Eine hohe Flexibilität und deutlich verkürzte Umrüstzeiten kennzeichnen eine neue Generation modularer Doppelseiten-Schleifmaschinen, die zum gleichzeitigen Bearbeiten zweier Planflächen eingesetzt werden.
Dipl.-Ing. Lothar Handge ist Fachjournalist in Velbert
Die Automobil- und Wälzlagerindustrie waren bisher die wesentlichen Einsatzgebiete der Doppelseiten-Schleifmaschinen der Maschinenfabrik Ernst Thielenhaus GmbH, Wuppertal. Nach Angaben des Vertriebsleiters Dipl.-Ing. Oliver Stammen belege eine Marktanalyse allerdings, „dass über die Massenfertigung hinaus für das Doppel-Planseitenschleifen in vielen, auch automobilfremden Bereichen ein großes Potenzial existiert“. Ein Beispiel seien Stanz- und Schmiedeteile in kleinen und mittleren Losgrößen.
Aus dieser Erkenntnis heraus entwickelten die Wuppertaler die Doppelseiten-Schleifmaschinen Twin-Star H 600, H 900 und V 600, bei denen eine modulare Konzeption mit innovativen Detaillösungen zu einem neuartigen, universellen System verbunden wurde. „Damit können die Maschinen flexibel allen Produktions- und Automatisierungsanforderungen sowie einem breiten Werkstückspektrum angepasst werden“, hebt Oliver Stammen hervor.
Die Baureihe basiert auf zwei Plattformen für 600er- und 900er-Schleifscheiben zum horizontalen oder vertikalen Bearbeiten im Einstech- oder Durchlaufschleifen sowie in der Kombination beider Verfahren. Das neue Konzept soll dem Anwender ermöglichen, die Maschinen noch einfacher als bisher in bestehende Fertigungssysteme zu integrieren und mit automatisierten Werkstückwechslern zu kompletten Fertigungslinien zu verketten. Im Hinblick auf den zunehmenden Wettbewerb und die dadurch erzwungene Einsparung von Personal- und Fertigungskosten ist die Baureihe darauf ausgerichtet, die Schleifbearbeitung in automatisierte Logistiksysteme zu integrieren.
Kennzeichen der kompakt bauenden Maschinen sind
– eine hohe Prozesssicherheit und Verfügbarkeit,
– weitgehende Wartungsfreiheit,
– gute Zugänglichkeit des Arbeitsraumes sowie
– ein geringer Platzbedarf.
Um bis zu 70 % reduzierte Werkzeugwechselzeiten, eine stark verkürzte Umrüstdauer und kurze Taktzeiten durch optimierte Werkstück-Zuführsysteme sollen für eine hohe Produktivität sorgen.
Der vollständig gekapselte Arbeitsraum ist gut zugänglich
Um eine hohe Qualität sicherzustellen, beschritten die Wuppertaler beim Maschinenbett neue Wege: Es ist in Schrägbettbauweise konstruiert, mittels FEM strukturoptimiert und besteht aus Mineralguss. Dieses Material verbindet hohe Steifigkeit und Thermostabilität mit einem guten Dämpfungsverhalten. Der Kühlschmiermittel-Abfluss und die Absaugung wurden nach unten gelegt. „Dadurch kann die prozessbedingte Strömung des Kühlschmiermittels genutzt und ein hoher Unterdruck im vollständig gekapselten Arbeitsraum erzeugt werden“, erläutert Oliver Stammen.
Beim Schleifspindelstock ersetzen Motorspindeln die klassischen, verschleißanfälligen Pinolenführungen. Die direkt angetriebenen Schleifspindeln bilden mit dem NC-Vorschubsystem eine Funktionseinheit. „Die wassergekühlten, optional regelbaren und drehmomentoptimierten Hauptantriebe sind auf hohe Antriebsleistungen ausgelegt“, betont der Vertriebsleiter. Die hermetisch verschlossenen Lagerungen der Spindeln seien praktisch wartungsfrei. Das Schwenken um die Mittelachse der Spindel – die Tiltung – werde über einfache, patentierte Verstelleinrichtungen ausgeführt.
