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„Wir werden unser ERP-Paket noch mehr nach Branchen ausrichten“

Heinz Bäurer: Der IT-Dienstleister konzentriert sich künftig auf das Kerngeschäft
„Wir werden unser ERP-Paket noch mehr nach Branchen ausrichten“

Mit einer seit Anfang des Jahres eingeleiteten Restrukturierung will der IT-Dienstleister Bäurer AG bald wieder Fahrt aufnehmen. Im Interview erläutert Geschäftsführer Heinz Bäurer seine Strategie und bewertet die Aussichten der Anbieter im mittelständisch orientierten ERP-Marktsegment.

Das Gespräch führte unser Redaktionsmitglied Dietmar Kieser dietmar.kieser@konradin.de

Bäurer offeriert sowohl kleinen als auch wachsenden Unternehmen ein Komplettangebot. Kommen Sie da nicht Branchengrößen wie SAP oder J.D. Edwards ins Gehege, die auch in den Mittelstand drängen?
Wir müssen uns im Mittelstandssegment immer dem Wettbewerb der Global Player stellen. Aber dieser Markt ist so groß, dass sowohl für SAP als auch für uns genügend Platz ist. Doch nach wie vor haben wir hier zu viele Systemanbieter und damit ein zu geringes Ertragspotenzial. Doch während die SAP Vorsteuergewinne von 25 Prozent verbucht, bewegen sich die Mittelstandsanbieter nahe dem roten Bereich. Deshalb rechne ich damit, dass sich die Schar der Anbieter in den nächsten Monaten oder Jahren stark konsolidieren wird.
Wer dürfte hiervon betroffen sein?
Das kann ich nicht beantworten. Aber derzeit macht sich jeder Gedanken darüber, wie er seine Rentabilität verbessern kann. Es geht nicht um Chancenmanagement, sondern um hartes Ertragsmanagement …
… das ja auch bei Bäurer angesagt ist. In den letzten beiden Jahren haben Sie zehn Unternehmen übernommen. Jetzt trennen Sie sich von Beteiligungen und entlassen Mitarbeiter.
Richtig. Aber auf jede Akquisitionsphase folgt die Konsolidierung. Jetzt heben wir Synergien und überprüfen unsere Ausrichtung. Davon sind auch Standorte betroffen. Wenn sie zu nahe beieinander liegen, wie etwa Bielefeld und Rheda-Wiedenbrück, wird eben einer geschlossen.
Wann wird dieser Prozess abgeschlossen sein und mit welchem Ergebnis rechnen Sie?
Wir haben Anfang dieses Jahres ein Unternehmensstruktur-Verbesserungsprogramm aufgelegt, das jetzt in ein Effizienzsteigerungsprogramm gewandelt wird. Dieses soll dazu führen, dass wir Kosten senken, Abläufe optimieren und rasch wieder positive Zahlen schreiben werden. Ertragspotenzial haben wir genügend, wir müssen es nur heben. Bis zum Jahresende wollen wir den größten Teil der Maßnahmen abgeschlossen haben.
Werden Sie auch im Entwicklungsbereich an der Schraube drehen?
„Die Anbieterschar im mittelständischen ERP-Segment wird sich stark konsolidieren“
Da führen wir gerade einen Paradigmenwechsel durch. Künftig werden wir weniger Projektentwicklung betreiben und dafür die Produktentwicklung stärken. Dies nützt auch dem Kunden, weil er von uns mehr Standardfunktionalität in vorkonfigurierter Form erhält. Zugleich entsteht bei ihm viel weniger Projektaufwand für die Anpassung der Software.
Hinzu kommt, dass wir den Anwendern der von uns gekauften Unternehmen einen Migrationspfad bieten müssen. Diese Entwicklung kostet aber Zeit. Ziel ist es, dass wir bis Jahresende 75 bis 80 Prozent der Funktionen der übernommenen Produkte in unserer Standardsoftware b2 abbilden. Dann können wir unseren Kunden ein Migrationsangebot unterbreiten.
Wird das ERP-Geschäft im E-Business aufgehen?
Nein, wir werden auch in Zukunft ein ERP-Backbone-Geschäft haben, das alle betriebsinternen Abläufe umfasst. Auf der anderen Seite haben wir das gesamte E-Business, also alle betriebswirtschaftlichen Prozesse, die firmenübergreifend stattfinden. Das ist aber keine Frage der Technologie. Man wird immer weniger selbst entwickeln, sondern zunehmend die Wertschöpfungskette ganzheitlich beliefern im Rahmen eines integrierten Systems. Das ist auch die künftige Strategie von Bäurer: Wir sehen einerseits unser ERP-Backbone-Geschäft in den Bereichen Industrie, Handel und Logistik und andererseits unsere E-Business-Einheit, die sich mit den Themen Supply Chain Management und Customer Relationship Management beschäftigen wird. So wollen wir uns in Zukunft aufstellen.
Warum die organisatorische Trennung?
