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Winzige Partikel, enorme Wirkung

Nanotechnologische Beschichtungen bieten besondere Funktionen
Winzige Partikel, enorme Wirkung

Beschichtungen auf nanotechnologischer Basis können mit einer Reihe erstaunlicher Eigenschaften ausgestattet werden. Das Spektrum reicht von schmutz- und wasserabweisenden Überzügen über superkratzfeste Schichten bis zu Lacken, die auf Knopfdruck ihre Farbe ändern.

Dr. Barbara Wantzen ist Wissenschaftsjournalistin in Ulm

Nanotechnologische Strukturen können nicht nur die mechanischen und physikalischen Eigenschaften von Oberflächen verbessern oder ändern, sie können auch schmutz- oder wasserabweisend wirken. Ein nanotechnologischer Autolack ändert sogar auf Knopfdruck seine Farbe. Dies bietet dem Autofahrer künftig die Möglichkeit, die Farbe seines Wagen seiner Stimmung anzupassen.
Es wird zwar noch eine Weile dauern, bis dieser Chamäleon-Lack auf unseren Straßen zu sehen sein wird, doch gibt es Autolacke und -farben auf nanotechnologischer Basis, die andere positive Eigenschaften besitzen, die aber demnächst in der Serienfertigung eingesetzt werden oder kurz vor der Markteinführung stehen.
Dazu gehört ein superkratzfester Lack, den die Wissenschaftler des Leibniz-Institutes für neue Materialien GmbH (INM) in Saarbrücken entwickelt haben. Er besteht aus einer organischen Matrix, in die Milliarden winziger, nur 15 nm kleiner Teilchen aus Aluminiumoxid-Keramik eingelagert sind. Sie legen sich wie Schuppen aneinander und bewirken so, dass kratzende Spitzen beispielsweise von Flugstaub den Lack nicht beschädigen können. Inzwischen hat der Lack eine Testserie von 200 Waschstraßen-Durchgängen schadlos überstanden.
Da die Nanopartikel kleiner sind als die Wellenlänge des Lichts, gibt es keinen Streueffekt. Der transparente Lack wird hauchdünn aufgetragen und sorgt dafür, dass der Hochglanz der Karosserie länger erhalten bleibt. „Er kann über die normale Klarlackschicht gesprüht werden, er kann diese jedoch auch ersetzen“, erläutert Dr. Carsten Becker-Willinger vom INM. „Wir haben beide Varianten schon in zahlreichen praxisnahen Tests untersucht. Die Ergebnisse waren sehr vielversprechend.“ Der neue Lack befindet sich derzeit noch in der Versuchsphase, doch wollen ihn die Wissenschaftler vom INM in absehbarer Zeit zur Serienreife bringen.
In der Farbgestaltung von Autos trägt die Nanotechnologie vor allem dazu bei, neue Metallic- und Perleffekte zu realisieren. Dazu bietet die Merck AG, Darmstadt, entsprechende Pigmente auf Siliziumdioxid- oder Aluminiumdioxid-Basis an. Die Pigmente bestehen aus künstlich hergestellten SiO2- und Al2O3-Plättchen, die mit dünnen, nur wenige Nanometer dicken Schichten aus Metalloxiden, beispielsweise Titan- oder Eisenoxid, beschichtet werden.
Mit Hilfe der Pigmente erhält der Lack einen sanften Perlglanz, der aus der Tiefe des beschichteten Bauteils zu kommen scheint. Dieser Effekt entsteht durch das Zusammenwirken dreier unterschiedlicher Wechselwirkungen des Lichts mit den Pigmentoberflächen: Durch den direkt an der glatten Oberfläche des Pigments reflektierten Anteil entsteht der Glanz. Das an den Phasengrenzen der plättchenförmigen Partikel vielfach reflektierte Licht bewirkt einen Effekt der Tiefe. Zusätzlich treten noch Interferenzen auf, wie sie bei Schichten, deren Dicke im Bereich der Wellenlänge des sichtbaren Lichts liegt, typisch sind. Sie geben der Farbe eine leicht opalisierende Wirkung.
Aufgrund ihrer präzise definierten und kontrollierbaren Eigenschaften – insbesondere der Dicke und der chemischen Reinheit – öffnen diese Pigmente die Tür zu einer neuen Ära in der Farbgestaltung nicht nur für Autolacke, sondern auch für farbige Kunststoffe, Tinten und Keramikfarben.
Von nanotechnologischen Effekten in der Oberflächentechnik profitiert eine ganze Reihe unterschiedlicher Bereiche. So lassen sich etwa Easy-to-clean-Beschichtungen auf Grundmaterialien wie Metall, Keramik oder Kunststoff aufbringen und können daher für Produkte verschiedener Art eingesetzt werden. Diese transparenten Überzüge sind nur wenige 100 nm dünn und werden mit Hilfe der chemischen Nanotechnologie hergestellt.
Gerade die Kombination bewährter und neuer Techniken eröffnet hier neue Chancen und minimiert die Risiken für den Einsatz: Unter dem Namen Nanochrom hat die Nanogate Technologies GmbH, Saarbrücken, zusammen mit der Hartchrom AG, Steinach, eine Beschichtung entwickelt, die extrem schmutzabweisend ist und gleichzeitig hohe Verschleiß-, Korrosions- und Temperaturbeständigkeit besitzt.
„Die Kombination der Eigenschaften von Hartchrom mit den maßgeschneiderten Funktionalitäten auf Basis der chemischen Nanotechnologie eröffnen neue Möglichkeiten, Kosten einzusparen und Produkte oder Verfahren zu verbessern“, erläutert Michael Jung-Forster, Geschäftsbereichsleiter Metall bei Nanogate. So wird Nanochrom beispielsweise erfolgreich in der Druckindustrie eingesetzt. Dort konnte im Rollen-Offsetdruck der Reinigungsaufwand um bis zu 85 % gesenkt werden. Dadurch sinken die Reinigungskosten und Stillstandzeiten, und die Abfallmengen werden geringer. Die Beschichtung kann in allen Industrieanlagen mit hohem Verschmutzungsgrad, insbesondere in der Papier-, Druck- und Folienindustrie, eingesetzt werden. Dabei eignet sich das Oberflächensystem sowohl für Neuanlagen als auch für die Nachrüstung bestehender Anlagen.
Eine weitere Herausforderung an Beschichtungssysteme bildet der Graffiti-Schutz. Auch hier hat die Nanotechnologie eine neue Schutzimprägnierung hervorgebracht, die von der Degussa AG, Düsseldorf, unter dem Namen Protectosil angeboten wird. Sie soll beispielsweise die Stelen des Holocaust-Denkmals in Berlin schützen. Im Gegensatz zu konventionellen Graffiti-Schutzschichten verhindert ein hauchdünner Protectosil-Film, dass die Graffiti-Farben in die Poren des Betons oder anderer mineralischer Baustoffe eindringen. Da die Schicht außerdem stark wasser-, öl- und schmutzabweisend wirkt, bietet sie Graffiti-Farben schlechte Haftung, so dass diese leicht wieder entfernt werden können. Außerdem schützt die UV- und wetterbeständige Schicht vor normaler Umweltverschmutzung.
Pigmente eröffnen neue Möglichkeiten in der Farbgestaltung
Reinigungskosten und Stillstandzeiten reduziert
Industrieanzeiger
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