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„Wir müssen lernen, partnerschaftlich in Netzwerken zu arbeiten“

VDWF-Geschäftsführer Willi Schmid: Wie der deutsche Werkzeugbau zu alter Stärke zurückfindet
„Wir müssen lernen, partnerschaftlich in Netzwerken zu arbeiten“

Angesichts der China-Konkurrenz brauchen Deutschlands Werkzeugbauer gute Strategien für den Erhalt ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Schlüsselfaktoren dafür sind für VDWF-Geschäftsführer Willi Schmid partnerschaftliche Bündnisse, aber auch der Service und die Pflege von Ehrlichkeit und Mentalität.

Das Gespräch führte unser Redaktionsmitglied Dietmar Kieser dietmar.kieser@konradin.de

Durch den Eintritt der chinesischen Unternehmen wird der Wettbewerb unter den Werkzeug- und Formenbauern immer ruinöser. Wie bedrohlich ist die Situation? Macht sie Ihnen Angst?
Gewiss, aber Konkurrenz gab es schon immer. Da jedoch der Markt größer war, fiel der Konkurrenzdruck nicht so ins Gewicht. Das Gefährliche an China ist, dass von dort aus eine Welle nach der anderen kommen wird. Als vor zig Jahren portugiesischen Werkzeugmacher die erste Welle anschoben, kam keine weitere nach. Sind jetzt aber die ersten 1000 chinesischen Werkzeugmacher satt und wissen, was Europa und der Weltmarkt für ihre Produkte bezahlt, wird sich schnell die nächste Welle mit nochmals so vielen Marktteilnehmern bilden. China lässt sich dadurch nicht einschätzen.
Indien sicherlich auch noch nicht. Spürt die Branche bereits den Druck von dieser Seite?
Mit ihrer Mentalität, ihrer Einstellung und ihrem Ehrgeiz werden uns die Inder mehr Probleme bereiten als die Chinesen. Intelligent wie sie sind, werden sie schnell und knallhart auftreten, ohne lange Vorlaufphase. Wer sich jetzt aber nur mit diesen Wettbewerbern beschäftigt, vergisst darüber, seine Hausaufgaben vor Ort zu erledigen.
Hat der deutsche Werkzeugbau aus den vergangenen Wettbewerbswellen nichts gelernt?
Da sich unsere Euro-Wettbewerber, Italiener, Portugiesen oder Tschechen, schnell wieder auf einem gewissen Niveau eingefunden haben, konnten wir wieder konkurrenzfähig werden. Sie haben uns natürlich gezwungen, bestimmte Gewohntheiten zu ändern. Schnelligkeit, Preispolitik, und Service rückten in den Mittelpunkt. Unsere europäischen Nachbarländer machten uns das vor, was wir heute unseren Kunden anbieten. Zuvor hatten wir das nicht nötig gehabt. Diesen Konkurrenzkampf hat unsere Branche angenommen und auch bestanden.
Was muss jetzt getan werden?
Wenn wir wieder an uns glauben und Leistung bringen, dann sehe ich gute Chancen für uns. Denn in den letzten Jahren haben wir unsere Werte wie Ehrgeiz, Verbissenheit und Zielstrebigkeit eingebüßt. Durch ein Zuviel an Arbeit hatten wir es nicht mehr nötig, diese Werte hochzuhalten. Wenn wir uns aber anstrengen, werden wir auch unsere globale Marktstellung wieder zurückerobern.
Wie kann sich der deutsche Werkzeugbauer hier zu Lande unentbehrlich machen?
Allein durch unser Wissen haben wir gegenüber den Chinesen einen riesigen Vorsprung. Wir sprechen die Sprache, haben dieselbe Mentalität und wir sind vor Ort. Das Geschäft wird immer mehr mit den weichen Faktoren entschieden, die harten sind überall gleich auf der Welt. Mentalität, Service, Qualität, Innovationsfähigkeit, Ehrlichkeit, Glaubwürdigkeit müssen wieder gepflegt werden. Es sind nicht die harten Faktoren. Mit Geld kann sich jeder Software und Technik einfach kaufen.
China hat Geld en masse!
Genau. Aber mehr Sorgen macht es mir, in welchem Stil China Bodenschätze aufkauft. In ein paar Jahren werden sie uns darauf hinweisen, dass wir die Werkzeuge zwar bauen können, aber Aluminium oder Kupfer zu entsprechenden Preisen von ihnen beziehen müssen. Das halte ich für wesentlich gefährlicher für uns, als wenn Chinesen Werkzeuge billiger und schneller bauen können.
Wie groß ist unser Entwicklungsvorsprung?.
Mit High-Tech-Werkzeugen werden Chinesen derzeit nicht beauftragt, da viel kommuniziert werden muss. Bis es einige geschafft haben, dürften drei Jahre vergehen. Die Masse wird dies sicherlich nicht erreichen. Denn der entscheidende Faktor ist der Mensch, seine Intelligenz und die Art, wie er mit anderen zusammenarbeitet. Wenn wir in Deutschland lernen, dass wir gemeinsam mehr sind und uns nicht gegenseitig bekämpfen, dann haben wir eine große Chance.
Aber in China begünstigt es der Staat, dass Netzwerke geknüpft werden.
Um so schneller müssen wir lernen, in Netzwerken zu arbeiten. Wir konnten es uns früher leisten, eine Maschine zu kaufen, die im Jahr nur 50 Stunden lief. Das ist heute undenkbar. Deshalb müssen wir Netzwerke bilden.
Gibt es Bestrebungen in der Branche, diesen Weg zu gehen?
Zwangsläufig, da die Verantwortung immer weiter nach unten gegeben wird. Wer heute ein großes Auftragspaket vergibt, verhandelt nur mit einem Ansprechpartner. Dieser in der Regel größere Werkzeugbaubetrieb wird sich einige kleinere als Partner ins Boot holen. Dabei müssen beide Seiten lernen zusammenzuarbeiten. Am besten geschieht dies, indem ein Großer oder ein Verband wie der VDWF ein Netzwerk aufbaut.
Wie kann der Verband dazu beitragen?
Der Verband muss eine Plattform bieten, auf der Unternehmer in der Führungsebene zusammen- treffen. Heute kann ein Werkzeugmacher Konkurrent, aber auch Partner sein. Wir müssen lernen, diese Konstellation zu akzeptieren. Denn der Aufbau von Vertrauen ist entscheidend. Die Partnerschaft muss ja nicht lebenslang sein. Sie kann sich auch auf ein Projekt erstrecken, in dem die Beiteiligten die Karten offen legen. Läuft die Zusammenarbeit gut, wird man sich weiter zusammen auf dem Markt bewegen. Heute gibt es fast keine Berührungsängste mehr. Wenn sich heute 15 Werkzeugmacher auf einer Messe gemeinsam präsentieren, kann man nicht von gegenseitigem Bekämpfen reden. Jeder weiß, dass er mit seiner Firma ein Alleinstellungsmerkmal hat.
Was erwarten Sie für die Zukunft?
Für Unternehmen, die innovativ sind und ihre Nachfolgeregelung getroffen haben, wird es weitergehen. Aber es werden auch einige auf der Strecke bleiben. Das Nachfolgeproblem bleibt weiterhin. Denn wenn die Generationenfrage nicht frühzeitig angegangen wird, veraltet auch die Technik schnell. Wer keinen Nachfolger hat, investiert auch nicht mehr. Dadurch ist der Todesstoß fast schon vorprogrammiert.
„Die weichen Faktoren entscheiden zunehmend das Geschäft“

