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„Wie kommt die Fliege in den Reinraum?“

Richtiges Verhalten bei der Montage
„Wie kommt die Fliege in den Reinraum?“

Bei der Lieferung und Montage von Reinraumkomponenten müssen besondere Regeln eingehalten werden, sonst kann es leicht zu kostspieligen Schäden beim Kunden kommen. Das A und O sind genaue Absprache und umsichtiges Verhalten.

Gisela Hauff ist Geschäftsführerin der Planungsbüro Reinraumtechnik Hauff GmbH in Reichenbach/Fils

Die Aufregung war groß, als die Fliege im Reinraum entdeckt wurde. Wie kam sie da rein? Wo war das Loch im System? Eine Analyse ergab, daß ein Monteur eine Tür offengelassen hatte, als er noch eine Kleinigkeit an einer Maschine nachgerüstet hatte. In Straßenkleidung und mit einem Paket unter dem Arm hatte er sämtliche Schleusen und Hinweise übergangen und war in den Reinraum gestapft, um schnell seine Tätigkeit erledigen zu können.
Den gleichen Weg nahm die Fliege und trug mit ihrem Körper Partikel, Sporen von Pilzen, Viren und Bakterien in den Raum. Wo sie sich setzte, hinterließ sie diese für das Auge unsichtbaren Spuren. Auch der Monteur trug mit seinen Händen, Schuhsohlen und der Garderobe zur Kontamination bei. Sein Fehlverhalten verursachte Kosten im fünfstelligen Bereich, für die sein Unternehmen aufzukommen hatte. Der Pharma-Reinraum mußte neu abgenommen werden.
Die Praxis zeigt, daß viele Unternehmen, die einen Reinraum einrichten wollen, und jene, die Anlagen und Komponenten dafür liefern wollen, nicht über die notwendigen Grundkenntnisse verfügen. Für letztere besteht die Gefahr, aus Unwissenheit großen Schaden beim Kunden anzurichten, insbesondere durch ungeschultes Montage-Personal. Auch falsche Transport- und Verpackungsarten können dazu beitragen, daß Reinräume kontaminiert werden.
Der Bau eines solchen Raumes erfordert umfangreiches Fachwissen und ist Aufgabe von Spezialisten. Um am Ende der Bauzeit weitgehend saubere und reine Bedingungen zu erhalten, wird der Raum in mehreren Schritten montiert. Das gesamte Montagematerial und alle Komponenten müssen mindestens zweifach verpackt in gesonderte Zwischenlager beim Kunden angeliefert werden. Kontaminationen durch den Transportweg lassen sich so mit der äußeren Hülle der Verpackung schon außerhalb des späteren Kernbereiches entfernen. Der Liefertermin wird dabei genau vom Planer festgelegt. Im Zwischenlager werden die Komponenten gereinigt und dann oftmals über bereits provisorisch installierte Materialschleusen in den Bereich des späteren Reinraumes eingebracht.
Auch die Monteure dürfen den Raum dann nur noch in spezieller Kleidung betreten. Sie müssen ihren Blaumann in einer Personalschleuse gegen Reinraumkleidung wechseln, die nirgendwo anders getragen werden darf. Die Qualität dieser Bekleidung bestimmt der Bauherr. Es müssen mindestens flusenfreie Overalls sein.
Zu der Spezialkleidung gehören eine separate Kopfbekleidung, etwa Helme oder Hauben, sowie weiße Handschuhe. Die verhindern Fingerabdrücke an Wänden, Decken oder Komponenten. Als Schuhe eignen sich beispielsweise Turnschuhe, solange sie ebenfalls nur im Bereich der Schleuse oder des Reinraumes getragen werden. Innerhalb dieser Bereiche ist es zudem verboten, zu essen oder zu rauchen, da das zu Kontaminationen von Oberflächen beitragen kann.