Mit der Option der variablen Schleifspindelantriebe zum unabhängigen Regeln der Spindeln sei Thielenhaus laut Projektierungsleiter Dipl.-Ing. Michael Müller „einziger Anbieter auf dem Markt“. Das System kann auf der linken und rechten Seite des Werkstücks unterschiedlich stark abtragen. Die Schleifspindeln lassen sich schnell anhalten. Darüber hinaus legte das Unternehmen Wert darauf, die Werkzeugwechselzeiten zu reduzieren und – über die Einstellung der Umfangsgeschwindigkeit – die Schleifprozesse zu optimieren.
Beim Doppel-Planseitenschleifen lassen sich Werkstücke auf zwei Seiten gleichzeitig schruppen oder schlichten. Die Hochleistungsschleifscheiben sind je nach Anwendungsfall mit keramischer oder Kunstharz-Bindung ausgelegt. Allerdings können auch Schleifmittel aus kubischem Bornitrid (CBN) oder Diamant verwendet werden.
Zur Werkzeugaufnahme dienen Kurzkegel und Bajonettring. Die Befestigungsschrauben lassen sich einfach lösen, und der Arbeitsraum ist gut zugänglich. „Dadurch dauert ein Schleifscheibenwechsel nur zwanzig Minuten, statt der sonst üblichen ein bis drei Stunden“, versichert Michael Müller. Bei horizontal angeordneten Spindeln findet der Schleifscheibenwechsel von oben, bei Vertikal-Maschinen seitlich über eine Werkzeugwechselhilfe statt.
Die Abkehr von der Pinolenbauweise soll bei dem FEM-optimierten, NC-gesteuerten Abrichter eine gleichbleibend hohe Steifigkeit und Genauigkeit sichern. Zum Wechseln des Werkzeug- oder Abrichtdiamanten lässt sich der Abrichter aus dem Arbeitsraum herausschwenken. Die Abrichtwerkzeuge werden mit einer Einstelllehre vorjustiert. Das Zuführen von Kühlschmiermittel hilft, den Abrichtvorgang zu optimieren und den Diamantverschleiß zu verringern. „Der Automatikbetrieb bietet eine hohe Prozesssicherheit, weil Abrichtbetrag und Werkzeugverschleiß gleichermaßen kompensiert werden“, erklärt Michael Müller. Die Abrichtintervalle sind nach Zeit oder Anzahl der Werkstücke programmierbar.
Gesteuert werden die Maschinen von einer Siemens-CNC 840D mit digitalen Antrieben und Safety-integrated-Funktion. Damit können störanfällige mechanische Endschalter an den Achsen entfallen, ohne dass das sichere Verfahren der Achsen und der Betrieb der Maschine beeinträchtigt werden.
Zum Bedienen steht ein TFT-Farbdisplay mit erweitertem Tastenmodul zur Verfügung. Während des Prozesses kann der Bediener alle wichtigen Daten wie die aktuelle Abtragsrate und die Leistungsaufnahme der Antriebe abrufen. Das Bearbeitungsprogramm wird durch Optimieren des Zerspanungsvorgangs im praktischen Versuch ermittelt. Die so gefundenen Parameter können werkstückpezifisch in der Maschinensteuerung hinterlegt werden. „Damit sind auf Abruf bis zu 100 Bearbeitungstypen reproduzierbar“, merkt Michael Müller an.
Alle Daten sind zum Weiterverarbeiten auf dem PC verfügbar und können über eine Schnittstelle ausgelesen werden. Die Software überwacht alle wichtigen Maschinenfunktionen, verhindert unbeabsichtigte Fehlbedienungen und informiert das Bedienpersonal über Serviceintervalle. Der Online-Direct-Service (ODS) zur Ferndiagnose und -wartung soll die Maschinenverfügbarkeit steigern und den Produktionsausfall bei eventuellen Störungen vermindern.
Für den Teiletransport in der Maschine lassen sich dank des universellen Maschinenbetts verschiedene Zuführsysteme für die unterschiedlichen Schleifverfahren realisieren.
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