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Wind bläst zum Aufbruch

Windkraft: Leichte und wartungsarme anlagen im fokus
Wind bläst zum Aufbruch

Das Windgewerbe ist die Boombranche par excellence. Experten rechnen mit einer Verfünffachung der Neuinstallationen bis 2017. Allein RWE hat beim Anlagenbauer REpower 250 Windräder bestellt. Aber auch technisch bewegt sich viel. Beispiele: Generatoren kommen ohne Getriebe aus, stromisolierte Lager sind haltbarer. Der Trend: mehr Leistung bei weniger Gewicht.

BP, zweitgrößter Erölkonzern der Welt, stellt in einer Anzeigenserie die Frage: „Wird die Windenergie weiter wachsen?“ – und schiebt die Antwort gleich hinterher:„Mit Sicherheit!“. Dass in der Windenergiebranche „alles andere als Flaute herrscht“, davon ist Hermann Albers, Präsident des Bundesverbandes WindEnergie, überzeugt. Und Andreas Düser von der Enercon GmbH meint, dass „es trotz der insgesamt angespannten wirtschaftlichen Lage mit der Windindustrie bergauf geht, ein Wachstum im zweistelligen Bereich ist durchaus realistisch. Damit helfen die Erneuerbaren Energien, insbesondere die Windenergie, die Folgen der globalen Krise zu mildern.“