Weil diese beiden Geschäftsbereiche verschieden ticken. Das ERP-Geschäft besteht aus 70 Prozent Standard, 30 Prozent sind vorkonfiguriert. Im E-Business ist es genau umgekehrt. Dieses Geschäft erfordert eine relativ schmale Kernentwicklung, aber eine große Service-Einheit.
Führt das zu zwei verschiedenen Unternehmensbereichen?
Im Rahmen des Restrukturierungsprozesses denken wir auch über Einheiten nach. Das E-Business-Geschäft läuft stark in diese Richtung, aber alles unter dem Dach der Bäurer AG. Wie das gesellschaftsrechtlich am Jahresende aussehen wird, kann ich jetzt noch nicht sagen.
Sind umfassende ERP-Lösungen wie b2 für kleinere Betriebe denn nicht zu aufwendig?
Diese Betriebe brauchen die selbe Funktionalität wie die großen Unternehmen, nur viel stärker in vorkonfigurierter Form. Deshalb bedienen wir diesen Markt über unsere Partner mit der b2-Kompakt-Lösung. Kleinere Unternehmen sind auch bereit, ein System zu nutzen, das weniger flexibel ist. Ihnen kommt es mehr darauf an, dass sie damit ihren Gesamtprozess möglichst automatisieren können, weil meistens einer oder wenige Mitarbeiter viele Teile des Prozesses bedienen. Ein Paradebeispiel ist der für uns sehr interessante Kunststoffmarkt, dem wir unser b2 Wincarat offerieren. Hier treffen wir auf eine Klientel mit relativ wenigen Mitarbeitern, aber vielen Maschinen. Da sie sehr detailliert planen, brauchen sie eine ERP-Branchenlösung, die sie darin unterstützt.
„Wir heben jetzt Synergien und überprüfen die Ausrichtung“
Dort wie auch im Fahrzeugbau sind viele veraltete Systeme im Einsatz. Wie sehen Sie das Ablösepotenzial?
Dieses Kundenpotenzial ist mit ein Grund dafür, dass wir b2 Industrie nicht ausschließlich als Lösung für die diskrete Fertigung positionieren. Vielmehr werden wir unser ERP-Paket noch mehr nach Branchensegmenten ausrichten. Diesen Fokus definieren wir soeben. Wie viele Segmente es letztendlich sein werden, kann ich derzeit nicht sagen, da die Analysen noch nicht abgeschlossen sind.
Im letzten Jahr hat Bäurer, wie viele andere auch, auf das Thema Mietsoftware gesetzt. Die Anwender sehen jedoch wenig Nutzen darin. War es ein Fehler, dass Sie im letzen Jahr ein Zentrum für Application Service Providing (ASP) gegründet haben?
ASP war im Vorjahr das große Modethema, nach wie vor ist es ein Thema für die Zukunft. Ich räume aber ein, dass wir zu schnell Chancen gesehen haben. In diesem Jahr geht es uns darum, mit welchem Thema wir in überschaubarer Zeit Gewinne erwirtschaften können. ASP sehe ich nach wie vor als eine Möglichkeit. Doch in unserem Effizienzsteigerungsprogramm spielt es keine große Rolle. Auf alle Fälle werden wir ASP unseren Kunden als Alternative zur Inhous-Lösung anbieten.
Wie lange wird es dauern, bis der Mittelstand ASP als Alternative akzeptiert?
Man muss dies mit den Hardware-Entwicklungszeiten gleichsetzen. Ein Unternehmer wird sich mit dem Thema erst befassen, wenn der Wechsel der IT-Infrastruktur ansteht. Niemand wird eine zwei Jahre alte Client-Server-Lösung in ein ASP-Umfeld geben, dafür hat er viel zu viel investiert.
Die Fakten: Bäurer AG: Herunter von der Überholspur
– Firmengründer Heinz Bäurer (48) hat sein mittelständisches Softwarehaus vor 20 Jahren in Hüfingen-Behla aus der Taufe gehoben. Der vor zwei Jahren unternommene Börsengang am Neuen Markt spülte der Schwarzwälder ERP-Company fast 50 Mio. DM in die Kassen.
– Ein wahrer Akquisitionsmarathon im In- und Ausland folgte. Bäurer erwarb in dieser Zeit mehr als zehn Unternehmen. Die Zukäufe schraubten zwar den Umsatz zum Jahresende 2000 auf rund 82 Mio. Euro hoch (plus 72 % gegenüber Vorjahr). Aus der Verlustzone kam Bäurer dennoch nicht heraus.
– Ein strammer Konsolidierungsprozess setzte ein. Im ersten Halbjahr 2001 steigerten die Hüfinger die Einnahmen im Jahresvergleich um 19 % von 32,6 auf 38,8 Mio. Euro. Das Ergebnis vor Steuern und Zinsen (Ebit nach US-GAAP) beläuft sich auf minus 7,4 Mio. Euro (Vorjahr: minus 8,7 Mio. Euro). Laut Bäurer machen sich hier die zusätzlichen einmaligen Belastungen aus dem Restrukturierungsprogramm bemerkbar.
– Für das Gesamtjahr rechnet der Firmenchef dennoch mit einem Umsatz auf Vorjahresniveau (rund 80 Mio. Euro), aber auch mit einem deutlich negativen Ebit.
– Seit Juni 2001 ist Heinz Bäurer Vizepräsident des Herstellerverbandes Bitkom, Berlin.
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