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Windpark und Kraftwerke brauchen neue Technik

Energieversorgung: Stand der Technik reicht nicht in die Zukunft
Windpark und Kraftwerke brauchen neue Technik

Wenn es darum geht, ob und wieviel Windkraft zum Energiemix der Zukunft gehören soll, prallen die Argumente von Gegnern und Befürwortern aufeinander. Der folgende Überblick zeigt, dass mit oder ohne erneuerbare Energiequellen Veränderungen in der Energieversorgung anstehen.

Von unserem Redaktionsmitglied Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de

Kernenergie ist gefährlich? Windenergie auch. Das behaupten zumindest ihre Gegner. Sie führen eine Reihe von Argumenten an, um zu zeigen, dass Wirtschaft und Gesellschaft Schaden nehmen, wenn ein wachsender Anteil des Stromverbrauchs durch Windkraftanlagen gedeckt wird. Die Kritiker monieren zum Beispiel, dass der Windstrom schlecht in die Versorgungskonzepte zu integrieren sei und unnötige Kosten verursache.
Wo ihre Kritik ansetzt, zeigt ein Beispiel aus der Praxis. Folgendes führt der Verband der Elektrizitätswirtschaft e.V. (VDEW), Frankfurt/M., in seiner Stellungnahme zur Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) von 2003 an: Eine Untersuchung im Gebiet des Netzbetreibers Eon habe ergeben, dass Windkraftanlagen nur an 36 Tagen des Jahres 2002 mehr als 50 % ihrer installierten Leistung ins Netz einspeisten. Nach Angaben des Verbandes brächten die Anlagen, selbst wenn man von einer guten räumlichen Verteilung ausgehe, im Schnitt nur etwa 10 % der installierten Leistung – und die auch nicht genau zu der Zeit, die eine Windvorhersage einen Tag im Voraus angibt.
Die Energieversorger haben damit ein Problem: Sie müssen die Schwankungen ausgleichen und kurzfristig Strom zukaufen, um Strommangel zu verhindern. Die ausgleichende Energie, Regelenergie genannt, komme sie teuer zu stehen, wie sie betonen. Wehe der Wind hingegen kräftig, drohten die einspeisenden Windmühlen, das Netz zu überlasten und damit Schäden zu verursachen. Ein Netzausbau bis zu einem Niveau, das die windbedingten Maximaleinspeisungen vertrüge, sei aus volkswirtschaftlicher Sicht nicht tragbar. Und weil der Gesetzgeber den erneuerbaren Energien den Vorrang beim Einspeisen einräumt, müssten heute die konventionellen Kraftwerke auf Teillast heruntergefahren werden. Da sie so nicht mehr im optimalen Betriebsbereich laufen, verschwenden sie nach Angaben der Betreiber bei starkem Wind die Energie aus kostbaren fossilen Brennstoffen wie der Kohle. Laut VDEW ließen sich diese Verluste zumindest reduzieren, wenn die Betreiber von Windrädern ihre Anlagen zukünftig stärker managten und für den Fall, dass gerade wenig Strom gebraucht wird, trotz günstigen Windes nur wenig Leistung ins Netz einspeisten.
Soweit einige Kritik aus technischer Sicht. Aber auch Betriebs- und Volkswirtschaftler melden sich zu Wort und schimpfen über Subventionen für die Windkraft, die letztlich die Verbraucher durch einen höheren Strompreis zu tragen hätten – Geld, das nicht für Konsum oder Investitionen zur Verfügung stehe. Hier geht es nach Angaben unabhängiger Stellen um Größenordnungen von rund 1 Mrd. Euro im Jahr 2003.
Aus der Sicht der Windenergie-Befürworter stellt sich die Situation freilich etwas anders dar. Zum einen werde die Einspeisung bei einer Reihe neuer Windkraftanlagen bereits gemanagt, des Weiteren seien die Windvorhersagen heute so gut, dass immer weniger Regelenergie anfalle – zum anderen werde deren finanzieller Gegenwert häufig zu hoch angesetzt. Die Netzüberlastung wiederum ist laut VDMA-Energieexperte Gerd Krieger „ein sehr vereinzelt auftretendes Problem“.