Für 2017 erwarten die Experten Neuinstallationen in Höhe von über 100 GW im Jahr – fünfmal so viel wie 2007. „Wir sprechen für 2017 von einem jährlichen Umsatzvolumen von weit über 100 Mrd. Euro“, bestätigt Thorsten Herdan, Geschäftsführer von VDMA Power Systems, diese Zahl. Die Mitarbeiterzahlen werden sich in diesem Zeitraum von derzeit über 30 000 mehr als verdreifachen, die Potenziale bei den Zulieferern nicht mitgerechnet. Doch gerade die Zulieferer sind es, die bei der Ausschöpfung des Wachstumspotenzials eine Rolle spielen.
Es ist aber nicht nur die Masse, die sich verändert, sondern auch die technischen Rahmenbedingungen: Je höher die Windanlage, desto höher der Ertrag der heute über 60 m Radius messenden Rotorflügel. Wer aber heute in den Offshore-Parks mit „Leichtigkeit aufs Meer“ will, der muss auch leichte und wartungsarme Antriebe für leistungsstarke Windturbinen entwickeln. So haben beispielsweise die Ingenieure der Bremer Lloyd Dynamowerke und der Universität Bremen einen so genannten Transversalflussgenerator mit 50 kW Leistung entwickelt, der den Windmarkt revolutionieren könnte. Die Maschine arbeitet ohne störanfälliges Getriebe und wiegt bei gleicher Leistung bis zu 75 % weniger als herkömmliche, direkt angetriebene Generatoren. Das erhöht die Zuverlässigkeit, spart Materialkosten und vereinfacht die Installation. Spätestens in vier Jahren wollen die Lloyd Dynamowerke den Leichtbau-Generator für Großturbinen auf den Markt bringen. Die Industrie zeigt Interesse: Das Rostocker Unternehmen W2E will mit dieser Technik Windkraftanlagen mit über 3 MW Leistung bauen.
Der Antrieb weckt Hoffnung für die von hohen Rohstoffpreisen gebeutelte Branche. Bis 2020 sollen allein vor den deutschen Küsten 10 000 MW Windleistung installiert werden. Das ist mit hohen Kosten verbunden: Stahl ist teuer und Transport, Installation und Wartung der Riesenflügler sind aufwendig. Für den Offshore-Einsatz auf hoher See entwerfen Ingenieure daher kompaktere Antriebe und Rotorblätter mit besserer Aerodynamik. Die EU hat zudem das Forschungsprojekt Upwind gestartet: Mit einem Budget von 22 Mio. Euro entwickeln 39 Firmen und Institute bis 2010 Design-Grundlagen von 10-MW-Maschinen.
Die Lloyd Dynamowerke konzentrieren sich auf den Generator: „Wir setzen auf Direktantrieb mit vertretbarem Gewicht“, sagt Projektleiter Norbert Götschmann. Bei gängigen Antrieben beschleunigt ein Getriebe die Windenergie auf eine Drehzahl, die der Frequenz des Netzstroms entspricht. Die neue getriebelose Technik wandelt nun die Bewegung direkt in Strom um. Um den Generator leichter zu machen, nutzen die Bremer einen Trick: Sie verstärken das im Inneren herrschende Magnetfeld, indem sie mehr und stärkere Magneten einsetzen. Durch diese Verdichtung kann bei gleicher Größe mehr Kraft erzeugt werden. „Das könnte bei einer Fünf-Megawatt-Turbine das Gewicht des Generators von durchschnittlich 370 auf 100 Tonnen senken“, sagt Götschmann.
Auch Turbinenentwickler W2E ist beeindruckt: „Mit der Technik können wir Anlagen leichter bauen und besser transportieren“, sagt Firmenchef Torsten Schütt. Andere Firmen suchen ebenfalls nach neuen Konzepten. Auch Enercon verdankt sein Wachstum dem Mut zur Einfachheit, weil der Auricher Hersteller bei seinen Windrädern auch auf ein Getriebe verzichtet. Das aber steigert ihre Zuverlässigkeit enorm. Denn üblicherweise geht mehr als die Hälfte der Ausfälle von Windkraftanlagen auf Schäden am Getriebe zurück. Die Konkurrenz sagt zwar, dieser Ansatz mache die Anlagen schwer, Unmengen teures Kupfer würden gebraucht, für den Einsatz auf hoher See sei diese Technologie völlig ungeeignet. Unlängst jedoch kündigte der Strategiechef von Siemens eigene getriebelose Windmühlen an. An der Idee scheint doch etwas dran zu sein, denn der Nürnberger Konzern erprobt in der dänischen Stadt Ringköbing derzeit zwei getriebelose 3,6-MW-Turbinen. „Die Testanlage steht zwar noch an Land, doch wir sehen für die Technik künftig Potenzial vor allem auf dem Meer, weil sie weniger störanfällig ist“, sagt Siemens-Sprecher Oliver Lönker. Mit diesem Technologieprojekt will Siemens prüfen, ob und ab welcher Leistungsklasse getriebelose Windenergieanlagen wettbewerbsfähig zu Anlagen sind, die mit einem Getriebe ausgestattet sind. Windenergie ist ein wichtiger Bestandteil des Siemens-Umweltportfolios, mit dem der Konzern im Geschäftsjahr 2007 einen Umsatz von 17 Mrd. Euro erzielte.
Die US-Firmen American Superconductor und Teco-Westinghouse Motor Company entwickeln einen direktgetriebenen Windkraftgenerator mit sogar 10 MW Leistung, der doppelt so viel Strom erzeugen soll wie herkömmliche Generatoren. Die Anlage enthält statt einer Kupfer-Magnetspule dünne Supraleiter-Drähte, die Elektrizität fast verlustfrei leiten. Das führt zu einer Halbierung von Gewicht und Volumen. Einen anderen Weg geht der Maschinenbaukonzern Voith: Die Schwaben haben ein automatisches Getriebe gebaut, das die Aufgabe des Umrichters übernimmt. Dieser bringt ansonsten die Windenergie auf Wechselstromfrequenz. Das Voith-Konzept sorgt für weniger Ausfälle. Der US-Hersteller Clipper setzt in seinen Anlagen statt einem großen vier kleine Generatoren ein, um die Lasten zu verteilen und die Lebensdauer zu verlängern.
Experten sehen in den Innovationen den Schlüssel zu weiterem Wachstum der Branche. „Neuentwicklungen und Qualitätssicherung spielen eine zentrale Rolle“, sagt VDMA-Branchenexperte Thorsten Herdan. Zuletzt hatte der Innovationsdrang der Turbinenbauer nachgelassen, da sie sich wegen der boomenden Nachfrage auf die Produktionssteigerung konzentrierten.
Großlager in Windkraftanlagen zählen für Herdan mit den Großgetrieben und den Rotorblättern zu den „kritischen Komponenten“, bei denen sich ein Anbieter von Anlagen ohne Not nicht auf Experimente oder neue Anbieter einlassen würde. Zu den besonderen Anforderungen, die solche Komponenten erfüllen müssen, gehören Zuverlässigkeit und ein möglichst geringes Gewicht. So sind 7 t für ein Großlager schon ein guter Wert. Zum Spezialwissen, mit dem ein Zulieferer punkten kann, zählt bei solchen Giganten auch ein gutes Konzept für das Handling des Lagers. Auf positive Marktaussichten für Lager hat sich deshalb auch die Herzogenauracher Schaeffler-Gruppe eingestellt und in ihren Bereich Großlager für den Antriebsstrang moderner Anlagen von 220 kW bis zur Megawatt-Klasse investiert. Gehäuse, Lager und Schmierung sind dabei optimal aufeinander abgestimmt. Aktuelles Produkt der Herzogenauracher sind stromisoliernde Lager, weil Fehlströme gravierende Schäden an den Laufbahnen der Lagerringe verursachen können.
Für die Windnachführung der Gondel und die Verstellung der Rotorblätter entwickelt Schaeffler Drehverbindungen bis zu einem Außendurchmesser von 4000 mm. Durch ihren konstruktiven Aufbau übertragen sie radiale und axiale Kräfte sowie Kippmomente. Sie werden als ein- oder zweireihige Vierpunktlager ausgeführt, sowohl unverzahnt als auch innen- und/oder außenverzahnt. Bei unterschiedlichen Belastungen ermöglichen sie eine exakte Winkelverstellung.
All diese Entwicklungen zeigen, dass abgesehen von den etablierten Zulieferern die stark wachsende Nachfrage auch solchen Maschinenbauern neue Marktchancen eröffnen, die sich in Sachen Windenergie bisher bedeckt gehalten haben. Gewiss haben diejenigen einen Wettbewerbsvorteil, die sich schon vor Jahren auf die Branche spezialisiert haben. Dennoch ist der Markt auch offen für Neulinge. „Weniger für die kritischen Komponenten“, wie Herdan betont, aber bei Stellgetrieben, Kabeln, Generatoren, dem Turm oder auch der Steuerungstechnik hält er Neueinstiege für denkbar.
Industrieanzeiger
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