischen Beschaffung und Produktion. Um das Optimum hinsichtlich der Cost-per-Part zu erreichen, ist erhebliche Kompetenz gefragt. Das setzt auch uns Hersteller von Qualitätswerkzeugen unter Druck, denn wenn wir etwas versprechen, müssen wir das auch halten. Und wenn wir – um unsere Zusagen einhalten zu können – nachbessern müssen, dann schmälert das unseren Profit. Deshalb gibt es bei den namhaften Herstellern diesbezüglich intensive Forschungsaktivitäten, aus denen sich einige neue Lösungen ergeben haben.
Können Sie hier Beispiele aus dem eigenen Haus nennen?
Ein kleines Beispiel: Eine große Reibahle mit vielen Schneiden. Das Aufarbeiten solcher Werkzeuge war bisher sehr aufwändig. Wir haben jetzt eine Lösung entwickelt, bei der wir die Schneiden einfach auf Grund setzten, klemmen und dann schleifen. Es muss nichts mehr ausgerichtet werden. Dadurch ist das Überholen der Werkzeuge viel einfacher, schneller und billiger geworden.
Ist zur EMO mit echten Highlights im Werkzeugbereich zu rechnen?
Da stellt sich natürlich zunächst die Frage: Was sind denn echte Highlights? Revolutionen wird´s keine geben, aber eine ganze Reihe neuer und weiterentwickelter Produkte, die hinsichtlich Wirtschaftlichkeit und Produktivität deutliche Fortschritte bringen. Aber die Anwender sollten hier natürlich sehr genau darauf achten: Was bringt einen echten Nutzen und was ist eher vom Marketing getrieben. Eines ist ganz klar: Der Weg aus der Krise führt über Innovationen. Dabei ist es für mich sekundär, ob es sich um eine vermeintlich kleine Änderung handelt oder um ein völlig neues Werkzeugsystem. Das Ergebnis muss stimmen!
Ändern sich durch die aktuell schwierige Wirtschaftslage die Anforderungen der Anwender an die Werkzeugtechnik?
Die Werkzeuge müssen in Aufbau, Handhabung und Aufbereitung möglichst einfach sein. Das darf aber bitte nicht mit primitiv verwechselt werden. Außerdem müssen die Werkzeuge – wie gesagt – flexible Prozesse ermöglichen.
Wie können Werkzeughersteller ihren Kunden helfen, weiter erfolgreich zu sein?
Am besten können wir helfen, indem wir die Prozesse beim Kunden analysieren, Optimierungspotenziale aufdecken, auf neue Lösungsansätze und Werkzeugsysteme aufmerksam machen und die Mitarbeiter entsprechend schulen.
Wie reagieren die Kunden auf neue Dienstleistungsangebote?
Sie sind viel offener als früher. Einfach weil sie´s müssen und weil sie Zeit haben, sich damit zu beschäftigen. Angesichts der derzeitigen Lage ist klar: Wer eine Chance sieht, Geld zu sparen, der ist interessiert. Hier hat die Krise vielfach auch ein Umdenken bewirkt.
Gerade Werkzeughersteller hatten immer Schwierigkeiten, ihre Dienstleistungen bezahlt zu bekommen. Ändert sich das?
Es gibt eine ganze Reihe von Leistungen, die nach wie vor zum Werkzeug gehören. Was jahrelang kostenlos war, kann man nicht plötzlich verrechnen. Anders sieht das beispielsweise beim Toolmanagement aus, oder bei Angeboten wie unserem Mapal ReTooling – dabei realisieren wir neue Bearbeitungsaufgaben auf dem vorhandenen Maschinenpark des Kunden und liefern einen schlüsselfertigen Prozess. Solche Leistungen können wir natürlich nicht kostenlos erbringen. Das verstehen die Kunden auch.
Es ist damit zu rechnen, dass mittel- bis langfristig die Zahl der Elektroautos steigen und die der Verbrennungsmotoren sinken wird. Damit würden viele Zerspanungsoperationen überflüssig. Wie sehen Sie das und welche Auswirkungen erwarten Sie für die Werkzeugbranche?
Es kann sein, dass die Zukunft nach der Ölzeit dem Elektroauto gehört. Aber das kommt nicht so schnell, wie das derzeit oft dargestellt wird. In absehbarer Zeit werden vielmehr Autos für mehr Energieeffizienz sorgen, die deutlich weniger Benzin verbrauchen. Da ist noch unheimlich viel drin. Außerdem werden gerade in Schwellenländern, in denen das Verkehrsaufkommen deutlich steigen wird, besonders kostengünstige Fahrzeuge gefragt sein. Und das können nur sparsame Benzin- und Diesel-Modelle sein. Insofern sehe ich mittelfristig nicht den großen Umbruch für unsere Branche. Auch in der Motorenfertigung werden Zerspanwerkzeuge weiterhin eine zentrale Rolle spielen. Natürlich müssen wir uns über Zukunft Gedanken machen, aber bis 2020 wird sich da nicht viel ändern.
Wie ist die aktuelle Situation in der Werkzeug-Branche?
Schwierig. Der VDMA wird in Mailand mehr dazu sagen. Aber wir müssen von einem deutlichen Rückgang ausgehen. Und diese Entwicklung geht quer durch fast alle Anwenderbranchen. Bis wir wieder auf einem Stand sind wie in den ersten neun Monaten 2008, das wird drei bis fünf Jahre dauern.
Haider Willrett haider.willrett @konradin.de

VDMA-Fachverband Präzisionswerkzeuge
Der Fachverband Präzisionswerkzeuge im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA), Frankfurt/M., vertritt eine Branche, die mit rund 77 000 Beschäftigten zu den größten Fachzweigen des Maschinenbaus in Deutschland gehört. Der Fachverband hat derzeit 215 Mitglieder aus den Bereichen Zerspanwerkzeuge, Spannzeuge, Fertigungs-Mess- und Prüftechnik sowie Werkzeugbau. Die überwiegend mittelständisch geprägte Branche erreichte 2008 nach einem sehr guten ersten Dreivierteljahr einen Produktionsrekord von rund 10 Mrd. Euro. Der Exportanteil liegt bei 53 %. Mapal-Chef Dr. Dieter Kress steht dem Fachverband seit 2003 vor. Am 18. September (nach Redaktionsschluss) wurde turnusgemäß ein neuer Vorstand gewählt.
Weitere Informationen:
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
Ausgabe
6.2024
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