Die Einwände der Wirtschaftsexperten relativiert Prof. Olav Hohmeyer, Energiefachmann von der Uni Flensburg: Mit dem Blick auf das Portemonnaie heutiger Verbraucher oder Investoren lässt sich die Windenergie seiner Ansicht nach nicht sinnvoll bewerten. Schließlich gehe es darum, jetzt die Grundlagen für eine nachhaltige Entwicklung in den nächsten 50 Jahren zu legen. „Anders als bei der Subventionierung der deutschen Steinkohle mit rund 120 Euro pro Tonne“, so Hohmeyer, „ist die Förderung der Windenergie nur ein Ausgleich für die sehr viel höheren Gesundheits- und Umweltschadenskosten, die die konventionelle Stromerzeugung im Vergleich zur Windenergie hervorruft.“
Die nächsten 50 Jahre: Dass die heute verwendete Technologie nicht so weit in die Zukunft tragen wird, räumen die Betreiber konventioneller Kraftwerke ein. Sie müssen sich an Wirkungsgrad und CO2-Ausstoß ihrer Anlagen messen lassen, die nur mit neuer Kraftwerkstechnologie verbessert werden können. Kohle als Energieträger werde zwar weiterhin große Bedeutung haben, heißt es beispielsweise in einem Papier, das die Essener RAG-Tochter Steag AG unter dem Titel „Energien für das neue Jahrtausend“ veröffentlicht hat. Die Experten schreiben aber auch, dass sich neu entwickelte Kohleprozesse, Brennstoffzellentechnik und die meisten regenerativen Prozesse „auf dem gleichen niedrigen Entwicklungsniveau“ befinden.
In ihren Kraftwerken nutzen die meisten Energieerzeuger heute die Kernspaltung – von der sie sich werden verabschieden müssen – sowie Braun- oder Steinkohle. Die Steinkohle-Vorkommen halten am längsten und liefern laut Schätzungen noch rund 160 Jahre lang Brennmaterial. Heutige Wirkungsgrade von etwa 46 % beim Verstromen von Steinkohle oder 43 % bei Braunkohle ließen sich mit optimierter Technik auf 51 % bringen, vermuten Experten. Neuere Technik in Gaskraftwerken, die in England und Holland laut Hohmeyer bereits eingesetzt wird, erreicht schon 58 % – mit geringerem CO2-Ausstoß als bei üblichen Kraftwerken. Noch weiter in die Zukunft gedacht, seien Kombi- oder Hybrid-Prozesse vorstellbar, die den Gas-Dampf-Prozess mit Brennstoffzellen vereinen. Hier bestehen Aussichten auf einen Wirkungsgrad von 60 bis 70 %, auch wenn es nicht ohne CO2-Ausstoß geht.
Genau an diesem Punkt müssen die Industrienationen jedoch arbeiten. Beim Energiegipfel in Kyoto haben sie zugesagt, den CO2-Ausstoß bis 2010 erheblich zu reduzieren „Um das zu erreichen, müssen in Deutschland rund 40 GW Leistung bestehender Kraftwerke durch effizientere Technik ersetzt werden“, schätzt beispielsweise VDMA-Energiereferent Krieger. Demnach steht den Energieerzeugern ein größerer Wandel ins Haus.
Auch die Probleme der Netzbetreiber mit schwankenden Windstrommengen sieht Krieger im Zusammenhang. „Vorhandene Netze sind für nationale Monopole ausgelegt“, mahnt der Experte. „Stromausfälle in den USA und Italien haben aber gezeigt, dass sich die Strukturen in der Energieversorgung ändern müssen.“ Nur dann könne der liberalisierte Strommarkt kommen, der einen stärkeren Austausch von Energie über die Grenzen hinweg ermöglicht. Allein deshalb müssten die Netze ausgebaut werden – was auch das Einspeisen des Windstroms erleichtern würde. Für eine sinnvolle Entscheidung über den Energiemix der Zukunft werden sich also die Energieerzeuger verschiedener Lager an einen Tisch begeben müssen. Der VDEW beispielsweise weist in seiner Stellungnahme zum EEG in diese Richtung: „Eine parallele Entwicklung von Windenergie- und Netzausbauplanung ist erforderlich.“ Wie die Netzintegration aussehen könnte, soll eine bereits in Auftrag gegebene Studie der Deutschen Energieagentur (Dena) zeigen, an der sich alle Seiten beteiligen. Einstweilen hoffen die Experten auf eine sachlichere Diskussion des Themas.
Stromeinspeisung aus Windkraft sollte gemanagt werden
Wirkungsgrad der Kraftwerke muss besser werden
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