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„Wir punkten mit Qualität gegenüber neuen Playern“

Zusammenarbeit von Daimler und Kostal unter veränderten Vorzeichen
„Wir punkten mit Qualität gegenüber neuen Playern“

Lieferantenqualität | Vor zwei Jahren hat Mercedes-Benz Cars die Bereiche Einkauf und Lieferantenqualität enger miteinander verzahnt. Dr. Klaus Zehender, Bereichsvorstand für Einkauf und Lieferantenqualität, und Andreas Kostal, Geschäftsführer der Kostal-Gruppe, berichten über die Auswirkungen. ❧ Das Interview führte Sabine Koll

Herr Dr. Zehender, was hat sich bei Ihnen in den vergangenen beiden Jahren verändert im Bereich Einkauf und Lieferantenqualität?

Dr. Klaus Zehender: Organisatorisch gesehen haben wir mit dieser Entscheidung die rund 400 Ingenieure, die bis dahin in der Qualitätsorganisation beschäftigt waren, in unsere Einkaufsorganisation integriert. Oberstes Ziel war und ist es, die Spitzenqualität, die wir unseren Kunden bieten, weiter zu steigern. Qualität ist dabei weit mehr als die Maßhaltigkeit von Bauteilen; dazu zähle ich auch die Wahrnehmungsqualität für den Kunden – auch in Form von Innovationen. Dieses Ziel können wir nur durch die enge Zusammenarbeit mit Zulieferern wie beispielsweise Kostal erreichen. Kostal ist für uns ein Paradebeispiel dafür, wie die Felder, die wir für die Zusammenarbeit mit Lieferanten als werttreibend erachten, optimal ausgestaltet werden können: Konkret sind dies Technologie/Innovation, Qualität, Liefertreue und Kosten. Man muss diese vier Punkte immer im Gesamtzusammenhang betrachten, sie bedingen einander. Mit diesem gesamtheitlichen Ansatz können wir die Spitzenqualität für unsere Fahrzeuge noch besser absichern.
Können Sie Beispiele dafür nennen?
Zehender: Kostal gehört seit vielen Jahren zu unseren innovativsten Partnern und hat sich im Laufe der Jahre vom Komponenten- zum Systemlieferanten für komplexe Baugruppen entwickelt, die sehr innovativ sind. Ich denke da an Dachbedieneinheiten, das Innenraum-Beduftungssystem in der S-Klasse oder Mantelrohrschaltermodule. Das sind hochinnovative Bauteile, wo elektromechanische Kompetenz erforderlich ist. Gleichzeitig müssen sie hochpräzise gefertigt werden, leicht zu bedienen sein und anspruchsvolle Designvorgaben erfüllen. Die Entwicklung eines technisch innovativen Bauteils alleine reicht aber nicht aus: Im gemeinsamen Dialog mit Kostal stellen wir sicher, dass die Qualität in der Serienfertigung weltweit gewährleistet ist, dass die notwendigen Werkstoffe allzeit verfügbar sind – und dass die Effizienzpotenziale identifiziert werden können. Dies alles fällt bei uns unter das Thema Lieferantenqualität. Wir stellen damit gemeinsam mit Lieferanten wie Kostal sicher, dass wir Innovationen – wie etwa zu den Themen Elektromobilität, autonomes Fahren oder Konnektivität – schneller in unsere Fahrzeuge überführen können.
Was ist das Ergebnis dieser Restrukturierung unterm Strich für Mercedes-Benz Cars?
Zehender: Wir sind – nicht zuletzt durch die Reduzierung von Schnittstellen intern sowie zu den Lieferanten – schneller und effizienter geworden.
Herr Kostal, wie sieht das aus Ihrer Sicht aus? Haben die neuen Prozesse bei Mercedes-Benz Cars Ihr Unternehmen nicht vor neue Herausforderungen gestellt?
Andreas Kostal: Ich halte es für richtig und wichtig, Lieferanten gegenüber eine gesamtheitliche Verantwortung zu haben. Bei Spannungsfeldern, wie beispielsweise im Hinblick auf Reifegrade, Terminen und Kostenänderungen, versetzt es uns in die Lage, gemeinsam die beste Lösung zu identifizieren und diese Lösung über den gesamten Zeitraum der Serienproduktion hinweg zu verantworten. Ein weiteres Plus ist aus unserer Sicht, dass wir heute bei Mercedes-Benz Cars durch die veränderte Organisationsstruktur viel früher in die Konzeption und Entwicklung eingebunden sind. Vielleicht war es ein Zufall, aber wir haben den Schritt der Zusammenführung der umfassenden Lieferantenverantwortung einschließlich der Lieferantenqualität mit dem Einkauf fast zum gleichen Zeitpunkt bei uns im Unternehmen vollzogen.
