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„Wir brauchen den offenen Wettbewerb“

Energiepolitik: VEA-Vorstand Manfred Panitz zur Preistreiberei der Energieversorger
„Wir brauchen den offenen Wettbewerb“

Die steigenden Energiekosten bedrohen die Wettbewerbsfähigkeit des Mittelstandes. Manfred Panitz, geschäftsführender Vorstand des Bundesverbandes der Energie-Abnehmer e. V. (VEA), erklärt, wie Unternehmen dem Preisdiktat der Versorger begegnen können.

Herr Panitz, die Energiepreise steigen nahezu ungebremst. Welche Gründe sehen Sie dafür?

In erster Linie sind die Energieversorgungsunternehmen als Schuldige zu nennen. Wir brauchen endlich den offenen und diskriminierungsfreien Wettbewerb, um dem unverkennbaren Missbrauch der Marktmacht durch Monopole und Oligopole sowie der Preistreiberei der Versorger einen Riegel vorzuschieben. Zentrale Themen sind hier unter anderem die Einpreisung von gratis an die Stromwirtschaft gegebenen Emissionsrechten, die überhöhten Netznutzungsentgelte bei Strom und Gas und die Verzögerungen bei der Regulierung des Gasnetzzugangs. Deutsche Unternehmen sollen sich unter einer Vielzahl von konkurrierenden Energieanbietern den für sie passenden, den für sie günstigsten heraussuchen können. Das muss das Ziel sein.
Hat die Politik versagt?
Ja. Die deutsche Politik hat in der Vergangenheit direkt zu einer signifikanten Erhöhung der Energiepreise beigetragen. Das dirigistische Geflecht von Stromsteuern, Konzessionsabgaben, Subventionen für erneuerbare Energien und Kraft-Wärme- Kopplung hat zu einer zusätzlichen Verteuerung geführt. Sie macht zum Beispiel rund 40 Prozent des Verbraucherpreises bei privaten Stromkunden aus; im industriellen Bereich sind es immerhin noch 26 Prozent vor Mehrwertsteuer. Es handelt sich hierbei eindeutig um politisch verursachte Belastungen.
Wie stark belasten die steigenden Kosten den Mittelstand, speziell das Verarbeitende Gewerbe?
Sehr stark. Die Energiekosten bedrohen zunehmend die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Mittelstandes. Nach Erhebungen des VEA sind allein die Stromkosten für mittelständische Energiekunden seit dem Tiefstand im Jahr 2000 um mehr als 70 Prozent gestiegen. Ähnliches gilt für Erdgas. Seit letztem Jahr sind die Kosten dort um rund 30 Prozent angewachsen.
Was sind die Folgen?
Von den zahlreichen Schließungen und Schließungsabsichten sind keineswegs nur energieintensive Großbetriebe wie in der Aluminiumindustrie betroffen. Vielmehr gehören in erheblichem Maße auch Zulieferbetriebe zu den Risikokandidaten. Die kontinuierlich unterbleibenden Ersatzinvestitionen in Unternehmen in Verbindung mit ausbleibenden Neuinvestitionen an den deutschen Standorten sind seit Jahren Realität. Es ist nicht zu leugnen, dass diese Tendenz ganz wesentlich mit den hohen Energiepreisen zusammenhängt.
Wie können Unternehmer die Kostensituation beim Energieeinkauf verbessern?
Jedes Unternehmen sollte natürlich die Preise verschiedener Anbieter vergleichen. Zum Teil ist der Energiemarkt ja bereits liberalisiert, und es bestehen Auswahlmöglichkeiten. Hilfreich sind hier zum Beispiel die regelmäßigen Preisvergleiche des VEA für Strom, Gas, Netznutzungsentgelte, Wasser und Fernwärme.
Welche Möglichkeiten gibt es noch, um dem Preisdiktat der Energieversorger zu begegnen?
Eine weitere Möglichkeit ist der Internet-Marktplatz VEA-Online als führender Handelsplatz im Sondervertragskundenbereich. Unternehmen können innerhalb kürzester Zeit ihren Energiebedarf bundesweit ausschreiben und sehr günstige Bezugskonditionen vertraglich vereinbaren. Die Kunden können zwischen einer Auktion und einer klassischen Ausschreibung wählen. Zudem haben sie die Option, den Energiebedarf über einen längeren Zeitraum oder gestaffelt auszuschreiben und so automatisch einen günstigen Zeitpunkt zum Abschluss eines Energielieferungsvertrages zu nutzen. Nach unserer Erfahrung ist die Volatilität der Energiemärkte so hoch, dass der Zeitpunkt der Beschaffung maßgeblich die Bezugskonditionen bestimmt. Ferner bieten wir Kunden neben der Strombeschaffung auch die Durchführung von Gasauktionen und -ausschreibungen an.
Welche Rolle spielen so genannte Einkaufspools, in denen sich mehrere Unternehmen zusammenschließen?