VDWF: Sprachrohr und Kümmerer

Vor rund zehn Jahren gestartet, unterstützt der VDWF Verband Deutscher Werkzeug- und Formenbauer e.V. mit Sitz im oberschwäbischen Schwendi kleine und mittlere Unternehmen und wappnet sie für gemeinsame Aufgaben. Die Mitglieder, derzeit sind es knapp 100, profitieren von Leistungen wie
  • Hereinnahme und gemeinsames Abwickeln komplexer Aufträge,
  • Kooperation mit Hochschulen,
  • Mitarbeit in Arbeitskreisen zum Entwickeln, Vertiefen und Klären wichtiger Themen und Fragen,
  • verbesserte Einkaufskonditionen bei Maschinen- und Werkzeugherstellern sowie Anbietern von Hard- und Software, Werkstoffen und Peripherie und
  • betriebswirtschaftliche Beratung.
  • Zudem berät der Verband in Fragen der Aus- und Fortbildung, branchenspezifischer Seminare und der Lehrlingsausbildung.
Durch gemeinschaftliche Auftritte, etwa auf Messen wie der Euromold in Frankfurt/M., schafft der VDWF seinen Mitglieder eine Präsentationsplattform.
Kontakt: Dipl.-Ing. (FH) Tobias Knipping,
Tel. (07353) 9842-299, www.vdwf.de
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