Zehender: Wie Kostal die verschiedenen Unterlieferanten steuert und damit Qualität aller Einzelkomponenten einer Baugruppe sicherstellt, das halte ich für eine zentrale Kompetenz, die in Zukunft alle unsere Systemlieferanten verstärkt erbringen müssen.
Herr Kostal, wie viele Zulieferer ihrerseits haben Sie beispielsweise bei dem Sitzverstellschalter, den Sie in der Hand haben?
Kostal: Wenn ich die Elektroniklieferanten mitzähle, komme ich alleine hier auf 35 bis 40 Lieferanten. Diese kommen aus den unterschiedlichsten Bereichen – von der Elektronik bis hin zur Galvanik – und sprechen somit unterschiedliche Sprachen. Das alles müssen wir zusammenführen. Dies zeigt, dass Lieferantenqualität alles andere als trivial ist.
Sie sprachen vorhin an, dass die Zusammenarbeit Ihrer beider Unternehmen heute wesentlich früher einsetzt als in der Vergangenheit. Wie sieht dies konkret aus?
Zehender: Wir haben dafür einen standardisierten Prozess aufgesetzt. Er beginnt in der Projektphase mit einer gemeinsamen Spezifikationsphase und geht über regelmäßige VDA-gemäße Reifegradabsicherung und -Prozessaudits bis hin zur Freigabe nach Bemusterungen und Leistungstests. Fortgesetzt wird dies in der Serie durch eine kontinuierliche Produkt- und Prozessoptimierung.
Was genau wird in der gemeinsamen Spezifikationsphase besprochen?
Zehender: Zentral ist für uns die Frage, wie wir Innovationen bestmöglich in Serie bringen. Deshalb haben wir beispielsweise bei dem schon angesprochenen Mantelrohrschaltermodul nicht nur das Design und die Technik miteinander diskutiert. Ebenso sprechen wir darüber, wie Kostal dieses Modul lokal, also beispielsweise in Mexiko, China und Südafrika, fertigen kann. Wir verfolgen bei Mercedes-Benz Cars das erklärte Ziel, einen möglichst hohen Anteil lokal vor Ort zu produzieren. Das heißt bei diesem Beispiel, dass Kostal sicherstellen muss, dass die für das Schaltermodul benötigten Werkstoffe lokal verfügbar sind und Fertigungsverfahren realisiert werden, die in allen angedachten Produktionsländern umsetzbar sind.
Kostal: Dieser Abstimmungsprozess setzt sich bis in die Serie fort. So müssen wir als Zulieferer frühzeitig den Beweis erbringen, dass wir ein Bauteil auch auf der Kamm-linie, also mit der maximalen geplanten Produktionsmenge, zu der definierten Qualität fertigen können. Deshalb machen wir vor dem Serienanlauf einen Kammlinientest. Später in der Serie geht es für uns darum, Effizienzpotenziale zu heben und dabei das hohe Qualitätsniveau zu halten. Es sind also kontinuierlich intelligente Maßnahmen gefragt.
Zehender: Die neue Organisation birgt meines Erachtens noch größere Chancen für die Zukunft: Wir bewegen uns zunehmend weg von der tradierten OEM-Lieferanten-Beziehung, in welcher der OEM dem Zulieferer sagt, was dieser zu tun hat. Wir entwickeln vielmehr einen Dialog zwischen Sparringspartnern. Ähnlich wie in einer Fußballmannschaft spornen sich die Spieler gegenseitig an – und das schon zu einem relativ frühen Zeitpunkt. Nur wenn wir Zulieferern wie Kostal zuhören und deren Innovationskraft, Kreativität und Detailwissen nutzen, können wir zu wirklichen Innovationen kommen, die in der Serie effizient abbildbar sind. Dieses Miteinander wird in Zukunft sicherlich eine noch größere Rolle spielen.
Sie lokalisieren immer mehr Bauteile. Gleichzeitig steigt die Zahl der Fahrzeuge, die Sie bauen, von Jahr zu Jahr. Welche Maßnahmen haben Sie auf Seiten von Mercedes-Benz Cars und Kostal hinsichtlich Lieferantenqualität getroffen, um diesen Spagat zu meistern?