Einkaufspools können durchaus Vorteile für die beteiligten Unternehmen bringen. Die Preise für die Abnahme von Großmengen variieren zum Teil erheblich von den Preisen für Einzelkunden. Auch der VEA ist seinen Mitgliedern bei dieser Art der Energiebeschaffung als Mittler behilflich. Allerdings sehen wir in der Praxis, dass spezifische, auf das einzelne Unternehmen zugeschnittene Lösungen in der Regel zu größeren Einsparpotenzialen führen. Im Vordergrund steht dabei, Unternehmer beim Abschluss neuer Verträge individuell zu beraten und zu unterstützen sowie abgeschlossene Verträge zu prüfen und zu beurteilen.
Lohnt es sich, die Energieversorgung selbst zu übernehmen?
Prinzipiell unterstützen wir natürlich die autonome Energieversorgung, zumal sie in der momentanen Hochpreisphase eine wirkliche Alternative zum Fremdbezug sein kann. Allerdings geht es bei solchen Vorhaben schnell um Investitionssummen in Millionhöhe wie für den Bau einer Kraft-Wärme-Kopplungsanlage oder eines neuen Heizwerks. Da die vertraglichen Regelungen im Detail sehr kompliziert werden können, empfehlen wir, in Zweifelsfällen einen unabhängigen Gutachter hinzuzuziehen.
Ihr Verband vertritt vor allem die Interessen mittelständischer Betriebe. Welche konkreten Hilfestellungen dürfen Mitglieder vom VEA erwarten?
Der VEA bietet seinen Mitgliedern direkte und persönliche Beratungsleistungen. Dazu zählt die Überprüfung der Energielieferverträge, das Definieren von Einsparpotenzialen ebenso wie die jährliche Rechnungskontrolle. Der VEA steht seinen Mitgliedern auch bei Fragen des rationellen Einsatzes von Energie zur Seite. So zeigen unsere Fachleute den Mitgliedern Einsparpotenziale und Modernisierungsbedarf von Energieanlagen auf. Jedes VEA-Mitglied hat einen festen Ansprechpartner.
Und im Internet?
Auch via Internet sind wir für unsere Mitglieder aktiv. Im für Mitglieder zugänglichen Extranet bieten wir die Möglichkeit, anhand der Verbrauchsdaten Vertrags- und Preiskontrollen vorzunehmen. Die VEA-Datenbanken ermöglichen eine Standortbestimmung und zeigen, wo genau sich noch Kostensenkungspotenziale finden lassen. Ein weiteres Online-Angebot betrifft den bereits erwähnten Energiebezug. Der VEA bietet seinen Mitgliedern und anderen interessierten Unternehmen die Möglichkeit, ihren Energiebedarf per Online-Auktion auszuschreiben. Die Energiemengen werden den Versorgern zu einem Mindestpreis im umgekehrten Auktionsverfahren angeboten. Wer zum Ende der Auktion das niedrigste Gebot abgegeben hat, erhält den Zuschlag.
Auf welche Herausforderungen werden sich Industriekunden in den nächsten fünf bis zehn Jahren einstellen müssen?
Wir befinden uns in einer Hochpreisphase bei Energie. Relativ günstige Strompreise wie noch zur Jahrtausendwende werden wir so schnell nicht mehr sehen, soviel steht fest. Auch die Gasproblematik ist allgegenwärtig, hier spielen auch internationale Einflüsse eine große Rolle. Momentan dreht sich die Preisspirale weiter, allerdings nicht mehr so ungehemmt wie noch in der jüngeren Vergangenheit. Das kann sich aber schnell wieder ändern. Mittelfristig können wir nur hoffen – und dafür kämpfen wir –, dass die Verbraucherpreise nur noch maßvoll steigen. Mit Preissenkungen ist leider so schnell nicht zu rechnen. Ich kann Unternehmen nur raten, sich trotz oder gerade wegen der hohen Energiepreise mit dem Thema Energiekostenreduzierung zu beschäftigen und Einsparpotenziale auszuschöpfen. An den Preisen können wir nur indirekt etwas ändern, Energie sparen und den relativ günstigsten Versorger auswählen können wir sehr wohl. Alle Industriekunden sollten sich dafür sensibilisieren und die Chancen in der Krise erkennen. Der VEA hilft ihnen dabei.

Was der VEA leistet
Der Bundesverband der Energie-Abnehmer e.V. ist ein Zusammenschluss von Energiekunden aus mittelständischen Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen. Die Leistungen:
  • Beratung bei Abschluss von Energie- und Wasserlieferungsverträgen
  • Laufende Prüfung der Energie- und Wasserbezugsrechnungen
  • Verhandlungen mit Energie- und Wasserlieferanten
  • Betriebliche Beratung, um vertragliche Möglichkeiten optimal zu nutzen
  • Beratung über den rationellen Einsatz von Energie, auch vor Ort
  • Beurteilung von Investitionsvorhaben im betrieblichen Energiebereich
  • Erfahrungsaustausch in Workshops und Seminaren
  • Wahrnehmung der gemeinsamen Interessen gegenüber Versorgern, Verbänden und staatlichen Stellen
Der Verband im Internet: www.vea.de
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