Wenn im Schleusen- und im Kern-bereich die Schwebstoffilter eingebaut werden, säubern parallel dazu Fachfirmen alle Oberflächen in den Räumen. Dieses erfolgt in mehrfachen Intervallen mit speziellen Geräten und Materialien. Restmontagen fehlender Komponenten sind dann nur noch in Absprache mit dem Bauherren möglich. In Bereichen der Pharma-, Kosmetik- und Lebensmittel-Industrie kommen noch hygienische Maßnahmen hinzu, wie eine Schaum- oder Flüssigreinigung oder eine Begasung um mikrobielle Kontaminationen zu entfernen.
Der Zeitaufwand und die Kosten für diese Tätigkeiten sind nicht zu vernachlässigen, denn zur Abnahme eines Reinraumes muß das Fachpersonal während und nach der Reinigung entsprechende Prüfmethoden durchführen. Beispielsweise zeigt eine Partikelmessung, ob die Luftfilter dicht sind. Diese sogenannte Filterdichtsitz-Prüfung führt in der Regel die Firma aus, welche den gesamten, leeren Reinraum mit der erforderlichen Technik liefert. Für die Abnahmebereitschaft, Qualifizierung und Fertigung müssen mehrere Betriebszustände nachgewiesen werden – im Fachjargon: „as built“, „at rest“ und „in operation“. Im Pharma-Bereich muß zudem noch die FDA-Behörde den Raum abnehmen, wenn die darin produzierten Waren auch in die USA geliefert werden sollen.
Wird nach dieser Abnahme unkontrolliert Material in den reinen Bereich gebracht, muß die komplette Abnahmeprozedur wiederholt werden. Das gilt auch später, wenn im Reinraum Anlagen repariert werden müssen oder neue Geräte hinzukommen.
Checkliste
Wenn Ihr Unternehmen eine Kundenanfrage erhält, in der das Wort Reinraum vorkommt, sollten Sie sich rechtzeitig informieren, was das für Sie bedeutet:
  • 1. Für welche Reinraumklasse und nach welcher Norm (VDI, US-FS 209, GMP/FDA oder ISO) muß die Materiallieferung erfolgen?
  • 2. In welcher Verpackung müssen die Produkte angeliefert werden?
  • 3. Wann und in welcher Phase erfolgt die Montage?
  • 4. Wie muß dementsprechend die Montagekleidung aussehen?
Standard: blauer Anzug – Stufe 1: Hauskleidung, zum Beispiel des Kundenunternehmens – Stufe 2: Reinraumkleidung, Vollschutz
  • 5. Wer stellt die Bekleidung?
  • 6. Gibt es bauseitig Schleusen für Material und Personal ?
  • 7. Müssen Reinraumwerkzeuge aus speziellem Material benutzt werden, oder ist die Werkzeugkiste ausreichend? Für bestimmte Bereiche lohnt es sich eine zweite Serie Werkzeuge anzuschaffen, die nur im Reinraum benutzt wird. Diese muß außerhalb des Reinraumes luft- und partikeldicht gelagert werden.
VDI 2083 Blatt 4 beinhaltet die Kriterien. Die Normenreihe mit den Blättern 1 bis 11 wurde von Fachleuten der Reinraumtechnik erstellt. Sie ist über den Beuth-Verlag, Berlin, erhältlich.
Reinraum: Was sich hinter dem Namen verbirgt
Ein Reinraum ist eine genau definierte Gebäudezelle, in der Lebensmittel, Kosmetikartikel, Pharmazeutika oder winzige Mikroelektronik-Bauteile unter technisch vorgeschriebenen, hochreinen Bedingungen hergestellt werden.
Oft sind dafür sogar sterile Bedingungen nötig. Diese Reinheit oder Sterilität dient als Produktions- und Qualitätsschutz. Reinräume in der Forschung und Pharmaindustrie erfordern teilweise auch einen Personenschutz.
In diesen Räumen sind teilweise Partikel in der Größe bis 0,1 µm nicht akzeptabel. Das schließt sogenannte Koloniebildende Einheiten (KBE) ein, wie Bakterien, Sporen oder Viren. Um die gewünschte Produktqualität zu erreichen, müssen der Raum und die Fertigungseinrichtungen sorgsam geplant, gebaut, montiert und gereinigt werden.
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