Zehender: Um weltweit nach den gleichen Qualitätsmaßstäben fertigen zu können, haben wir rund um den Globus mehrere Einkaufs- und Lieferantenqualitäts-Hubs aufgebaut. Q-Ingenieure und Einkäufer betreuen unsere Lieferanten vor Ort nach den gleichen Vorgaben und mit den gleichen Prozessen wie hier in Deutschland. Solche Hubs haben wir bereits in Tuscaloosa/USA, in Peking/China sowie in Südafrika installiert.
Kostal: Das gleiche gilt für uns auch: Wir haben im gesamten Unternehmen an allen Standorten einheitliche, globale Standards, einheitliche Prozesse, einheitliche Systeme und eine einheitliche Organisation im Hinblick auf die Qualitätsverantwortung. Keine Frage, die globale Tiefenlokalisierung stellt auch uns vor Herausforderungen im Hinblick auf unsere Zulieferer. Deshalb haben wir massiv in den Ausbau unserer Lieferantenentwicklung weltweit investiert.
Das Thema Elektromobilität gehört im Moment zu den großen Innovationsfeldern aller Automobilhersteller. Welche neuen Herausforderungen kommen dadurch auf die Qualitätssicherung in Ihrem Hause zu, Herr Kostal?
Kostal: Aus meiner Sicht wird vor allem das Thema Leistungselektronik immer relevanter. Dabei sind hohe Anforderungen zu erfüllen im Hinblick auf funktionale Sicherheit, EMV-Schutz, Thermomanagement oder auch Packaging, um nur ein paar zu nennen. Wir bei Kostal fokussieren uns hier auf zwei Produkte: den Laderegler und auf den DC/DC-Konverter. Das Besondere beim Laderegler ist, dass er über die Lebensdauer des Fahrzeugs relativ stark beansprucht wird, sodass wir eine hohe Lebensdauer gewährleisten müssen. Aus diesem Grund haben wir für dieses Thema ganz neue Prüf-labore aufgebaut und das Kompetenzprofil unserer Mitarbeiter auch im Qualitätsbereich deutlich verbreitert.
Viele Innovationen entstehen derzeit auch im Umfeld des autonomen Fahrens. Welche Chancen sehen Sie hier für die Zusammenarbeit?
Zehender: Das autonome Fahren eröffnet der gesamten Automobilindustrie ganz neue Chancen, das Fahren für den Kunden neu zu erleben. Das Fahrzeug wird künftig je nach Bedürfnis zu einem Lebens-, Interaktions- oder Unterhaltungsraum. Mit seinen großen Kompetenzen im Bereich der Elektromechanik ermöglicht Kostal beispielsweise eine neue Art der Interaktion im Fahrzeug: Kamerasysteme erkennen, in welchem Zustand sich der Fahrer befindet. Wenn er etwa müde ist, könnte das Auto ihm bestimmte Aufgaben abnehmen, sodass er erholter, entspannter und sicherer an seinem Ziel ankommt. Das Lieferantenmanagement hat an dieser Stelle die Aufgabe, gemeinsam mit Zulieferern wie Kostal die Potenziale neuer Technologien auszuloten – und sie deutlich schneller in Fahrzeuge zu integrieren, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Die Kunden erwarten von uns heute ein Innovationstempo wie es im Consumer-Umfeld üblich ist. Eine Herausforderung für OEMs und Zulieferer wie Kostal besteht darin, sich mit neuen Wettbewerbern in diesem Umfeld auseinanderzusetzen.
Machen Ihnen diese neuen Player heute Angst?
Zehender: Nein, wir müssen keine Angst vor ihnen haben, wenn wir die Innovationskraft der deutschen Industrie richtig nutzen. Interessant wird sein, wie die Qualitätsziele dieser verschiedenen Industrien künftig in Übereinstimmung gebracht werden. Dass bei einem Smartphone eine App mal nicht funktioniert, akzeptieren Verbraucher. Bei einer Anwendung im Fahrzeug finden sie dies aber sicher nicht akzeptabel; vor allem nicht, wenn es um das Thema Sicherheit geht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Kunden hier in Zukunft Abstriche bei der Qualität machen wollen.
Kostal: Ich sehe das genauso. Wir unterschätzen die neuen Player keineswegs, aber ich bin überzeugt, dass wir viele Kompetenzen haben, mit denen wir gut punkten können. Unser Qualitätsanspruch gehört ganz klar dazu.
Industrieanzeiger
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